Mit 44 Jahren bekam Sittika Berhayat aus Wien die Diagnose: Brustkrebs. Eine Herausforderung, der die Fotografin letztlich sogar auch positive Seiten abgewinnen kann.
Sie saß gerade gemütlich vor dem Fernseher, als sich ihr Leben von einer Sekunde auf die andere veränderte. "Ich bin zufällig mit der Hand bei der linken Brust angekommen und hab eine kleine Erhebung gespürt", erzählt Sittika Berhayat aus Wien. Wirklich beunruhigt war sie noch nicht, "ich dachte an eine Verkapselung oder so." Schließlich ließ sie sich regelmäßig einmal im Jahr beim Frauenarzt die Brüste checken. Eine Mammografie hatte sie bereits hinter sich, wenn das auch schon einige Zeit her war.
"Selbst, das muss ich gestehen, hab ich mich nicht abgetastet. Ich bin jetzt 45, das alles war vor etwas über einem Jahr. Wer denkt in dem Alter schon an Brustkrebs?"
Doch die Diagnose nach Ultraschall und Biopsie bestätigte leider die schlimmsten Befürchtungen: bösartiger Tumor. Zum Glück erst zwei Zentimeter groß. Damit, so die Ärzte, wären die Heilungschancen sehr gut. Doch die ersten Chemotherapien, die der operativen Entfernung des Knotens folgten, verlangten der Mutter einer 26-jährigen Tochter alles ab. "Ich fühlte mich rundum schrecklich. Es war, als läge ein Riesenstein in meinem Magen."
In dieser ersten Zeit überfiel sie immer wieder Verzweiflung. Doch mit weniger schweren Chemos – insgesamt 16 Zyklen in 5 Monaten – wuchsen Kampfgeist und Optimismus immer mehr: "Ich dachte mir: Was hast du für ein Glück, dass es Brustkrebs ist. Das ist die Krebsart, die mit am besten zu behandeln ist." Sie versteckte auch ihre Glatze, ein Resultat der Chemotherapien, weder unter einer Perücke noch einem Tuch. "Ich wollte zu meiner Herausforderung stehen."
Und sie ging, auch wenn viele in ihrem Umkreis dieses Outing nicht gut hießen, auf Instagram, um jeden Schritt ihrer Behandlung zu dokumentieren ( sittikaberhayatphotography). "Ich möchte Aufklärungsarbeit leisten. Wenn man selbst noch keinen Kontakt mit Krebs hatte, weiß man so wenig darüber. In der Türkei, wo meine Eltern herkommen, ist das überhaupt noch ein großes Tabu-Thema. Ich möchte allen Frauen sagen: Vernachlässigt euch selbst nicht. Geht zur Mammografie. Ab 40 wird sie von der Kassa bezahlt. Ich war immer total gesund, habe Sport gemacht, habe keine Krebsfälle in der Familie – wenn es mich erwischen kann, dann jede andere auch."
Bestrahlungen, die folgten, die Antihormontherapie (ihr Krebs ist hormonbedingt), blieben natürlich nicht ohne Folgen: "Ich wurde in die frühzeitige Menopause versetzt, eine Neuropathie in Händen und Füßen ist noch immer nicht ganz weg." Sie braucht alle sechs Monate eine Infusion, um die Knochen zu stärken, weitere Hormonbehandlungen, kennt Übelkeit und Durchfall zur Genüge.
Ihren Job als Baby-Fotografin musste sie vorerst mal an den Nagel hängen. Die finanzielle Situation war und ist eine der größten Belastungen: "Die staatlichen Hilfen reichen leider nicht. Ohne meine Familie hätte ich nicht weiter gewusst", so Sittika, die sich mit ihrer Tochter eine Wohnung teilt.
Doch trotz aller Schwierigkeiten sieht sie optimistisch in die Zukunft. Nicht nur, weil ihre gesundheitliche Prognose gut ist. Auch weil sie das Leben insgesamt jetzt anders sieht: "Die Diagnose hat mir einen Ruck gegeben. Davor war ich in einer Selbstfindungsphase, immer unzufrieden, wusste nicht genau, was ich eigentlich wollte. Jetzt höre ich viel mehr auf meinen Körper, möchte Stress so gut es geht vermeiden. Ich weiß jetzt, wie wertvoll das Leben ist. Und ich versuche, nichts mehr zu verschieben oder rauszuzögern. Freunde treffen, verreisen. Mache ich dann morgen oder irgendwann mal gibt es nicht. Ich lebe jetzt.