Es gilt als ungeschriebenes Paar-Gesetz: "Geht nicht wütend schlafen!" Warum es letztendlich aber sogar hilfreich sein kann, einen Streit ein paar Stunden ruhen zu lassen.
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Niemals mit einem ungeklärten Streit, wütend und verärgert schlafen gehen – das haben uns schon unsere Großeltern eingetrichtert. Was heute gerne auch in diversen Beziehungsratgebern weitergegeben wird, erweist sich in der Realität oft als wenig praktikabel. Partnerschaften sind nicht immer Sonnenschein und Rosen ... und ein Konflikt wartet eben nicht immer auf den passenden Moment.
Ist die jahrtausendealte Weisheit also eigentlich längst veraltet, nicht mehr als ein Klischee? Durchaus. Katharina Henz, Psychotherapeutin aus Wien, ist vielmehr davon überzeugt, dass es manchmal sogar gescheit ist, nach einem Streit wütend ins Bett zu gehen: "Am Abend sind wir oft müde und erschöpft. Da ergibt es gar keinen Sinn, noch langatmige Diskurse zu führen." Ganz zu schweigen davon, Beziehungsprobleme lösen zu wollen.
Schlaf als Streitlöser?
Manchmal seien Streitereien auch einfach zu komplex, um sie in einer Nacht zu entwirren. Gleichzeitig triggern Diskussionen Emotionen, die Zeit und Raum brauchen. So würde das Problem am nächsten Tag oft nur noch halb so verschüttet wirken, weiß Henz.
Das bestätigen auch die Forschungen des "Gottman Insitute". In einer groß angelegten Studie wurden Paare während eines Konflikts unterbrochen und gezwungen, sich 30 Minuten mit etwas anderem zu beschäftigen, etwa ein Magazin zu lesen. Die Folge: Beide PartnerInnen beruhigten sich in der Pause und konnten danach mit einem kühleren Kopf (und somit rationaler) den Streitpunkt klären.
Plus: Vor allem Diskussionen, die sich nur mehr im Kreis drehen und beide Parteien frustriert zurücklassen, würden von ein paar Stunden Schlaf profitieren: "Das Hirn arbeitet in der Nacht ja weiter", so die Paartherapeutin. Ein klarer(er) Kopf bringe am Morgen dann oft wie von selbst neue Aspekte und Lösungen hervor.
Liebevoller Umgang miteinander
Ein noch offener Konflikt ist aber keine Ausrede, völlig zerstritten schlafen zu gehen. Es sollte weiter Respekt und Liebe in der Beziehung herrschen, während der Streit in der Luft hängt: "Man sollte sich gemeinsam als Paar einigen, jetzt ins Bett zu gehen und wohlwollend beschließen, die Diskussion zu einem späteren Zeitpunkt fortzuführen!"
Dieses "Aufhalten und Aufschieben" sei dabei ein wichtiger Skill in jeder Beziehung. Auch wenn also kurz vorher noch die Fetzen geflogen sind: Gib deinem Partner oder deiner Partnerin ruhig den üblichen Gute-Nacht-Kuss, kuschelt euch zusammen ins Bett und versprecht, gemeinsam an dem Problem zu arbeiten. Das gleicht die negativen Gefühle des Streits aus.
Streit ist immer Team-Sache!
Während es laut Henz klar sei "dass man mit einem Konflikt im Kopf trotzdem ein bisserl schlechter schläft", ist es doch wichtig anzuerkennen, dass mit so einer Reiberei jeder Mensch anders umgeht, weiß Psychotherapeutin Johanna Böhm-Schöller, die ebenfalls seit Jahren Paare berät: "Es ist auch total legitim, auf die Couch auszuweichen, um Abstand zur Situation zu gewinnen. Es ist völlig normal, wütend zu sein!"Damit sich am Ende nicht einer vor lauter Sorge schlaflos im Bett wälzt, während der oder die andere genüsslich schnarcht, müssen sich außerdem beide PartnerInnen verstanden fühlen.
Genau dieses Verständnis ist auch der Schlüssel, um Beziehungsprobleme zu lösen. Diese Fragen können schon in der Hitze des Gefechts helfen:
Will ich mein Gegenüber gerade wirklich besser verstehen oder eigentlich nur gewinnen?
Höre ich meinem Gegenüber wirklich zu oder warte ich nur darauf, meine Argumente loszuwerden?
Wer gegenseitiges Verständnis zum gemeinsamen Ziel macht, fühlt sich nach einem aufgeschobenen Streit so oft sogar verbundener. Wichtig ist nur, seine Emotionen und Gefühle klar zu kommunizieren, bevor das Licht abgedreht wird. Dann steht einer ruhigen Nacht nichts im Weg.