Vertrauen, sagt man, sei das Wichtigste in einer Beziehung. Doch was, wenn man einfach nicht fähig ist zu vertrauen? Wenn man ständig unter Eifersucht leidet und Angst hat, den Partner zu verlieren?
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Viele kennen diese oder ähnliche Situationen: Man ist eigentlich gerade total glücklich mit einem Menschen. Alles läuft prima, man ist verliebt, sieht sich regelmäßig, hat tolle Gespräche, grandiosen Sex und sollte eigentlich rundum glücklich sein ... Wäre da nicht dieses eine Gefühl, das früher oder später immer wieder auftaucht.
Dieses Gefühl, dass der Partner fremd geht, einen zu wenig liebt oder in irgendeiner anderen Form hintergeht. Irgendwann treibt es einen dann in den Wahnsinn. Man stichelt nach, beobachtet und kontrolliert. Bis man nur noch streitet und den Partner dazu treibt einen wirklich zu verlassen oder man selbst Schluss macht, weil man am Ende seiner Kräfte ist. Misstrauen. Ein hässlicher aber häufiger Trennungsgrund.
Woher kommt das Misstrauen?
Wer ständig eifersüchtig ist, gibt oft dem/der Partner:in die Schuld dafür. Weil der/die Partner:in zu spät von der Arbeit gekommen ist, weil er/sie sich nicht oft genug meldet oder anderen Menschen nachschaut. Dabei hat Misstrauen und krankhafte Eifersucht meist nichts mit dem/der Partner:in, sondern mit einem selbst zu tun.
Menschen, die ständig von dem Gefühl geplagt werden, dass sie ihr Partner hintergeht, belügt oder verlässt, haben womöglich Verlusterfahrungen in ihrer Kindheit gemacht oder wurden von ihren vorigen Partner betrogen. Klar, dass es einem da schwer fällt, völlig angstfrei eine glückliche Beziehung zu führen. Häufig kommen aber noch Selbstzweifel dazu, die dieses Misstrauen verstärken. "Ich bin nicht attraktiv genug", "Ich bin nicht klug genug", "Ich bin nicht erfolgreich genug".
Solche Dinge sitzen oft ganz unbewusst aber tief in uns drinnen und lösen völlig irrationale Eifersuchts- oder Misstrauensanfälle aus. Denn wenn man von sich selbst denkt, dass man nicht gut genug ist, dann glaubt man auch nicht daran, dass der Partner einen gut findet. Man wird also von dem ständigen Gefühl "zu wenig" zu sein geplagt und wartet regelrecht darauf betrogen oder verlassen zu werden.
Die Folge: Man macht dem/der Partner:in ohne Anlass Vorwürfe, schnüffelt ihm/ihr hinterher und kontrolliert vielleicht sogar sein Handy oder seine Geldtasche. Man möchte etwas finden, das beweist, dass man nicht falsch liegt mit seinem Gefühl. Selbst wenn der/die Partner:in immer und immer wieder seine Unschuld beteuert, können die Betroffenen ihre Eifersucht und ihre Kontrollverhalten nicht einstellen.
Verlusterfahrung als Kind
Bei manchen kann das mit Erlebnissen zu tun haben, die in der frühen Kindheit passiert sind. Man hat zum Beispiel miterlebt, wie die Mutter vom Vater betrogen wurde und heulend zuhause saß. Von da an hat man sich geschworen, dass einem dies selbst niemals passieren wird.
Trennungen. Andere leiden vielleicht noch immer unter dem Schmerz, der einem zugefügt wurde, als der Vater die Familie verlassen hat. Was einen als Kind so verletzt und gebrochen hat, holt einen dann in einer Beziehung wieder ein. Immer die Angst, dass der Mensch, den man so liebt, der einem so nahe steht, von heute auf morgen einfach weg sein könnte.
Vom Ex-Partner betrogen
Andere mussten in Ex-Beziehungen Erfahrungen mit Seitensprüngen machen. Sie wurden vielleicht sogar jahrelang betrogen, ohne es zu merken und halten sich nun vor, wie dumm sie doch gewesen seien. Man nimmt sich also vor, dass einem so etwas nie wieder passieren darf ... dass man nie wieder so naiv sein will. Nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Warum sind manche Menschen nicht eifersüchtig?
Wenn man sich selbst für gut genug, intelligent genug oder attraktiv genug hält, dann vertraut man auch darauf, dass der/die Partner:in das tut. Man kommt gar nicht auf die Idee, dass der/die Partner:in einen verlassen könnte, weil man keinen Grund dazu sieht.
Wenn man über eine gesunde Selbstachtung verfügt ist man demnach auch weniger empfänglich für Eifersucht. Der Psychologe Rolf Merkle ist überzeugt, dass Menschen, die weniger eifersüchtig sind, in ihrer Kindheit gelernt haben, ihren Wert nicht danach zu beurteilen, wie beliebt sie bei anderen sind: "Sie haben gelernt, selbst für ihre Zufriedenheit zu sorgen."
Eifersüchtige und misstrauische Menschen hingegen brauchen ständig Bestätigung von anderen. Diese Selbstzweifel führen dazu, dass man irgendwann auch an der Liebe des Partners zweifelt und die Angst entsteht, der/die Partner:in könnte einen verlassen.
Wie schafft man es zu vertrauen?
Der US-Psychologe John Gottmann geht davon aus, dass es drei Phasen der Liebe gibt, in denen Paare ihr Vertrauen aufbauen:
Die Verliebtheit.
Die Phase, in der die Menschen ihre Beziehung im Alltag aufbauen und beginnen auch Dinge zu sehen, die einen stören. In dieser Phase stellen sich die existenzielle Fragen: Bist du für mich da? Bist du treu? Teilst du deine Gefühle mit? Sprichst mit mir, wenn du traurig bist? Stellst du mich deinen Freunden und deiner Familie vor? An dieser Phase beginnt der Vertrauensaufbau.
Aufbau von Loyalität und Bindung - im Sinne von Verpflichtungen.
Vor allem in der letzten Phase ist es wichtig, dass man an sich selbst arbeitet. Dazu gehört es laut Gottmann auch, dass man die Interessen des Partners über die eigenen stellt und Opfer bringt. Möchte dein Freund zum Beispiel lieber den Abend mit seinen Kumpels, anstatt mit dir verbringen, dann lass ihn und wünsche ihm einen wundervollen Abend. Das Opfer, dass du einen Abend alleine verbringst, macht sich dann bezahlbar, wenn er gut gelaunt und ausgeglichen wieder nach Hause kommt.
Außerdem solltest du dir IMMER zuerst selbst Fragen stellen, bevor du anfängst, deine:n Partner:in mit Vorwürfen und Eifersucht zu bombardieren. Frage dich: Woher kommen meine Zweifel? Gibt es gerade wirklich Anlass für mein Misstrauen?
Versuche immer zuerst die Tatsachen zu betrachten, ehe du dich auf deine Emotionen einlässt. Wirfst du zum Beispiel vor, dass er/sie dich weniger liebt als du ihn/sie, so betrachte vorerst die Tatsachen: Wirst du wirklich vernachlässigt? Verbringt ihr zu wenig Zeit? Was veranlasst dich, dass du dich ungeliebt fühlst? Die Antwort findet man oft bei sich selbst.
Das beste Mittel gegen Misstrauen gegenüber des Partners ist demnach das Vertrauen zu dir selbst. Je stärker deine Selbstachtung und dein Selbstwertgefühl ist, desto geringer dein Misstrauen und deine Eifersucht. Nur weil du dich selbst nicht für liebenswert hältst, heißt das nicht, dass es dein Partner nicht auch tut.
Wie kann ich mein Selbstwertgefühl stärken?
Wichtig ist, dass du dich magst, selbst wenn du nicht perfekt bist. Wenn du dich nur magst, wenn du 5 Kilo weniger und eine perfekte Haut hast oder du beruflich erfolgreicher wirst, kannst du nie ein stabiles Selbstwertgefühl erlangen.
Der Psychotherapeut Rolf Merkle rät zu folgender Übungen:
Nimm dir jeden Tag 30 Minuten Zeit und setze dich mit einem Spiegel irgendwo hin, wo du völlig ungestört und unbeobachtet bist. Zuvor solltest du dich in gute Stimmung bringen, indem du zum Beispiel dein Lieblingslied hörst oder einen kleinen Spaziergang machst.
Nimm den Spiegel und setze ein Lächeln auf. Schau dir dabei ein paar Sekunden lang in die Augen und sag dann laut: "Xenia (hier deinen Vornamen einsetzen), ich liebe dich."
Lass diese Worte ein paar Sekunden auf dich wirken.
Danach sagst du dir 5 Dinge, auf die du stolz bist, wie zum Beispiel: "Ich bin stolz auf dich, weil du an dir arbeitest." oder "Deine Haare sehen großartig aus."
Es kann sein, dass du dich in den ersten Tagen bei dieser Übung etwas unwohl fühlst. Merkle meint, dass Menschen davon nicht selten zu weinen beginnen oder ihnen gar schlecht wird. Diese Reaktion zeigt wie fremd wir uns sind und wie wichtig es ist, uns endlich näher zu kommen und uns selbst zu lieben.
Wir versprechen: Je stärker dein Selbstvertrauen wird, desto leichter fällt es dir auch deinem Partner zu vertrauen.