Geben wir alle zu schnell auf, wenn Probleme in der Beziehung auftauchen? Wann eine Paartherapie Sinn ergibt. Und warum daran auch gar nix peinlich ist.
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Kennt ihr die alte Weisheit: "Wenn man zu hart an einer Beziehung arbeiten muss, dann ist es sehr wahrscheinlich nicht die richtige Beziehung?" Da ist schon was Wahres dran, d'accord. Fakt ist aber auch, dass Beziehungen ab und an wirklich wahnsinnig kompliziert und anstrengend und kraftraubend. Das ist völlig normal und bringt nicht sofort eine Trennung mit sich.
Ein wenig erinnern sie an Ebbe und Flut. Flut: Da ist alles wunderschön, es funktioniert. Ebbe: Es wird schmerzhaft und verwirrend, man verzweifelt. Vor allem dann, wenn es niemanden gibt, der uns durch diese Zeit der Ebbe führt und uns eine Möglichkeit aufzeigt, wie wir doch noch einen positive Lösung finden.
Paartherapie: Für viele immer noch ein Eingeständnis des Scheiterns
Natürlich macht es Sinn, eine Beziehung zu hinterfragen, wenn es unzählige scheinbar schier unlösbare Herausforderungen gibt. Doch wenn da ein Stücki Liebe ist, dann kann ein Ausweg gesucht werden, ehe alles hingeworfen wird. Leider hat "Paartherapie" trotzdem immer noch den Beigeschmack von Schande, weil man als Paar gescheitert ist. Dazu trägt alleine schon der Name bei: "Therapie". Das klingt nach Krankheit.
Aber: Wenn wir uns krank fühlen, gehen wir zum Arzt oder zur Ärztin. Wir vereinbaren einen Masseur-Termin, wenn unser Rücken verspannt ist. Wir suchen einen Coach auf, wenn wir den nächsten Karriereschritt planen. Aber wenn unsere Beziehung in Schieflage gerät, dann scheuen wir uns, professionelle Hilfe zu in Anspruch zu nehmen.
Wann eine Paartherapie Sinn macht
Muss man jetzt beim ersten Krach zur Paartherapie rennen? Natürlich nicht. (Obwohl so ein jährlicher "Vorsorge-Check-Up" durchaus Sinn macht.) Aber es gibt ein paar Knackpunkte, bei denen es helfen kann, einen Kompromiss oder einen Lösungsansatz mit Hilfe eines neutralen Beobachters zu suchen:
1. Ihr streitet ständig
Starten wir mit dem Offensichtlichen. Wenn du und dein: Partner:in kaum ein normales Gespräch führen könnt, ohne dass es in Streit endet, dann wird es Zeit, Hilfe zu suchen ... und zu bekommen. In Beziehungen wird gestritten, das ist nichts abnormales und nichts Schreckliches. Nur wissen die meisten Paare nicht, wie man erfolgreich streitet.
Das bedeutet nicht, dass es eine:n Gewinner:in gibt. Sondern ein erfolgreich ausgetragener Konflikt führt zu einer Lösung, die nicht nur beide das Gesicht wahren lässt, sondern mit der auch beide gut leben können.
Die meisten Paare geraten jedoch in einen giftigen Kreislauf aus Angriff, Verteidigung und Schuldzuweisungen. In einer Paartherapie kann man lernen, wie man Diskussionen besser führt, effektiver kommuniziert und für die Liebe schädliche Verhaltensweisen vermeidet.
2. Ihr reibt euch an den ständig gleichen Verhaltensweisen auf
Wir alle tragen einen Rucksack voller Erfahrungen, die wir in unserem Leben gemacht haben. Die Art, wie unsere Eltern reagiert und uns erzogen haben, wenn wir als Kinder wütend waren, Mobbing in der Schule, ein Betrug in einer früheren Beziehung – all das prägt uns. Und das meiste haben wir noch nicht gänzlich verarbeitet. Dein:e Partner:in zieht sich zurück, wenn du Kritik übst?
Er oder sie spricht nicht mehr mit dir und zieht sich schmollend in eine Ecke zurück – was dich wieder auf die Palme bringt? Wenn wie in einer Wiederholungsschleife an bestimmten Verhaltensweisen liegt, die zur Eskalation führen, dann kann Paartherapie helfen, ein Bewusstsein für die Auslöser und Muster schaffen. Das wieder trägt im besten Fall (und mit viel Übung!) dazu bei, aus der Negativ-Schleife auszubrechen.
3. Die Rahmenbedingungen eures Lebens ändern sich
Eine Paartherapie ist nicht nur für Paare geeignet, die sich bereits im Krieg befinden. Sie kann auch helfen, wenn sich etwas Grundlegendes in eurem Leben ändert und ihr jemanden braucht, der mit euch gemeinsam verschiedene Möglichkeiten auslotet, wie ihr euch in diesem neuen Rahmen einrichtet. Das kann der Auszug der Kinder genauso wie eine durch einen Umzug bedingte Fernbeziehung sein. Der Therapeut oder die Therapeutin kann euch dabei helfen, als Team besser zusammenzuarbeiten und die gemeinsamen Ziele zu erreichen.
4. Euer Sexleben ist eingeschlafen
Kinder, Beruf, Dauerstress, mangelnde Anziehung. Es gibt viele Gründe, warum Paare aufhören, miteinander zu schlafen. Ein:e Paartherapeut:in hilft, unter die Oberfläche zu blicken und die wahre Ursache für die Störung im sexuellen Gleichgewicht zu suchen – und unterstützt, damit der Funke der Leidenschaft vielleicht wieder aufglimmt.
5. Ihr habt verschiedene Ansichten über das liebe Geld
Es ist - so traurig das klingt – mit einer der häufigsten Scheidungsgründe: Diskussionen über Geld und Finanzen. Wer zahlt wie viel, wofür wird das gemeinsame Geld ausgegeben, wofür gespart, die Angst, zu wenig Geld zu haben ... All das zermürbt die Liebe. Aber die ist mehr wert als ein paar Euros.
Weshalb es durchaus Sinn macht, mit Hilfe eines Therapeuten oder einer Therapeutin das heikle Thema zu de-eskalieren und mit dem Partner oder Partnerin in Sachen Finanzen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.