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Die Absage der Taylor-Swift-Konzerte in Wien: Ein Anschlag gegen die weibliche Freude und auch ein Akt des Frauenhasses

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Swifties singen, tanzen und trösten sich in der Corneliusgasse in Wien

Swifties singen, tanzen und trösten sich in der Corneliusgasse in Wien

©Jennifer Hauska
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Die Absage der Eras Tour in Wien hat nicht nur die Fans enttäuscht, sondern stellt auch einen symbolischen Angriff auf die Freude und den Zusammenhalt junger Frauen dar. Es scheint kein Zufall zu sein, dass sich die Terroristen die Konzerte von Taylor Swift ausgesucht haben - und das liegt nicht nur daran, dass sie der derzeit größte Popstar ist, sondern auch daran, wofür sie und ihre Fans stehen. Ein Kommentar.

Der Artikel wurde am 12. August 2024 das erste Mal online gestellt und während der London-Shows überarbeitet.

Die Nachricht über die Absage der drei Taylor-Swift-Konzerte in Wien traf viele Fans wie ein Schock - auch mich! Denn ich gehörte zu den Glücklichen, die Tickets vor über einem Jahr ergattern konnten. Ich wäre sogar alle drei Tage gegangen und hatte bereits zum Zeitpunkt der Absage alle Vorbereitungen abgeschlossen gehabt.

Die Konzerte, die als DAS Highlight des Jahres für zahlreiche junge Frauen und Mädchen galten, wurden aufgrund von Terrorwarnungen abgesagt. Für viele mag es nur eine Absage eines Konzerts sein, doch hinter dieser Absage steckt so viel mehr. Es ist ein Angriff auf die weibliche Freude und den Raum, den Frauen sich in der Popkultur erobert haben. Erneut wird Frauen - durch einen Mann - ein Safe Space genommen. "This is why we can't have nice things" - wie es Taylor in einem Song singt.

Ein Angriff auf weibliche Freude

Taylor Swift ist nicht eine erfolgreiche Musikerin ebenso wie ein Symbol für weibliche Selbstbestimmung und Zusammenhalt. Ihre Konzerte bieten einen sicheren Raum für junge Frauen und die queere Community, um ihre Begeisterung und Freude auszuleben. Die Absage dieser Konzerte ist daher nicht nur eine Enttäuschung, sondern auch ein Angriff auf diese geschützten Räume, in denen weiblich gelesene Personen sowie die gesamte LGBTQIA+-Community ihre Freiheit und Individualität feiern können.

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© Kornélia Csabai

Frauenfeindlichkeit als Motiv für den geplanten Anschlag

Einen Tag vor dem ersten Konzerttermin von Taylor Swift kamen bereits am Nachmittag die ersten Meldung rund um einen geplanten Terroranschlag. Einige Stunden später, gegen 22:30, gab der Veranstalter Barracuda Music bekannt, dass eine Absage notwendig sei. Minuten später trudelten die ersten Mails von Oeticket ein, dass die in den kommenden Tickets zurückerstattet werden.

Schock. Trauer. Wut. All diese Gefühle kamen in diesem Moment in mir hoch. Ich konnte gar nicht glauben, was eigentlich gerade passiert ist. In meinem Kopf war nur: Morgen sehe ich endlich nach über einem Jahr Vorfreude DIE größte und erfolgreichste Tour unserer Zeit live. Endlich kein Livestream mehr auf TikTok, sondern wirklich live live.

Doch dem war nicht so. Grund: Mindestens zwei junge Männer (17 und 19 Jahre alt)* planten einen schrecklichen Anschlag auf Swifties vor dem Ernst-Happel-Stadion. Beide wurden mittlerweile festgenommen und sitzen in Untersuchungshaft. Weitere Verdächtige wurden befragt. Der 19-Jährige hatte nach der Festnahme am Mittwoch (7.8.) ein umfassendes Geständnis abgelegt, worin er bestätigte, dass möglichst viele "Ungläubige" ihr Leben verlieren hätten sollen. Diese Geständnis zog er am Sonntag (11.8.) jedoch wieder zurück. Die Ermittlungen laufen noch.

Ziel dieser Terrorpläne war ganz offensichtlich, vor allem Frauen zu verletzen und zu töten. Denn der Angriff wäre nicht explizit gegen Taylor Swift persönlich gegangen, sondern gegen ihre überwiegend weiblichen Fans. Frauen, die ihre Weiblichkeit feiern, Glitzer im Gesicht und am Körper tragen und ganz laut "Fuck the Patriarchy" beim Song "All Too Well" rausschreien.

Taylor Swift verkörpert einen Feminismus, der Frauen ermutigt, sich das zu nehmen, was ihnen zusteht. So zu leben, wie man möchte. Sie lebt nach dem Prinzip, dass man eben auch als Frau alles erreichen kann, wenn man nur will. Die Eras Tour steht seit ihrem Beginn im März 2023 für Freiheit, Liebe und Gemeinschaft. Keine andere Fan-Community ist so respektvoll und harmonisch wie die Swifties. Bei fast keinem anderen Konzert ist die Vorfreude so groß wie bei Taylor Swift. Diese Freude wurde knapp 200.000 von einer Sekunde zur anderen genommen.

Diese Botschaft ist für viele radikale Gruppen eine Bedrohung, die sie mit Gewalt zu unterdrücken versuchen. Die Absage der Konzerte zeigt, wie tief verwurzelt der Hass auf selbstbewusste Frauen in unserer Gesellschaft noch immer ist. Es wurde mit dieser Attacke ein klares Zeichen gesetzt, dass Frauen nicht sicher sind. Das Jahr ist voll mit großen Events mit ähnlichen Fanansammlungen: Fußball-EM, Coldplay, Adele, Rammstein, Nova Rock und Co. Diese Veranstaltungen haben teilweise sogar noch viel mehr Besucher:innen. Und doch wurden genau die Konzerte von Taylor Swift ausgesucht. Es steht also außer Frage, dass die Wahl zufällig gefallen ist. Solche Anschlagspläne sind ganz klar ein Akt der Misogynie.

Der Hass machte natürlich auch nicht vor den zahlreichen Sozialen Netzwerken halt, wo sich Fans anhören mussten: "Übertreibt nicht so. Ist doch nur ein Konzert" oder "Seid lieber froh, dass ihr am Leben seid." Ja, natürlich sind wir alle froh, dass nichts passiert ist, aber darum geht's nicht. Und sind wir mal ganz ehrlich, hätte es sich bei der Absage um das EM-Finale oder ähnliches gehandelt, dann wäre die Reaktion keine andere gewesen. Ich gehe auch einfach mal davon aus, dass die Reaktion nicht so friedlich ausgefallen wäre, wie die der Swifties, die einfach nur durch die Stadt tanzten und dabei Taylor-Swift-Lieder sangen.

Zudem verstehe ich persönlich nicht, warum man den anderen die Freude an etwas nicht lassen und mit etwas Empathie auf solch ein schreckliches Ereignis reagieren kann. Glücklicherweise waren diese aber nicht in der Mehrzahl.

Leider gab es auch ganz schlimme Textnachrichten, in denen vorwiegend Männer die Terroristen angefeuert hatten und es schade finden, dass nichts passiert sei.

Und am Ende wurde uns am 7. August 2024 einfach wieder einmal ein Safe Place genommen.

"Eras Tour - Vienna Version": Reaktionen der Fans in Wien

Trotz oder genau wegen der Absage haben sich viele Fans in Wien versammelt, um ihre Solidarität und ihren Zusammenhalt zu zeigen. Sie tauschten Freundschaftsarmbänder, sangen und tanzten gemeinsam auf den Straßen. Man lag sich weinend in den Armen. Schließlich ist geteiltes Leid nur halbes Leid. Was ich auf jeden Fall aus meiner Erfahrung sagen kann, ist, dass es enorm geholfen hat und irgendwie auch ein Heilungsprozess war, mit den anderen zu singen und zu tanzen.

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© Jennifer Hauska

Ganz laut wurde vor allem "The smallest man who ever lived" gesunden, denn der Text hat einige Passage, die doch ein wenig auf die Situation umgelegt werden konnten. Eine junge Frau auf TikTok schrieb sogar den Text komplett um ...

Diese Reaktion zeigt, dass die Freude und der Zusammenhalt der Fans nicht so leicht zu brechen sind. Es ist ein starkes Zeichen gegen den Terror und für die Freiheit, die Taylor Swift und ihre Musik verkörpern.

Es gab verschiedene Treffpunkte wie beispielsweise den Stephansplatz, aber ganz besonders berühmt wurde die Corneliusgasse. Dieser Ort wurde ausgewählt, weil Taylor Swift in ihrem Album "Lover" einen Song mit dem Titel "Cornelia Street" hat.

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Freundschaftsarmbänder-Baum in der Corneliusgasse in Wien

© Jennifer Hauska

Taylor Swift schweigt bisher zu den Geschehnissen

Taylor Swift und ihr Team (Taylor Nation) haben sich noch nicht zur Absage oder den feiernden Fans auf den Straßen Wiens geäußert. Nachdem sie und ihre gesamte Crew die Tage nach der Absage abgetaucht waren, trat sie am 15. August 2024 in London auf und schwieg weiter zu Wien.

Nach wie vor wird vermutet, dass sie wegen der anhaltenden Ermittlungen nichts sagen darf. Fans wollen jedoch Andeutungen erkannt haben: Das "Red"-Shirt mit "A lot going on at the moment" und sie bedankte sich mehrmals bei den Fans für ihre Treue und, dass diese all die Strapazen auf sich nehmen würden, um zu ihren Konzerten zu kommen.

Bekannt ist jedenfalls, dass ein Terroranschlag ihre größte Angst war. In einem Interview mit dem Elle-Magazin erklärte sie: "My biggest fear. After the Manchester Arena bombing and the Vegas concert shooting, I was completely terrified to go on tour this time because I didn't know how we were going to keep 3 million fans safe over seven months."

Nun wurde ihre größte Angst fast wahr.

Zudem wurden einige Wochen davor drei Mädchen bei einem Taylor-Swift-Tanzcamp in England getötet. Taylor Swift steht ihren Fans eigentlich immer sehr nah, deshalb ist dieses Schweigen sehr ungewöhnlich. Jedoch wissen wir nicht, was im Hintergrund passiert. Wir hoffen, dass sich sowohl Taylor als auch ihre Fans von diesem Schock erholen werden.

*Für die Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

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