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Haben Freundschaften eine Honeymoon-Phase?

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Frauen, die lächeln

©iStock/SanneBerg
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Unsere Redakteurinnen geben in jeder WOMAN-Ausgabe Antworten auf drei (un)wichtige Fragen, dieses Mal: Haben Freundschaften eine Honeymoon-Phase?

"Sie hat mir keine einzige Frage gestellt", sagt meine Freundin M. enttäuscht. "Wir sind uns eineinhalb Stunden lang gegenübergesessen, und sie hat mich nicht einmal gefragt, wie es mir geht." M. ist ziemlich aufgebracht, als wir telefonieren. Die Person, von der sie erzählt, ist eine gute Freundin von ihr. Zumindest war sie das bis dahin. Vor ungefähr zwei Jahren lernten sie und C. sich bei einer Party kennen und verstanden sich auf Anhieb. "Wir viben einfach, sind auf einer Wellenlänge", sagte sie damals. Sie mochten die gleiche Musik, waren beide gerne unterwegs, offen, energiegeladen. M. freute sich, endlich jemanden gefunden zu haben, der auch mit über 30 Lust hatte, tanzen zu gehen, und (noch) nicht ans Kinderkriegen dachte. Es schien nur logisch, dass sie gemeinsam einen Urlaub planen würden - sie fuhren auf ein Festival.

Von BFF zu BEEF

Dort bekam die Freundschaft den ersten Riss: "Es ging meistens nur darum, was C. wollte. Als sie nach einem durchtanzten Tag bei einem Essensstand ausnahmsweise mal auf mich warten sollte, sind wir aneinandergeraten." Seitdem scheint der Vibe abhandengekommen zu sein. BFF war einmal, jetzt gibt es Beef zwischen den beiden. Für M. ist klar: C. hat sich verändert. "Sie kommt mir so egoistisch vor." Ihr Groll ist verständlich, schließlich sollte sich keine Freundschaft einseitig anfühlen. Zumindest nicht über einen längeren Zeitraum.

Was ist zwischen den beiden passiert? Ist ihre Honeymoon-Phase vorbei? Beim Kennenlernen - egal ob romantisch, freundschaftlich oder beruflich - zeigt man sich schließlich immer von seiner besten Seite. Sucht man aktiv neue Bekanntschaften, kann es schon mal vorkommen, dass die eine oder andere Red Flag übersehen wird. Charakterzüge, die anders sind als die eigenen, wirken anfangs inspirierend. Bis man das sprunghafte Hin und Her nicht mehr als flexibel, sondern nervig wahrnimmt. Ein ständiges "Kann ich dir noch spontan Bescheid sagen?" als wiederkehrende Unzuverlässigkeit einordnet. Ja, es spricht einiges dafür, dass auch Freundschaften darunter leiden können, wenn der Anfangszauber erst einmal verflogen ist und man sich wirklich kennenlernt - einschließlich der Schattenseiten. Doch warum halten die einen über Jahrzehnte aus, woran die anderen schon zu Beginn zu zerbrechen drohen?

Eine Frage der Nähe

Wir sind mit Personen befreundet, weil wir uns von ihnen wertgeschätzt fühlen - das belegen Studien. Je mehr wir uns in der eigenen Identität anerkannt und bestätigt sehen, desto tiefer ist die Verbindung. "Entscheidender als die Ähnlichkeit ist die emotionale Nähe, so das Ergebnis einer Reihe von Experimenten an der "Harvard University", schreibt Sarah Zimmermann im Wissenschaftsmagazin Spektrum. Diese Nähe aufzubauen und zu pflegen, braucht Ressourcen - zeitliche und emotionale. Weil diese bei jedem von uns begrenzt sind, haben wir im Schnitt nur ein bis zwei beste Freund:innen sowie höchstens fünf wirklich enge Freundschaften. Ändern sich die Lebensumstände, kann sich das natürlich auch auf unsere Beziehungen auswirken.

Langjährige Freundschaften halten das meistens aus. Unter anderem, weil man genügend schöne Erinnerungen miteinander teilt. Gar nicht so einfach, denn unser Gehirn ist ziemlich nachtragend: Auf jede negative Erfahrung müssen fünf positive Interaktionen folgen, um sie auszugleichen. Damit die Balance stimmt, braucht es letztlich also vor allem Commitment. Den Willen, in die Beziehung zu investieren. Nachzufragen, wie es dem Gegenüber geht, und auch mal geduldig zu sein, ist dabei wirklich das Bare Minimum - egal in welcher Phase.

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