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Frauen zahlen im Alltag mehr für spezielle Produkte, Verhütung, Kosmetik oder Dienstleistungen. Doch die wahren Mehrkosten reichen weit darüber hinaus. Das hat die Aktivistin und Autorin Lea Joy Friedel eindrucksvoll aufgedeckt.
Die Pink Tax schlägt zu. Immer dann, wenn Produkte für Männer und Frauen unterschiedlich vermarktet werden. Wir müssen nur hinschauen: Der Schönheitsdruck auf Frauen in unserer Gesellschaft ist nach wie vor groß, also greifen wir für Make-up und Co., Kleidung oder Beauty-Treatments tief in die Tasche. Auch beim Friseur bezahlen wir ganz selbstverständlich viele Euros mehr als das männliche Geschlecht. Doch nicht nur monetär schlägt sich das "teure" Frauenleben nieder. In ihrem Buch "Too Much!" thematisiert Lea Joy Friedel, 31, viele weitere Bereiche, die uns neben Geld Selbstvertrauen und Freiheit kosten. So nehmen wir nachts natürlich ein Taxi, um sicher nach Hause zu kommen. Den Selbstverteidigungskurs haben wir auch gebucht. Man weiß ja nie …
Die Journalistin und Politik-Aktivistin kommt zu dem Fazit: "Wir sind mit der Aufgabe des Frauseins wie mit einem Fulltime-Job ausgefüllt." Friedels Analyse zeigt, wie hoch der Preis tatsächlich ist – eine Aufzählung …
Es kostet Selbstvertrauen
Empowerment dominiert als Trend seit einem guten Jahrzehnt die Social-Media-Kanäle und Werbeplakate. "Super für den Markt, der endlich begriffen hat, dass man mit dicken Frauen auch Kapital schlagen kann", sagt Friedel. Doch das Körpergewicht ziehe nicht mehr als alleiniger Verkaufsschlager. Vielmehr sind Selfcare, Achtsamkeit und Selbstliebe die neue Religion. Und dennoch, egal wie sehr wir unsere Selbstakzeptanz festigen, sei es schwer, uns zu überzeugen, einfach nur gut genug zu sein: "Schon ein falscher Satz, ein Plakat oder eine Person kann unsere Zufriedenheit wieder zerstören." Im Grunde decke die Bewegung, die empowern soll, nur auf, wie versessen wir einem tiefsitzenden Ideal folgen.
Machen wir uns nichts vor: Auf den Laufstegen und in den sozialen Medien dominiert nach wie vor Size Zero, mit ein paar wenigen diversen Ausnahmen zwischendurch. Man möchte ja Aufgeschlossenheit demonstrieren. "Erst wenn mehr Sichtbarkeit von wirklich unterschiedlichen Körpern, die nicht nach irgendwelchen Schönheitsidealen modelliert werden, besteht, kann sich eine wahre Vielfalt endlich in die Kategorie des Normalen eingliedern." Denn dieses ständige Mantra der Selbstoptimierung durch die Medien und den Markt sei so wahnsinnig ungesund für uns alle: "Wir müssen aus der Massenpsychose raus und zu einem gesunden Selbstbild finden. Das wird nicht funktionieren, solange wir unseren natürlichen Körper nicht gut genug finden und uns obendrauf ständig knechten, in allen Bereichen noch besser zu werden."
Es kostet Jobalternativen
Der Report zum Gender-Pay-Gap 2023 besagt, dass Männer immer noch durchschnittlich 18 Prozent mehr verdienen als Frauen. Diese Zahl hat jedoch einen Haken, so die Autorin: "Abgesehen von der viel zitierten Teilzeit-Falle, in der viele Frauen aufgrund ihrer Care-Arbeit feststecken, darf man nicht vergessen, dass weibliche Geschlechtsgenossinnen meist in schlechter bezahlten Berufen wie Sozialarbeit, Kindererziehung und Pflege arbeiten. Dadurch erhöht sich der Einkommensunterschied zu Männern noch weiter." Schlaue Köpfe sagen jetzt: Frauen sollten einfach besser honorierte Jobs wählen. Und das tun viele auch.
Das Ergebnis: Der Fachkräftemangel in sozialen Jobs ist dadurch besonders eklatant. Zum Beispiel konnten 2023 im Bereich Kinderbetreuung und Sozialarbeit 74 Prozent der Stellen nicht besetzt werden: "Je mehr Frauen sich von diesen Arbeitsfeldern abwenden und höher bezahlte Jobs anstreben, desto größer wird der Mangel in den klassisch weiblichen Berufen. Würden Löhne hingegen gerechter verteilt werden, könnten sich junge Leute ohne Angst vor einem schlechten Einkommen für Sozialberufe entscheiden."
Betrachte man Frauen weiterhin als das fürsorgliche und Männer als das rationale Geschlecht, werden sie ihr Potenzial außerdem nicht ausschöpfen: "Geschlechterstereotype führen dazu, dass sich Männer vielfach nicht für Berufe entscheiden, die traditionell als weiblich gelten, wie Krankenpfleger oder Kindergärtner. Wirklich schade."
Es kostet Geld
Geld sei einer der wenigen messbaren Faktoren, um die Mehrkosten eines Frauenlebens klar zu definieren: "Wir werden schon generell durch geschlechtsspezifische Produkte finanziell gefordert, wie für die Menstruation, Verhütung, Schwangerschaft und Stillzeit." Doch warum wird bei Friseurbesuchen nach Geschlecht und nicht nach Haarlänge unterschieden? Laut Antidiskriminierungsstelle verlangen 89 Prozent der Hairstylist:innen für einen Kurzhaarschnitt von Frauen durchschnittlich 12,50 Euro mehr als von Männern. Bei Textilreinigungen und Änderungsschneidereien setzt sich der Mehraufwand fort, hat Friedel recherchiert. Dabei zahlen Frauen durchschnittlich für eine Blusenreinigung 93 Prozent mehr als Männer für eine Hemdenreinigung.
Eine weitere Studie ergab, dass bei 381 gleichartigen Kosmetikprodukten 50 Prozent für Frauen teurer sind, Obwohl: gleiche Inhaltsstoffe – allerdings anderes Design. Selbst die Rasierklingenvermarktung wurde von Friedel entlarvt. Rasierer derselben Marke kosten für Frauen im pinken Design 4,49 Euro, die für Männer in Blau nur 3,89 Euro. Auch vor Kinderprodukten macht das Gender-Pricing nicht Halt: 2,95 Euro kostet das Schaumbad "Prinzessin Sternenzauber", den "Saubär" für Buben gibt’s hingegen für 1,75 Euro.
"Nur eine stärkere staatliche Regulierung und Kontrolle der Preisbildung würden verhindern, dass Frauen finanziell stärker belastet werden", ist Friedel überzeugt. Denn wir bleiben Konsumentinnen: "Ein Leben lang lässig über dem Druck des sozialen Umfelds und der milliardenschweren Beauty-Werbeindustrie zu stehen, sich nie mit anderen Frauen zu vergleichen, sich nie optisch verändern zu wollen, ist so gut wie unmöglich."
Es kostet Entscheidungsfreiheit
Kinder gehören in vielen Köpfen zum "normalen" Lebenslauf einer Frau dazu, so selbstverständlich wie die Schul- und Arbeitspflicht, ist die Aktivistin überzeugt: "Die Erwartungshaltung an uns spiegelt das konservative Weltbild wider, von dem sich bislang noch keine Generation befreit hat." Eine Frau ohne Kind oder ohne Mann ist für die Gesellschaft ein Mysterium, sie werde als unglücklich abgestempelt. Noch dazu werden uns Egoismus, Hedonismus und weitere Charakterfehler vorgeworfen, die Männer hingegen gänzlich verziehen werden. Was für demütigende Vorurteile.
"Ich gratuliere meinen Geschlechtsgenossinnen, die Quality Time mit sich selbst verbringen. Vielleicht erleben sie, dass sie keine Angst vor dem Alleinsein haben müssen. Und nicht alle von uns wollen Kinder, auch wenn uns das gerne als größter Lebenswunsch angedichtet wird", ärgert sich Friedel darüber. "Es ist verwerflich, wenn man aufgrund weniger Informationen Vermutungen über den Lebensstil eines anderen Menschen anstellt und sich ein Urteil bildet."
Es kostet Identität
Wir hören viele Meinungen darüber, wie sich Mädchen, Frauen, Menstruierende und Nicht-mehr-Menstruierende, Schwangere beziehungsweise Mütter zu verhalten haben. "Der Trend-Feminismus ist darauf fokussiert, dass wir mental bruchfest sein sollen, mühelos Hindernisse bewältigen und gleichzeitig alle Erwartungen der Gesellschaft erfüllen", meint Lea Joy Friedel. Aber wodurch wird definiert, wer als starke Frau gilt und wer nicht?
"Eigentlich weiß keiner so richtig, was mit diesem Schwachsinn gemeint ist", empört sich die 31-Jährige: "Verdeutlicht wird nur, dass eine schwache Frau schlecht ist. Dadurch wird man nur in die Ecke gedrängt, denn unser Ego bekommt noch mehr Angst davor, Schwäche zu zeigen. Wir dürfen uns von diesen Bullshit-Zuschreibungen nicht einschüchtern lassen, niemals versuchen, unser wahres Selbst zu verstecken, das mal stärker und mal schwächer ist, das aber immer ein Bedürfnis und Recht darauf hat, geliebt und verstanden zu werden."
Jetzt gilt es zu handeln, wir müssen uns vereint gegen die Gender-Misswirtschaft wehren. Friedels Plädoyer: "Lasst uns endlich alle zusammen mutig sein." Von der Politik bis zu uns selbst.
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