Ende gut, alles gut? Sie standen einmal vor dem Altar – überzeugt, dass sie ihr ganzes Leben mit diesem Menschen verbringen würden. Doch dann kam alles anders. Vier Frauen reflektieren ihre Scheidung. Sie erzählen, warum es – trotz vieler Schmerzen – die beste Entscheidung ihres Lebens war und was sie rückblickend aus dieser Zeit gelernt haben.
Eine Scheidung als ultimativer Akt der Selbstliebe? Loslassen, was nicht mehr zu einem passt? "Nicht jede Beziehung ist für die Ewigkeit gemacht", erzählt Yvonne, 43, im Interview über ihre Trennung vor zehn Jahren. "Ich denke gern an unsere gemeinsamen Erlebnisse zurück, und ich vermisse ihn als Vater meiner Kinder und als meinen Freund, aber nicht als meinen Partner." Die Wienerin unterstreicht, dass ein Liebes-Aus nicht automatisch im Familienkrieg enden muss. Manchmal lebt man sich einfach auseinander. Und geht nach einer gemeinsamen Zeit wieder getrennte Wege.
Es ist natürlich nicht immer so einfach, aber Scheidungen sind in den vergangenen Jahren zu einem regelrechten Geschäftszweig geworden. Der Hype kommt aus den USA, wo man nicht nur "Divorce Partys" schmeißt, es gibt dafür auch spezielle Spiele, Geschenke, Deko. Model Emily Ratajkowski hat in der Social-Media-Welt heuer für Aufsehen gesorgt, weil sie sich nach dem Liebes-Aus aus dem Verlobungsring einen Scheidungsring designen ließ. Und diesen selbstbewusst auf Instagram postete. Ganz nach dem Motto: Lasst uns Scheidungen bitte genauso feiern wie Hochzeiten!
Nach dem Happy End
Die Statistik unterstreicht diese Euphorie. Eine Scheidung ist heute längst kein Tabu oder trauriger Einzelfall mehr. Im Jahr 2023 wurden in Österreich 15.721 Ehen aufgelöst. Die Gesamtscheidungsrate lag im Vorjahr bei 36,1 Prozent. "Für immer und ewig" kann eben ganz schön lang werden. Und oft ist es der Alltag, der dazwischenpfuscht. "Laut Gesellschaft bin ich gescheitert", sagt Tanja, 30. "Ich habe mich mit nicht einmal 28 Jahren scheiden lassen. Mir wurde gesagt, ich sei egoistisch und wolle zu viel vom Leben. Aber dazu stehe ich. Ich möchte mich lebendig fühlen. Seit meiner Trennung tue ich das wieder."
Wir haben mit vier Frauen gesprochen, deren Scheidung unterschiedlich lang her ist und an ganz unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben kam. Was sie eint: Für alle war die Trennung rückblickend die richtige Entscheidung – auch wenn der Schritt anfangs Schmerz und Unsicherheiten mit sich brachte. Die Frauen möchten in ihren Geschichten anonym bleiben, denn eine Scheidung betrifft meist nicht nur das Paar selbst. Was wir von ihnen lernen können: auf die innere Stimme und die eigenen Bedürfnisse zu hören.
Streitpunkt: Care-Arbeit
Susanne, 47, seit 10 Jahren geschieden
Wir kamen mit Anfang 20 zusammen und waren in der Beziehung sehr unabhängig. Dann kamen die Kinder. Plötzlich waren es nicht mehr nur er und ich gegen die Welt, sondern ich und die Kinder. Er hat sein Leben weitergelebt, während sich meines von Grund auf veränderte. Die Kinder waren mein Projekt, obwohl wir im Vorfeld viel über Vereinbarkeit und Aufteilung gesprochen hatten. Als wir merkten, dass wir uns in unterschiedliche Richtungen bewegten, habe ich um die Beziehung gekämpft. Wir gingen in Paartherapie, die er furchtbar fand. Dann kam ein Schlüsselmoment für mich – ich fragte mich: Will ich das überhaupt noch? Oder mache ich es, weil es erwartet wird? Ich merkte, dass ich eigentlich nicht mehr kämpfen wollte. Das war mein größter Trauermoment. Damals dachte ich, er hätte mehr dafür tun müssen, dass wir nicht nur nebeneinanderher leben. Heute glaube ich, dass niemand Schuld hat. Als ich ausgezogen bin, war ich plötzlich alleinerziehend. Die ersten zwei Jahre waren richtig schlimm, besonders das Alleinsein, sich allein zu fühlen und dieser Stress. Aber ich habe gelernt: Man sollte nicht an Dingen festhalten, wenn sie einem wehtun. Und damit man gute Eltern sein kann, darf man sich als Paar niemals aus den Augen verlieren. Das lebe ich jetzt in meiner Patchwork-Familie genau so.
Großer Befreiungsschlag
Sabrina, 45, seit 21 Jahren geschieden
Mein Exmann war meine Jugendliebe. Wir waren bereits sechs Jahre zusammen, als wir mit 23 geheiratet und ein Haus gebaut haben. Nach der Hochzeit begann ich zu überlegen, wie mein Leben nun weitergehen sollte. Für mein Umfeld war der Weg klar: Alle erwarteten, dass ich zwei Kinder bekommen würde. Das machte mir Angst. Ich begann wieder auszugehen und lernte dabei einen anderen Mann kennen. Er war ganz anders als mein Ehemann. Er war ein Träumer, ein Schwärmer, mit dem nichts unmöglich schien. Es war ein einfaches Spiel für ihn, mich zu verzaubern. Anfangs redete ich mir ein, da sei nichts, aber irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich mit meinem Ehemann keine Zukunft mehr wollte. Das Trennungsgespräch war das Schlimmste, das ich in meinem Leben je machen musste. Ein Jahr nach unserer Hochzeit ließen wir uns scheiden. Wir hatten keine Kinder, der Scheidungsrichter war damals richtig erfreut, wie schnell und unkompliziert alles ging. Zack, bumm, Stempel drauf. Ich dachte damals, der Träumer sei die Liebe meines Lebens, doch natürlich brach er mir das Herz. Ich brauchte sehr lange, um zu verarbeiten, was ich meinem Ex angetan hatte. Ich hatte ihn verletzt, alle in unserem Dorf waren so schockiert, meine Familie unglaublich enttäuscht. Es wäre vielleicht einfacher gewesen, wenn ich geblieben wäre, aber ich musste den schwierigeren Weg wählen, es ging gar nicht anders. Inzwischen habe ich zwei Kinder mit einem Mann, den ich mit 32 Jahren kennengelernt habe, als ich reif genug dafür war. Der Grund für meine Scheidung war, dass ich nicht nur Hausfrau und Mutter sein wollte. Das konnte ich damals nicht so genau benennen, rückblickend sehe ich es klarer.
Entscheidung aus Selbstliebe
Yvonne, 43, seit 5 Jahren geschieden
2019 waren wir mit Freunden übers Wochenende weg, und jedes Mal, wenn er etwas sagte, wollte ich mit den Augen rollen. Es war, als würden wir unterschiedliche Sprachen sprechen. Wir hatten lange Zeit hingenommen, dass unsere Beziehungsbasis immer schlechter wurde. An diesem Wochenende konnten wir nicht länger wegschauen. Am Heimweg fragte ich ihn, ob wir uns trennen sollten. Er stimmte mir sofort zu. Bereits 2016 waren wir in Paartherapie. Damals fragte uns die Therapeutin in der ersten Sitzung, ob wir die Beziehung retten oder gemeinsam abschließen wollten. Mein Herz sagte ganz klar, dass ich nicht weitermachen wollte, doch ich hatte Angst und hörte auf meinen Kopf. Deshalb waren wir noch drei Jahre zusammen. Unseren Kindern von unserer Scheidung zu erzählen, war der schwerste Moment meines Lebens. Für mich ist durch die Trennung viel zusammengebrochen. Mit meiner Familie gab es Streit, ich verlor meine Schwiegerfamilie, die 20 Jahre lang ein Teil meines Lebens gewesen war. Dieser Verlust tut mir bis heute weh. Ich war wirklich in einem Trauerjahr. Aber ich hätte schon früher den Schlussstrich ziehen sollen. Man sollte Entscheidungen am besten aus der Perspektive der besten Freundin treffen. Niemals würde sie einem empfehlen, in einer unglücklichen Situation zu bleiben.
Zurück zur Lebensfreude
Tanja, 30, seit 2 Jahren geschieden
Ich habe mit 25 geheiratet. Wir waren drei Jahre verheiratet und insgesamt sechs Jahre zusammen. Nach der Hochzeit bekam mein Exmann Panikattacken, war im Burnout und verließ seinen Job. Die gesamte finanzielle Last lag auf mir. Ich hatte ihm Liebe geschworen – in guten wie in schlechten Zeiten. Doch er tat nichts dafür, dass bessere Zeiten kamen. Ich war schließlich selbst in Therapie, fühlte mich, als würden Fesseln mit einem Gewicht an mir hängen. Ich fragte mich dauernd: Ist das meine Zukunft? Was, wenn wir Kinder haben? Ich dachte, ihm sei egal, wie es mir geht. Also begann ich, mich selbst zu priorisieren, ging auf Veranstaltungen, flog allein in den Urlaub. Ich war davor eine Abenteurerin, lebenslustig, ich liebte Herausforderungen. Diese Seite hatte ich während der Ehe komplett verloren. Als ich den Wunsch nach einer Scheidung aussprach, waren wir uns recht schnell einig. Meine Familie akzeptierte meine Entscheidung anfangs gar nicht. Schließlich hatte ich einen Mann, der mich nicht betrog, der lieb zu mir war, der mich immer lieben würde. Aber zu welchem Preis? Nachdem wir die Scheidungspapiere unterzeichnet hatten, waren wir auf einen Kaffee. Wir haben ein Glas Sekt bestellt und darauf angestoßen. Auch für ihn war das der Knackpunkt, den er gebraucht hatte. Er hat gemerkt, dass er gar nicht wusste, wer er ist, weil er sich immer auf andere verlassen hatte. Wir sind heute in sporadischem, aber sehr freundlichem Kontakt. Ich glaube, zu dem Zeitpunkt, als wir zusammengekommen sind, haben wir uns gegenseitig gebraucht. Aber es hätte keine Variante gegeben, in der es langfristig funktioniert hätte. Ich möchte mich lebendig fühlen, das hat mir die Scheidung geschenkt.