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Was ist eigentlich ein Taxitänzer?

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Taxi Taenzer

Taxitänzer

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Die Wiener Ballkultur ist eine Welt mit eigenen Traditionen. Taxitänzer gehören zu letzterem. Taxitänzer Jürgen erklärt, was das eigentlich bedeutet.

Wien ist anders, sagt Rest-Österreich über seine Hauptstadt. Und irgendwie haben sie damit sogar recht. In Wien existiert eine eigene Kultur, eine eigene Mentalität und es gibt ganz individuelle Traditionen. Die Wiener Ballkultur etwa, übt jedes Jahr eine enorme Anziehungskraft auf tausende BesucherInnen aus.

Und wenn du glaubst, du weißt eh schon Bescheid, dann überrascht dich Wien noch einmal. Denn mitten auf den Wiener Bällen tanzen junge Männer und Frauen übers Parkett, die dafür gebucht wurden, mit Gästen zu tanzen. Sie sind Taxitänzer.

Wir haben uns mit dem Taxitänzer Jürgen unterhalten, der tagsüber Medizinstudent und abends leidenschaftlicher Tänzer ist. Er arbeitet bei der Agentur Die Wiener Taxitänzer, die viele junge und ein paar ältere Tänzerinnen und Tänzer beschäftigt. Man kann die TänzerInnen aber nicht nur während der Ballsaison buchen, sondern auch zu anderen Events wie Hochzeiten oder Feiern.

Jürgen hat uns von der Arbeit mit seiner Agentur berichtet und von seinen Erfahrungen als Taxitänzer erzählt.

Interview mit Wiener Taxitänzer

WOMAN: Was ist ein Taxitänzer genau?

Jürgen: Ein Taxitänzer ist entweder ein junger Herr, eine junge Dame, oder muss gar nicht so jung sein, der oder die sich fürs Tanzen begeistern kann. Bälle zu mögen, gehört auch dazu! Unsere Kunden sind Menschen - vor allem Frauen, die gerne auf Bälle gehen und gerne jemanden zum Tanzen hätten.

WOMAN: Was macht einen guten Taxitänzer aus?

Jürgen: Vor allem gute Tanzkenntnisse, da unser Job ja das Tanzen ist. Dann ist es noch wichtig den Abend für die Person, die uns bucht, so angenehm wie möglich zu gestalten. Da sind Fremdsprachenkenntnisse gefragt. Man sollte eine Konversation führen können und vielleicht ein bisserl Wiener Schmäh haben.

WOMAN: Ist das Taxitanzen ein saisonales Geschäft?

Jürgen: Aufträge häufen sich auf jeden Fall in der Ballsaison, vor allem in der Faschingszeit. Auch danach und davor finden Bälle statt. Das ist unser Hauptgeschäft. Aber es gibt das ganze Jahr über Events, wo junge Menschen gebucht werden, die tanzen können. Es ist nie so, dass wir gar nichts zu tun hätten.

Größe spielt natürlich eine Rolle.

WOMAN: Wie viel Aufträge nimmst du normalerweise an?

Jürgen: Das kommt ganz auf das eigene Leben an, das ist ziemlich variabel und flexibel. Wir werden von unserer Vermittlung gefragt, ob wir Zeit und Lust haben. Das kann von dreimal im Monat bis einmal in zwei Monaten sein.

WOMAN: Suchen sich die Kunden jemand Bestimmtes aus? Welche Kriterien spielen eine Rolle?

Jürgen: Größe spielt natürlich eine Rolle, denn wer schon mal mit einem viel größeren oder viel kleineren Partner getanzt hat weiß, wie sich das anfühlt. Im Endeffekt wird ihnen eine Auswahl gezeigt oder gleich ein Tanzpartner zugeteilt. Es ist ja auch nicht so, dass wir nur von einer einzelnen Person gebucht werden. Bei größeren Events bucht man drei bis zwanzig Leute von uns. Wir bevölkern einen “Taxistand”. Das bedeutet, dass wir meistens in unserer Abendgarderobe in der Nähe der Bühne herumstehen und warten, dass uns jemand anspricht. Aber wir fordern auch Menschen auf, die gerne tanzen wollen, sich aber vielleicht nicht trauen uns anzusprechen.

WOMAN: Halten sich weibliche und männliche Taxitänzer die Waage?

Jürgen: Es gibt bei uns auch Mädels, aber die meisten Taxitänzer sind schon Herren. So hat sich die Tradition auch entwickelt auf den Wiener Bällen. Frauen tanzen gerne und gut und die Männer sind eher die Tanzmuffel.

Für mich sind Bälle das coole, lässigere Fortgehen.

WOMAN: Wie bist du zum Taxitanzen gekommen?

Jürgen: Ich bin da relativ jung reingerutscht, weil mein Vater selber Ball-Organisator ist, er organisiert den BonbonBall. Als ich 15 war hat er dann gemeint, dass es gut wäre, wenn ich auch mal einen Ball eröffnen würde. Mir hat die Idee sehr gut gefallen und ich bin daraufhin ein Jahr in die Tanzschule gegangen. Nach einem Jahr habe ich dann den BonbonBall eröffnet und das hat mich so sehr begeistert, dass ich nicht mehr damit aufgehört habe.

Und in meinem ersten Studienjahr habe ich sehr viele andere Bälle eröffnet. Für mich sind Bälle das coole, lässigere Fortgehen. Ich bin kein Freund von Clubs, wo die Musik zu laut ist und die Leute sich schlecht benehmen. Deshalb taugts mir so auf Bällen, speziell wenn man eröffnet. Man zahlt dann auch weniger für die Karte, wenn überhaupt. Die Menschen haben sich rausgeputzt und haben gute Manieren. Man kann auf einem Ball viel mehr Spaß haben, als in der Disko.

WOMAN: Wie läuft ein Abend mit einem Taxitänzer typischerweise ab?

Jürgen: Man trifft sich am Ball, lernt sich mal kennen und dann geht eh schon meistens direkt auf die Tanzfläche. Man tauscht sich aus, vielleicht findet man Gemeinsamkeiten. So verbringt man einen netten Abend mit vielen Schritten auf dem Parkett. Meistens wird ab der Eröffnung bis ungefähr 1 Uhr nachts gebucht.

Männer sind eher die Tanzmuffel.

WOMAN: Fällt dir ein schlechtes Erlebnis ein?

Jürgen: Nicht wirklich, aber es kann ein bissche mühsam werden, wenn der Kunde oder die Kundin überhaupt nicht tanzen kann. Dann muss man als Taxitänzer die ganze Arbeit, beziehungsweise die Arbeit des Lehrers übernehmen. Oder wenn man sich bemüht, eine gute Konversation zu machen, aber das so gar nicht klappen will.

WOMAN: Werden am Akademikerball auch Taxitänzer gebucht?

Jürgen: Ich denke, dass das eher ein Event ist, für das man als Taxitänzer nicht gebucht werden möchte, weil der Ball mit Rechtsradikalismus assoziiert ist und man nicht damit in Verbindung gebracht werden will. Ich persönlich würde mich nicht als Taxitänzer am Akademikerball buchen lassen.

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