
Susanne Jelinek, Chefredakteurin des Food-Magazins GUSTO, trifft Kulinarik-affine Persönlichkeiten zum Genuss-Talk. Dieses Mal: Hotelière Rosa da Silva über Essen mit geschlossenen Augen und das Beste aus Portugals Küche.
Der Chef ’s Table im „Salt&honey“ biegt sich. Und das, obwohl nur zwei Personen essen wollen. Rosa da Silva konnte nicht widerstehen – die portugiesische Gastfreundschaft ist schuld. Lieber ein bisschen mehr, lieber ein Stück herzlicher. Und wenn man mit der Gastgeberin und Geschäftsführerin schon am Ort ihres Herzensprojekts, dem Restaurant ihres neuen Boutiquehotels House of Ble, isst und plaudert, dann gibt es eben vieles, was sie mit Stolz teilen möchte – das reicht von Cristiano Ronaldos Lieblingsgericht Bacalhau à Brás bis zum Grund, warum sie sich in Österreich so angekommen fühlt.
Wir essen heute im „Salt&honey“ jene Gerichte, die Ihnen besonders am Herzen liegen. Ist all das typisch portugiesisch?
Das meiste ist typisch für meine Heimat, vieles modern interpretiert. Portugals echte Küche ist in Österreich wenig bekannt, deshalb fand ich ein Restaurant mit portugiesischem Schwerpunkt spannend. Viele denken ja, Portugies:innen würden mediterran essen. Wir gehören aber gar nicht zur mediterranen Welt. Das Klima und viele Zutaten – etwa Kräuter, Gemüse und Olivenöl – sind ähnlich, deshalb ist dieser Irrglaube verständlich. Ich beschreibe unsere Küche aber lieber als atlantisch-mediterran. Besonders ist, dass sich darin markante Einflüsse aus Portugals Kolonialzeit finden, etwa indische Gewürze oder brasilianische Elemente. Wir haben uns revanchiert, indem wir vieles aus unserem Land in die Welt gebracht haben, zum Beispiel Kartoffeln nach Indien oder Tempura nach Japan. Ich bin stolz auf Portugals Küche, auf unsere Kultur. Es ist ein kleines Land, aber es hat für mich alles.
Trotz dieser Verbundenheit haben Sie schon früh den Drang verspürt auszuwandern. Wie ist es dazu gekommen?
Ich bin in Barracao, einem kleinen Dorf zwischen Porto und Lissabon, aufgewachsen und war sehr wild und freiheitsliebend, wollte die Welt kennenlernen. Meine Cousine betreibt mit ihrem neapolitanischen Ehemann ein Restaurant in Stuttgart, und anstatt am Strand zu liegen, habe ich meine Sommer lieber bei ihr verbracht. Dieses Geregelte und Ordentliche hat mich total fasziniert und etwas in mir angesprochen. Mit 17 Jahren bin ich dann geblieben und habe bei ihr alles über Kochen und Gastronomie gelernt: der Beginn meiner Leidenschaft fürs Essen! Davor war ich eigentlich keine große Genießerin.


Im Oktopussalat, einem der Signature Dishes des „Salt&honey“, dürfen ja nicht die Kartoffeln fehlen.
© Christoph LiebentrittPortugiesischer Spirit und deutsche Zielstrebigkeit – das wirkt gegensätzlich, scheint sich in Ihrem Wesen aber harmonisch zu vereinen.
Ich bin im Sternzeichen Löwe. Das straighte Fokussierte der Löwen hat mir in Deutschland sehr geholfen. Ich liebe und lebe aber auch meine portugiesische Seite. Die Kombination dieser Welten ist wohl der Grund, warum ich mich in Wien so angekommen fühle. Als mich 2015 mein damaliger Chef für die Umsetzung eines Hotelprojekts hierher schickte, hat sich mein Herz sofort zu Hause gefühlt. Mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass ich hierbleiben möchte. Es war eine Emotion, die ich schon lange nicht mehr gehabt hatte. Österreich vereint beides: das Organisierte, aber auch das Lockere.
Wie in der Gastro haben Sie sich auch in der Hotellerie von unten nach oben gearbeitet. Was schätzen Sie am Learning-by-doing-Prinzip?
Mit 22 Jahren habe ich überlegt, wo ich beruflich hinmöchte. Es sollte um die Dinge gehen, die ich liebe: Menschen, Sprachen, Reisen, Kulinarik. Also Hotellerie! Ich wollte eine fundierte Ausbildung machen, weil ich – wohl typisch deutsch – dachte, niemand würde mich sonst ernst nehmen. Der Direktor des Hotels, in dem ich mich vorstellte, fand aber, dass ich mit meiner Erfahrung nicht zu den 15-jährigen Azubis passte. Stattdessen habe ich mir einen Bereich nach dem anderen erarbeitet, vom Frühstück bis zum F&B-Management. Kaum zu glauben, aber wahr: Ich habe mir ganz viel über YouTube-Tutorials angeeignet. Wie man einen Tisch deckt, ein Bett macht. Und ich habe zehn Jahre lang unendlich viel von meinem Mentor gelernt. Er hat gesehen, was in mir steckt, mich mit seiner Leidenschaft angesteckt und an mich geglaubt. Mittlerweile habe ich zahlreiche Hotelprojekte umgesetzt, allein neun in den ersten drei Jahren in Wien. Ich habe mich auf all das eingelassen, verlange viel von mir, gebe allem von Kulinarik bis Interieur meine Energie. Wenn man will, dass etwas besonders wird, muss man ihm Charakter verleihen, das Herz hineinlegen. Ich sage: Wenn du eine Pflanze ohne Liebe einsetzt, ist sie in zwei Monaten tot.


Eines der beliebtesten portugiesischen Gerichte: Bacalhauà Brás. Um die Geschmackswelt Portugals kennenzulernen, reiste dasKüchenteam mit Rosa daSilva in ihre Heimat. Seither wird montagnachmittags, wenn das Restaurantgeschlossen ist, experimentiert, verkostet und die Karte weiterentwickelt.
© Christoph LiebentrittWie wichtig ist für jemanden aus der Hotelbranche privates Reisen?
Es ist eine meiner größten Inspirationsquellen. Ich habe nichts gegen Airbnbs, aber ich steige bewusst in Boutiquehotels ab und lasse sie auf mich wirken. Dabei habe ich gelernt, dass das Wichtigste sowohl bei Hotels als auch Restaurants die Seele ist. Ohne sie funktioniert nichts. Denken Sie nur an Griechenland: Dort spürt man, dass man basic und schlicht sein kann, aber durch die Seele seine Gäste so berührt, dass sie immer wieder kommen.
Das sagen viele auch über Portugal. Sie sind zwischen Porto und Lissabon aufgewachsen. Für welche Stadt schlägt Ihr Herz mehr?
Ich kann wirklich nur jedem raten, die Landschaft und vor allem die Kulinarik dazwischen zu entdecken, aber prinzipiell: Porto. Lissabon hat leider durch den Tourismus etwas verloren, aber Porto ist authentisch, roh, charakterstark. Es ist nicht so picobello, und das Essen ist wunderbar echt.


Rosa da Silva tischte im Gespräch mit Susanne Jelinek, Chefredakteurin von GUSTO, dem kulinarischen Schwestermagazin von WOMAN, ihre Lieblingsgerichte auf.
© Christoph LiebentrittAls jemand, der Genuss gelernt hat: Wie genießen Sie heute?
Ich schließe beim Essen oft die Augen. Ich finde übrigens, das sollten wir nicht nur beim Essen machen. Damit das Visuelle nicht ablenkt, aber auch um Gefühle besser wahrzunehmen. Ich habe das vor Jahren bei einer Silence Week in Frankreich gelernt. Durch das Schweigen ordnen sich die Gedanken, Stoffe fühlen sich anders an, Gerichte schmecken intensiver. Ähnlich ist es, wenn man sich aus der Situation herausnimmt und die Augen schließt. Die Optik spielt beim Genießen aber natürlich auch eine Rolle. Deshalb ist mir auch das Plating, also die Kunst des Anrichtens, so wichtig. Am Teller muss Farbe sein, du sollst beim Anschauen Lust bekommen zu probieren, der Anblick muss positive Emotionen auslösen. Das wichtigste Gefühl dabei: dass alles in Ordnung ist. Das sollen deshalb auch unsere Gäste im „Salt&honey“ empfinden. Einfach hier auf bequemen Stühlen sitzen, der Moment ist leicht, das Essen schmeckt, und es ist egal, was draußen vor sich geht.
Welche Gerichte sollten Gäste im „Salt&honey“ unbedingt bestellen?
Unsere Feta Brûlée, die für das Aromenspiel steht, dem wir auch den Namen verdanken. Das Salzige des Fetas mit der Süße von Honig – unvergesslich! Und freitags und samstags servieren wir Bacalhau à Brás, also Fisch vermischt mit Kartoffeln, Zwiebeln, Ei und Oliventapenade. Nicht nur das Lieblingsgericht von Cristiano Ronaldo, sondern auch von mindestens jedem zweiten Portugiesen. Echtes, authentisches Wohlfühlessen!


Das Restaurant im Innenstadthotel House of Ble (kurz für „Beautiful Life Experiences“) fokussiert sich auf modern interpretierte, portugiesisch inspirierte Küche. saltandhoney.at
© Christoph Liebentritt