Es ist nie zu spät, sich im Beruf weiterzubilden - oder sogar vollständig umzuorientieren! In Österreich ist dies mithilfe einer Bildungsteilzeit möglich. Wir klären über Antragstellung, Voraussetzungen und Zeitrahmen auf.
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- Was versteht sich unter einer Bildungsteilzeit?
- Wann sollte Bildungsteilzeit beantragt werden?
- So funktioniert die Beantragung
- Wie lange hat man Zeit, um sich weiterzubilden?
- Auf was beläuft sich die finanzielle Unterstützung?
- Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden?
- Gibt es spezielle Angebote für Frauen?
- Was passiert, wenn eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt?
- Hilfe, wie spreche ich es bei meinen Arbeitgeber:innen an?
"Ach, dafür bin ich schon viel zu alt!" - ein Satz, der überwiegend im Kontext von Berufsumstellungen und Karriereplanung fällt. Der aktuelle Arbeitsklima-Index hingegen zeigt, dass eigentlich jede:r vierte Beschäftigte über eine Veränderung im Beruf nachdenkt.
Wir finden, dass das Leben viel zu kurz ist, um die eigenen Wünsche und Träume zu vernachlässigen! Wen - aus gutem Grund - die Angst um aktuelle Arbeitsverträge und Finanzen zurückhält, kann aufatmen: Bildungsteilzeit ist die Lösung- egal, welchen Beruf es betrifft. Worum es sich dabei handelt, erfährst du bei uns.
Was versteht sich unter einer Bildungsteilzeit?
Wie heißt es so schön? Der Mensch lernt nie aus! Das betrifft auch das Handwerk, in dem er sich ausübt. Bei einem Arbeitsleben von ungefähr 40 Jahren ist es also völlig legitim, auch mal in andere Bereiche reinschnuppern oder wechseln zu wollen.
Mit der in Österreich geltenden Bildungsteilzeit kann Sehnsucht zur Realität gemacht werden: Hierbei wird die wöchentliche Normalarbeitszeit um 25-50% gekürzt, sodass die Möglichkeit einer Aus- oder Weiterbildung besteht. Das momentane Arbeitsverhältnis wird somit weiterhin aufrecht gehalten, allerdings müssen noch immer mindestens 10 Wochenstunden in den Betrieb investiert werden.
Aber Vorsicht: Bei der Bildungsteilzeit werden ausschließlich Aus- und Weiterbildungen mit beruflichem Bezug unterstützt - Hobby- oder Freizeitkurse sind von diesem Angebot ausgeschlossen. Sollte aber das Bedürfnis nach einem Studium, Sprachkurs oder dem Nachholen der Matura bestehen, eignet sich die Bildungsteilzeit perfekt.
Wo liegt der Unterschied zur Bildungskarenz?
Kurz gesagt handelt es sich bei einer Bildungskarenz um eine komplette Freistellung und berufliche Auszeit - im Gegensatz zur Bildungsteilzeit, bei der nach wie vor im aktuellen Unternehmen weitergearbeitet wird.
Ein einmaliger Wechsel von Bildungsteilzeit zu Bildungskarenz oder umgekehrt ist jedoch zulässig! Auch können beide Möglichkeiten - unter bestimmten Voraussetzungen - in einem Zeitraum von vier Jahren miteinander kombiniert werden. Dabei zählt der Tag als Beginn, an dem erstmals eine der beiden Leistungen bezogen wurde.
Wann sollte Bildungsteilzeit beantragt werden?
Die "perfekten" Umstände im Leben, um es "endlich" durchzuziehen, gibt es wahrscheinlich nicht. "Ein guter Zeitpunkt ist für mich immer einer, wo man durch eine andere Veränderung bereits in eine neue Richtung gedrängt wird", sagt Gabriela Vonwald, Leiterin des Bildungsinstituts Vonwald. "Dazu gehört die Geburt eines Kindes, ein Jobverlust, aber auch Umstrukturierungen am Arbeitsplatz, die man so nicht mittragen will. Eine Weiterbildung kann ein guter Anfang sein."
Grundsätzlich gilt: Man ist nie zu alt dafür, eine Bildungsteilzeit anzufragen und durchzuführen. Hier kommt es einzig allein auf die persönlichen Präferenzen an. Eine Rückmeldung vom Arbeitsmarktservice (AMS) - bei dem der Antrag eingeht - kommt in der Regel bereits nach nur einer Woche.
So funktioniert die Beantragung
Auf FinanzOnline ein eAms-Konto erstellen oder offline eine AMS-Geschäftsstelle aufsuchen.
Unter "Aus- und Weiterbildungsangebot" kann bei "Weiterbildungs- und Bildungsteilzeitgeld" auf "Geldleistungen beantragen" geklickt werden.
Man wählt "neues Formular" aus, gibt seine Daten in die Liste ein und lädt die erforderlichen Dokumente hoch. Dazu gehören: Bildungsteilzeit-Vereinbarung, Staatsbürgerschaftsnachweis (Reisepass), Gehaltszettel und Bestätigung der Weiterbildung.
Wie lange hat man Zeit, um sich weiterzubilden?
Insgesamt darf sich die Bildungsteilzeit auf mindestens 4 und maximal 24 Monate belaufen, wobei auch eine Aufteilung zulässig ist - diese muss innerhalb von vier Jahren erfolgen. Konsumiert werden kann die Bildungsteilzeit dabei auf drei verschiedene Weisen: in durchgehend zwei Jahren, in (immer Minimum vier Monate andauernden) Teilen und in Kombination mit einer Bildungskarenz - ob dies im In- oder Ausland erfolgt, ist erst einmal egal.
Auf was beläuft sich die finanzielle Unterstützung?
Obwohl es sich bei der Bildungsteilzeit um eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in handelt, ist der Arbeitsmarktservice für die Zahlung des Weiterbildungsgeldes zuständig - und damit im Umkehrschluss auch der Staat. Denn wer profitiert mehr von hochqualifizierten Arbeiter:innen, wenn nicht dieser?
Die finanzielle Unterstützung liegt täglich bei 0,86€ für jede volle Arbeitsstunde, um die man seine wöchentliche Normalarbeitszeit reduziert. Wichtig: Bruchteile von Arbeitsstunden werden nicht bezahlt! Wer auf der sicheren Seite sein möchte, kann sich durch den Ratgeber vom AMS klicken.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden?
Ebenso wie Arbeitgeber:innen müssen sich auch Arbeitnehmer:innen an bestimmte Bedingungen halten, damit eine Bildungsteilzeit genehmigt und ausgeführt werden kann. Eine Zusammenfassung gibt es hier:
Um Bildungsteilzeit zu beantragen, muss zuallererst eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in angefertigt werden.
Es liegt ein Beschäftigungsverhältnis von mindestens sechs Monaten vor, immer mit derselben Arbeitszeit und über der Geringfügigkeitsgrenze.
Die normale Arbeitszeit wird um 25-50% gekürzt, wobei wöchentlich 10 Stunden sowohl in den Betrieb als auch in die Weiterbildung investiert werden müssen. Auch hier muss das Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Es herrschen Sonderregelungen für Saisonarbeiter:innen.
Bei einem Unternehmen mit bis zu 50 Arbeitskräften dürfen maximal 4 Personen in Bildungsteilzeit gehen, bei mehr als 50 Personen ist eine Grenze von 8% der gesamten Belegschaft vorgesehen.
Wie kann die (Weiter-)Bildung nachgewiesen werden?
Wer Bildungsteilzeitgeld bezieht, muss schriftlich nachweisen, dass er sich auch wirklich weiter- oder ausbildet. Bei einem Studium entspricht dies beispielhaft einer regelmäßigen Bestätigung über den erbrachten Fortschritt. Pro Semester wird daher ein Nachweis über 4 ECTS, 2 Semesterwochenstunden oder erfolgreich abgeschlossene Prüfungen erwartet.
Gibt es spezielle Angebote für Frauen?
Vor allem das weibliche Geschlecht verdient noch immer fast ein Fünftel weniger als Männer. Mag.a Jovana Djokic vom AMS Wien geht in unserem gemeinsamen Gespräch näher darauf ein: "Das Bildungsteilzeitgeld, für das wir zuständig sind, ist für alle gleich. Ganz grundsätzlich empfehlen wir Frauen immer, sich auch für nicht-traditionelle Ausbildungen zu interessieren, etwa in handwerkliche oder technische Berufsfelder zu schauen, wo die Karriere- und Verdienstmöglichkeiten einfach besser sind."
Allgemein erweist sich die Bildungsteilzeit gerade für Mütter als eine große Chance, sich in Bezug auf die Karriere weiterzubilden. Aufgrund verschiedener Aspekte wie Mutterschutz, Elternzeit & Co wird diese oftmals hinten angestellt.
Was passiert, wenn eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt?
Prinzipiell ist man als Dienstnehmer:in während der Bildungsteilzeit nicht kündigungsgeschützt. Es ist jedoch unzulässig, wegen eben dieser entlassen zu werden. Sollte eine Kündigung anderweitig erfolgen, so zahlt der Arbeitsmarktservice weiterhin das Bildungsteilzeitgeld. Dafür gibt es eine einzige Bedingung: Die Weiterbildungsmaßnahme geht über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus.
Wer sich freiwillig dazu entscheidet, das Unternehmen zu verlassen und eine Kündigung einzureichen, muss mit einer sofortigen Einstellung des Weiterbildungsgeldes rechnen.
Hilfe, wie spreche ich es bei meinen Arbeitgeber:innen an?
Kommunikation, Selbstbewusstsein und Vertrauen sind der Schlüssel! "Man sollte eine Win-Win-Situation schaffen und nicht nur an die eigenen Vorteile denken", so Vonwald. "Was könnte mein:e Arbeitgeber:in davon haben, dass ich mich weiterbilde, oder auch, dass ich eine Auszeit nehme, um dann dem Unternehmen wieder mit all meiner Energie zur Verfügung zu stehen? Je sinnvoller die Inhalte der Ausbildung zu meiner bisherigen Tätigkeit passen und diese aufwerten, umso eher wird mein:e Arbeitgeber:in zustimmen. Beispielsweise beinhaltet unser Mentaltrainer-Kurs auch den Umgang mit Stress und Burnoutprophylaxe, ein Thema, das in jeder Firma akut ist."
Eins ist sicher: Von einer Bildungsteilzeit profitieren beide Parteien - sei es ein gesichertes Einkommen, eine höhere Qualifikation oder der anhaltende Kontakt zu Kolleg:innen. Ungeachtet dessen sollte man sich aber auch über die Doppelbelastung und den geringeren Verdienst bewusst sein. Hier ist es wichtig, die richtige Work-Life-Balance zu finden, Prioritäten zu setzen und sein Limit zu kennen.