Chefredakteurin Kristin Pelzl-Scheruga fordert Mut zur Melancholie.
„...it’s not always gonna be this grey“: zaghaft-zuversichtliche Worte aus dem Kopfhörer. Ich höre „All Things Must Pass“, eines der traurig-schönsten Lieder, die Ex-Beatle George Harrison, der wie kein anderer Gitarren weinen lassen konnte, geschrieben hat.
Alles muss einmal sterben, alles geht vorbei: Harrisons Hymne über die Vergänglichkeit ist die ideale Sound-Decke, um sich tief in November-Melancholie zu kuscheln. Ob ich Masochistin bin? Keineswegs. Ich empfinde traurige Musik als ungeheuer tröstend. Sie berührt mich. Sie macht mich glücklich.
Ein Widerspruch? Nein, wie auch eine 2014 veröffentlichte Studie bestätigt: Kummer-Musik kann tatsächlich dazu beitragen, unsere Stimmung zu heben (mehr darüber im faszinierenden Bericht „Heilen mit Musik“ meines Kollegen Andreas Aichinger im aktuellen „Lust aufs LEBEN“-Magazin. Mit Playlist!). Vielleicht, weil traurige Lieder unser Innerstes berühren? „Just feel their gentle touch“, singt Elton John in „Sad Songs“.
Überhaupt bin ich der Meinung: Schwermut ist ein schwer unterschätztes Gefühl. Und nie lässt es sich besser zelebrieren als an Tagen, die sich früh verdunkeln. In einem Monat, der uns das baldige Ende des Jahres und unsere eigene Endlichkeit vor Augen führt. Viele Menschen finden das wenig behaglich. Ich finde es wunderbar, weil wir erst dadurch spüren, wie wertvoll jede Sekunde unserer Lebenszeit ist. Ich fordere daher: Mehr Mut zur Melancholie!
Und selbst nach langen, dunklen Nächten wird es wieder hell: „... darkness only stays the night-time; in the morning it will fade away.“ Alles vergeht. Auch November Blues. Thank you for the music.