Kolumne: Chefredakteurin Kristin Pelzl-Scheruga war auf Sommerurlaub
Milde streift das Morgenlicht die Spuren der letzten Nacht: Reste von Chianti in den Weingläsern, Chips-Brösel, ein zerknitterter Reiseführer, Zigaretten-Stummel. Die Freunde schlafen noch.
Ich gehe die knapp hundert Meter von der Veranda runter zum Pool, auf einem Steinweg im feuchten Gras. Auf meiner Yogamatte im Halbschatten eines Olivenbaums versuche ich, an nichts zu denken, nur zu atmen. Ich spüre, wie die klare Luft von Minute zu Minute wärmer wird. Und freue mich auf den Tag, weil ich schon jetzt weiß: er wird gut.
Nach einem Sprung ins Pool gehe ich nass zurück zur Steinvilla, die wir für zwei Wochen gemietet haben. Jemand hat schon Kaffee gemacht.
Wir sind zu zehnt: sechs Erwachsene, vier „Kinder“ zwischen 11 und 21. Es ist unser achter Sommerurlaub in dieser Konstellation – nach Korfu, Mallorca, Ibiza, Sardinien (drei Mal!) und Südfrankreich sind wir heuer in der Toskana. Wir kennen einander so gut, so lange – seit der Zeit, als wir selbst noch Teenager waren. Vor 23 Jahren waren wir schon einmal in dieser Region: es war unsere Hochzeitsreise und die Freunde sind einfach mitgefahren. Man wird sie nie los.
Unsere Unterkunft war damals noch nicht so mondän, aber die für uns wesentlichen Ingredienzen eines gelungenen Urlaubs waren die gleichen: nicht zu viele Pläne, Spaß haben, schweigen können, genug Diskussionsstoff, gute Playlists.
Wir bummeln durch die Gassen von Arezzo, Siena oder Montepulciano; essen hervorragend in einer Osteria mit desaströser Aussicht (auf einem Parkplatz in Siena) und nicht ganz so gut in einem Ristorante in „unserem“ Städtchen Cortona mit Bilderbuch-Panorama. Wir wärmen alte Erinnerungen auf, bestellen Pici und Cantuccini mit Vino Santo und wundern uns, warum der Espresso hier so viel besser schmeckt als daheim. Die Jungen bleiben meist unter sich, nur manchmal mischen sie sich in unsere Gespräche ein, vertreten vehement ihre Standpunkte („Gendern ist UR-WICHTIG!“) und lassen uns ein wenig alt aussehen.
Ich trinke meinen Kaffee, esse ein Croissant dazu und lasse den Blick über den großen Holztisch mit den bunten Porzellan-Schüsseln schweifen, hin zu den Hügeln und trockenen Straßen mit Zypressen-Alleen. „Wir haben kein Wasser mehr, die Leitung ist defekt“, sagt der Beste jetzt und ruft Dino an, unseren Hausmeister, der sich hier um alles kümmert. Ärgerlich, denke ich kurz, aber man verzeiht Italien sehr schnell alles, wie einem unzuverlässigen Liebhaber.
Eine Stunde später kommt Leben ins Haus: es wird aufgetischt, was in der Küche zu finden ist – Melonen, Prosciutto, Ciabatta, Käse, Oliven, Tomaten und nochmals Kaffee, viel Kaffee. Die Jungen reiben sich die Augen und wollen wissen, was wir heute vorhaben und wir sagen nichts, nur abends gehen wir zu Stefano, der hat die beste Trüffelpasta und den Kids ist das ziemlich egal. Sie sind schon im Pool; es ist jetzt richtig heiß geworden und das Wasser fließt auch wieder, danke Dino.
Ich bin satt und glücklich. Schöner kann ein Urlaub gar nicht sein.
Einen Reise-Bericht von Gastautor Dr. Günter Spreitzhofer über die Toskana finden Sie in der September-Ausgabe von Lust aufs LEBEN, neu ab 2.9.2021.