Lipödem: Fettverteilungsstörung erkennen und behandeln
©iStock"Du solltest versuchen weniger zu essen und Sport machen schadet sicher auch nicht." Menschen, die unter einem Lipödem leiden, sind oft mit solchen Aussagen konfrontiert. In Österreich betrifft diese krankhafte Fettverteilungsstörung jede 5. Frau. Wir erklären, was sich hinter der Erkrankung Lipödem verbirgt, wie man Symptome erkennen kann und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Was ist ein Lipödem?
Das Lipödem ist eine genetisch bedingte Fettvermehrungs- und Fettverteilungsstörung, die fast ausschließlich Frauen betrifft. Meist ausgelöst durch hormonelle Veränderungen in der Pubertät, durch hormonelle Verhütung, Schwangerschaft oder auch den Wechsel, kommt es dabei zu einer symmetrischen Vermehrung des Fettes an Beinen und Armen.
Hier ist wichtig zu erwähnen, dass ein Lipödem völlig bewegungs- und ernährungsunabhängig auftritt. So beeinflussen mehr Sport und weniger Essen, Dinge die Betroffenen oft empfohlen werden, das Lipödem nicht.
Es ist furchtbar, wenn man seinem Körper machtlos zusieht, wie er sich verändert und man sich einfach irgendwann nur noch hässlich fühlt. Lipödem - PULS Reportage.
Die Erkrankung, die an Armen und Beinen entsteht, ist chronisch und verschlimmert sich im Laufe des Lebens. Dies kann sehr rasch passieren oder auch über Jahre hinweg geschehen. Betroffene Menschen werden dabei meist stigmatisiert, als zu dick oder übergewichtig bezeichnet. Tatsächlich kann im Laufe der Zeit auch mit der Schwere der Schmerzen und dadurch entstehenden Bewegungseinschränkung eine Gewichtszunahme eintreten.
Doch ein Lipödem ist nicht gleich Mehrgewichtigkeit, sondern eine genetische, krankhafte Fettvermehrungsstörung an den betroffenen Stellen. Eine Behandlung dient hier vor allem der Erleichterung von Beschwerden. Man weiß leider noch relativ wenig über das Lipödem, das erstmals 1940 von zwei Medizinern als solches benannt wurde.
Stigmatisierung und psychische Belastung von betroffenen Menschen
Diese Unwissenheit in Medizin und Gesellschaft hat auch eine Stigmatisierung der an lipödemenerkrankten Menschen zur Folge. Zusätzlich zu Schmerzen und körperlichen Einschränkungen entstehen so psychische Belastungen.
"Man hat mir immer vorgeworfen, dass ich zu dick sei. Mit 22 Jahren war ich das erste Mal in einer Klinik für eine Nulldiät. Ich habe zugenommen, obwohl ich nichts gegessen habe. Die Ärzte und Pfleger haben mir daraufhin unterstellt, ich hätte das Essen meiner magersüchtigen Zimmernachbarin gestohlen." (Gerda: SWR Doku Lipödem - Betroffene einer Selbsthilfegruppe erzählen ihre Geschichten)
Ob Bodyshaming aufgrund von angeblicher Faulheit und zu viel Essen, bis hin zu Selbsthass, Patient:innen haben oft einen langen Leidensweg hinter sich, bis die richtige Diagnose gestellt wird.
"Die erfolgslosen Diäten waren eine extreme psychische Belastung. Die Diagnose Lipödem war für mich eine Erleichterung. Ich wusste endlich, warum die Diäten nicht angeschlagen haben." (Gerda: SWR Doku Lipödem - Betroffene einer Selbsthilfegruppe erzählen ihre Geschichten)
Der schwierige Weg zur Diagnose
Die Diagnose eines Lipödems ist immer noch schwierig, denn noch weiß die Medizin nicht viel über die Fettvermehrungsstörung. Matthias Sandhofer, Dermatochirurg und Gründer der Lipödemzentren in Wien und Linz, beschreibt in einem Interview die Schwierigkeiten der Diagnose der Erkrankung. Diese beginnt meist mit ersten Symptomen in der Pubertät und hat oft eine jahrelange Abwärtsspirale zur Folge. Denn die richtige Diagnose wird oft lange nicht gestellt.
"Pille und hormonelle Therapien verstärken die Krankheit. Vielen haben zusätzlich ein Schilddrüsenproblem oder das Fatigue-Syndrom, also Erschöpfungszustände. Das belastet vor allem die Psyche. Betroffene nehmen deshalb häufig Antidepressiva, was wiederum den Effekt weiter verschlimmert."
Dabei ist es wichtig zur Abklärung Expert:innen aufzusuchen. Denn nur diese können am Ende die Diagnose Lipödem stellen und gemeinsam mit Patient:innen den Behandlungsweg festlegen. Doch welche Symptome treten bei einem Lipödem überhaupt auf?
Lipödem: Symptome der Erkrankung
So komplex eine Diagnose auch ist, es gibt doch einige spezifische Symptome, die erkennen lassen, ob man an einem Lipödem leidet:
So vermehrt sich das Unterhautfettgewebe beidseitig an Beinen und/oder Armen bei ansonsten normalem Körperbau. Knöchel, Füße sowie Hände bleiben dabei aber schlank. In einem späteren Stadium kann ein Lipödem auch Auswirkungen auf das Lymphsystem haben. Dabei entsteht ein sogenanntes Lipolymphödem. Dies hat zur Folge, dass dann auch Vorfüße und Hände von der Schwellung betroffen sind.
Betroffene leiden meist an Druckempfindlichkeit und Wassereinlagerungen – sogenannte Ödeme – in den betroffenen Regionen. Diese sind nicht nur besonders druckempfindlich, sondern es entstehen dort auch schnell blaue Flecken. Darüber hinaus führen warme Temperaturen, langes Stehen oder Sitzen zu Spannungs- und Berührungsschmerzen. Besonders abends treten diese Schmerzen auf.
Bei einem Lipödem vermehren sich die Fettzellen unkontrolliert im Fettgewebe der Unterhaut. An den betroffenen Stellen lassen sich harte Knubbel tasten, während Knöchel und Handgelenke schlank bleiben.
Die drei Stadien der Erkrankung
Das Lipödem wird in drei Stadien eingeteilt, um die Struktur des Gewebes und die Textur der Haut zu beschreiben. Dabei erfolgt die Einteilung des Schweregrades anhand der sichtbaren Hautoberfläche sowie eines Tastbefundes.
Bei der Einteilung wird der Schweregrad des Schmerzes zunächst nicht berücksichtigt. So erscheint die Hautoberfläche in Stadium 1 zwar noch sehr glatt, doch die Betroffenen können bereits unter massiven Schmerzen in Armen und Beinen leiden, die langes Gehen und Stehen unmöglich machen.
Stadium 1: Hautoberfläche glatt, Unterhautfettgewebe verdickt, Fettstruktur feinknotig
Stadium 2: Hautoberfläche uneben, Dellen, Beulen, Fettstruktur grobknotig
Stadium 3: Gewebe derber und härter, großlappige Taschenbildung der Haut
Die vier Lipödem-Typen
Neben den verschiedenen Stadien der Erkrankung, kann auch unter vier Lipödem Typen unterschieden werden. Dabei rücken hier die betroffenen Körperbereiche in den Vordergrund.
Typ 1: Das Unterhautfett ist vor allem im Bereich von Gesäß und Hüften vermehrt. Die Folge ist die sogenannte Reiterhose.
Typ 2: Das Lipödem hat sich bis zu den Knien ausgebreitet. Es kommt zur vermehrten Fettbildung an den Innenseiten der Knie.
Typ 3: Die Erkrankung reicht von den Hüften bis zu den Fußknöcheln.
Typ 4: Das Lipödem betrifft nun auch die Arme. Die Handgelenke sind nicht betroffen.
Lipödem Behandlungsmöglichkeiten
Ist ein Lipödem diagnostiziert, können unterschiedliche Behandlungen zum Einsatz kommen. Chronisch Krank - die Selbsthilfegruppe Lipödem Österreich ist nicht nur eine gute Anlaufstelle für Hilfesuchende, sondern hat auch Informationsmaterial zusammengestellt, das einen Überblick über Symptome und Behandlungsmöglichkeiten gibt. Dabei wird darauf hingewiesen, dass heute zwei Therapiewege eingeschlagen werden:
Die konservative Therapie
Diese Therapie besteht aus dem Durchführen von manuellen Lymphdrainagen, sowie dem konsequenten Tragen einer Kompressionsversorgung für Arme und/oder Beine. Die Kompressionsstrümpfe werden von Ärzt:innen verschrieben und nach Beratung im Fachgeschäft entsprechend angepasst. Zusätzlich sind auch Kuraufenthalte sinnvoll. Eine Therapie ist dennoch lebenslang notwendig.
Die operative Therapie
Die sogenannte Liposkulptur oder Liposuktion, die Fettabsaugung verschafft bei einem Lipödem die beste Linderung. Je früher ein Lipödem erkannt und mittels Fettabsaugung entfernt werden kann, desto größer sind die Chancen einer kompletten Heilung. Doch auch in späteren Stadien kann eine Fettabsaugung zu einer deutlichen Linderung der Beschwerden führen.
Obwohl es sich in diesem Fall um keine Schönheitsoperation handelt, sondern um das Entfernen von krankhaftem Fettgewebe, wodurch starken Schmerzen und massive Bewegungseinschränkungen entstehen, werden die Kosten in Österreich nicht von den Krankenkassen übernommen. Diese kostspielige OP muss also aus eigener Tasche bezahlt werden.
Bewegung und Ernährung
Das Lipödem lässt sich nicht "wegtrainieren", da ein genetischer Defekt, eine Erkrankung vorliegt. Allerdings kann regelmäßige Bewegung verhindern, dass sich begleitend zum Lipödem ein schmerzhaftes Lymphödem entwickelt (Lipo-Lymphödem). Dabei hilft gezieltes Training, die Beinödeme zu lindern.
Vor allem Schwimmen eignet sich hier sehr gut, da die Bewegung im Wasser entlastend wirkt. Darüber hinaus empfehlen Expert:innen auch eine Ballaststoff- und vitaminreiche Ernährung, sowie eine frische Zubereitung von Lebensmitteln. Auch ein Austausch mit anderen Betroffenen, z.B. in Selbsthilfegruppen kann helfen.
Wie man ein Lipödem erkennt: Selbstcheck
Wichtig an dieser Stelle, auch wenn wir hier einige Informationen zum Thema Lipödem zusammengetragen haben, eine endgültige Diagnose kann nur eine Ärztin / ein Arzt stellen. Sollte man den Verdacht haben, dass eine Erkrankung vorliegen könnte, oder treten Symptome auf, entstehen Beschwerden sollte man umgehend medizinische Hilfe suchen.
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