
Von schlechtem Atem bis zum Schwangerschaftsrisiko: Den meisten ist nicht bewusst, welche zentrale Rolle unser Mund in Sachen Gesundheit spielt. Unsere Zähne könnten wir bei guter Pflege ein Leben lang behalten. Wie die richtige Vorsorge hilft …
Weiße Zähne sind zwar schön, aber geht es um die optimale Mundgesundheit, dann sind mehrere Aspekte zu beachten, denn ein gesunder Mund schützt den gesamten Körper und wirkt sich auf das Immunsystem aus. Vor allem Zahnfleischentzündungen können unbehandelt weitreichende Folgen haben und den gesamten Organismus belasten, weil Bakterien vom Mund in den ganzen Körper gelangen.
"Parodontitis ist eine schleichende Erkrankung", weiß Univ.-Prof. Hady Haririan, Leiter der Abteilung für Parodontologie an der Zahnklinik der Sigmund Freud Privatuniversität Wien. Während Karies Löcher in den Zähnen und Schmerzen verursacht, kann die Zahnfleischentzündung über längere Zeit relativ symptomlos bleiben. Wenn typische Beschwerden wie Zahnfleischbluten oder Mundgeruch nicht mehr zu ignorieren sind, ist der Kieferknochen meist schon abgebaut. Der Prozess kann nur gestoppt, aber nicht rückgängig gemacht werden.


Univ.-Prof. Dr. med. dent. Hady Haririan: Leiter der Abteilung für Parodontologie an der Sigmund Freud Privatuni und Zahnarzt in Wien. sfu.ac.at
© PrivatZucker vermeiden
"Das Zahnfleisch ist zurückgegangen, gerötet und blutet regelmäßig, etwa beim Zähneputzen. Die Zähne sind kälte- und wärmeempfindlich und locker geworden", schildert Dr. Haririan die einschlägigen Symptome. "Der Grund dafür ist, dass der Kieferknochen und der gesamte Zahnhalteapparat durch die Entzündung angegriffen werden." Auslöser sind neben unzureichender Mundhygiene in erster Linie falsche Ernährung, Stress und ganz besonders Rauchen. Dass Zucker schlecht ist, lernt man schon im Kindergarten. Er befeuert die Entzündung, und wenn er von den Bakterien verdaut wird, entsteht Säure, die den Zahnschmelz angreift.
Kontrolle einhalten
Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, empfiehlt der Zahnarzt die konsequente Einhaltung der regelmäßigen Mundhygiene: "Zweimal täglich Zähne putzen, dafür Zahnpasta mit Fluoriden verwenden. Zahnzwischenräume unbedingt mit speziellen Bürstchen reinigen. Eine Mundspülung sollte nicht täglich benutzt werden, außer man hat zum Beispiel eine Zahnspange und kommt mit der Bürste nicht überall hin. Ansonsten kann die chemische Keule die Mundflora erst recht durcheinanderbringen. Zungenreiniger können allmorgendlich bei entsprechendem Belag verwendet werden."
Besonders wichtig ist, so der Zahnexperte, die alljährliche parodontale Grunduntersuchung. Mit einer Sonde eruiert der Zahnarzt dabei, ob sich Taschen zwischen Zahn und Zahnfleisch gebildet haben und wie tief sie sind. Misst man mehr als 3,5 Millimeter, hat die Entzündung bereits den Knochen erreicht. "Das kann man selber nicht mehr behandeln, auch mit keiner Mundhygiene." Die einzig wirksame Behandlungsmethode: Die Taschen müssen unter lokaler Betäubung ausgeputzt werden, um den Knochenabbau plus Zahnverlust zu stoppen. "In Österreich ist circa eine Million Menschen von Parodontitis betroffen."
Hormonelle Auswirkung
Die Vorstufe von Parodontitis bezeichnet man als Gingivitis, eine noch oberflächliche Zahnfleischentzündung, die, rechtzeitig erkannt, vollständig geheilt werden kann. Wir Frauen sind übrigens durch hormonelle Veränderungen einem größeren Risiko, die Mundgesundheit betreffend, ausgesetzt. "Eine Schwangerschaft, aber auch die Menopause, kann eine Gingivitis verstärken", weiß Experte Haririan. Ist diese bereits in eine Parodontitis übergegangen, können Mundbakterien über die Blutbahn großen Schaden anrichten. "Das Risiko für Frühgeburten ist etwa höher, und auch das Geburtsgewicht des Babys kann geringer sein."
Wie wichtig das Thema ist, zeigt ein Kongress der European Federation of Periodontology, der im kommenden Mai in der Messe Wien (14. bis 17.5.) stattfindet und bei dem über 10.000 Expert:innen neueste Erkenntnisse diskutieren. Den 12. Mai kann man sich als Gum Health Day schon eintragen. Da sind kostenlose Untersuchungen für alle im Wiener Riesenrad geplant.
Richtige Ernährung
Der Mund ist unsere Gesundheitszentrale, wie auch der Experte betont. "Es gibt Zusammenhänge zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und Zahnfleischentzündungen sowie auch in Bezug auf Diabetes, Lungenkrankheiten und rheumatoider Arthritis. Sogar in Richtung Demenz wird geforscht." Sehr interessiert ist die Wissenschaft auch an der Frage, wie weit das orale Mikrobiom mit dem des Darms zusammenhängt: "Wir wissen jedenfalls, dass wir über 1.000 verschiedene Bakterien im Mund haben."
Um die richtigen Mikroorganismen zu füttern, kommt es sehr auf unsere Ernährung an. "Mediterrane Kost mit viel Obst und Gemüse, wenig verarbeitete Lebensmittel, Omega3-Fettsäuren, ausreichend Vitamin D, ballaststoffreich und zuckerarm", fasst der Profi die optimale Kost zusammen und möchte noch betonen: "Wir glauben oft, dass es unausweichlich ist, im Alter Zähne zu verlieren. Aber das stimmt nicht. Wenn wir verhindern, dass der Kieferknochen entzündlich bedingt zurückgeht, und auch Kariesprophylaxe betreiben, können wir die Zähne ein Leben lang behalten."