Zahnschiene
©DrSmileTransparente Zahnschienen (sogenannte Aligner) sind eine kostspielige Sache. Außer, man nutzt das Angebot aus dem Internet. Wir haben sie getestet und eine Kieferorthopädin um eine Einschätzung gebeten.
Eine Zahnspange im Erwachsenenalter zu tragen kommt für viele (aus kosmetischen Gründen zumindest) nicht infrage. Seit einigen Jahren bieten Zahnärzt:innen aber auch transparente Schienen, sogenannte Aligner, an. Eine Zahnspange, die man herausnehmen kann und kaum sieht – fast zu schön, um wahr zu sein. Wäre da nicht der Preis. Denn Aligner kosten ca. zwischen 4.000 bis 6.000 Euro. Der Preis variiert je nach Anbieter und Behandlungsdauer.
Aligner: Firmen aus dem Internet als mögliche Lösung?
Seit einiger Zeit bieten aber auch Internet-Firmen Zahnschienen an – zu einem wesentlich günstigeren Preis. Für circa 1.500 bis 2.000 Euro erhält man eine Box mit Schienen aus dem 3D-Drucker für Zuhause. Gewechselt wird im zweiwöchigen Rhythmus. Das klingt für viele verlockend: Das Angebot wird laut der Unternehmen von Zehntausenden genutzt. Wir wollten es genauer wissen und haben uns Schienen von DrSmile bestellt. Unseren Erfahrungsbericht und die Meinung einer Kieferorthopädin lest ihr hier.
Der Behandlungsplan
Einige Firmen bieten einen Selbstabdruck für Zuhause an. Bei DrSmile wird in einem ersten Schritt ein Scan aller Zähne in einer Partner-Praxis genommen. Ein Gesundheitsdatenblatt ist zuvor ebenfalls auszufüllen. Der Infotermin inklusive 3D-Scan ist übrigens kostenlos und unverbindlich.
Ein Team aus ZahnärztInnen und Kieferorthopädinnen erstellt einen persönlichen Behandlungsplan, den man per eMail erhält. Hier wird ein maßgeschneiderter Therapievorschlag gegeben: Dauer und Kosten sowie eine Simulation eines Endergebnisses ist darin enthalten. Ist man damit einverstanden, geht es an die Produktion der Aligner. In etwa 4 Wochen bekommt man dann die Box mit allen Schienen frisch aus dem 3D-Drucker. Sie kommen hygienisch versiegelt und beschriftet ins eigene Zuhause geliefert. Eine Box für die Aufbewahrung ist inkludiert. Dann kann es auch schon losgehen.
Schienen 22 Stunden pro Tag tragen
Die Schienen werden nun 22 Stunden pro Tag getragen und nur zum Essen oder Rauchen entnommen. Setzt man sie wieder ein, wird empfohlen, die Zähne zu putzen oder zumindest gut durchzuspülen. Fun Fact: 50 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer haben laut DrSmile angegeben, während der Behandlungsdauer abgenommen zu haben, da man weniger zum Snacken verführt wird. Während des Tragens sollte nur Wasser getrunken werden. Die Aligner werden nun im 14-tägigen Rhythmus gewechselt.
Was passiert bei Problemen während dem Tragen?
Bei Problemen garantiert DrSmile eine umfassende Betreuung durch ZahnärztInnen, KieferorthopädInnen und ZahntechnikerInnen. Dazu kann man sich jederzeit per Mail oder Telefon melden oder eine DrSmile-Praxis in der Nähe aufsuchen (in Österreich gibt es welche in Eisenstadt, Klagenfurt, Puchenau, St. Pölten, Graz, Wien und Innsburck).
Während der Behandlung sollte ein wöchentliches Foto der Zähne aufgenommen und in die App geladen werden. Die letzte Schiene ist eine Retainer-Schiene und muss nur noch nachts zur Stabilisierung der Zähne getragen werden. Sie ist ebenfalls im Paket enthalten. Wer am Ende nicht zufrieden ist, kann sich auf die vorgeschlagene Simulation berufen. Das Unternehmen kommt für alle Änderungen auf, die bis zum Erreichen dieser Simulation notwendig sind.
Erfahrungsbericht: Zahnschienen im Test
Sind die Aligner unbequem? Die Schienen schmerzen nicht, aber sie sind nicht immer ganz angenehm zu tragen. Besonders nach dem Wechsel konnte ich die Spannung oder Druck auf den einzelnen Zähnen spüren. Allerdings gewöhnt man sich schnell an das Gefühl. Das Gute daran: Man merkt, dass sich die Zähne bewegen. Und das ist am Ende doch das Ziel.
Wann haben die Aligner besonders gestört? Wer viel snackt oder raucht muss natürlich damit rechnen, die Schienen besonders oft rausnehmen und die Zähne reinigen zu müssen. Das war bei mir nicht der Fall. Mich persönlich hat das Herausnehmen nur in der Öffentlichkeit gestört. Ich suchte dann ein stilles Örtchen, um die Schienen in die Dose zu packen. Zu Beginn hatte ich Probleme beim Sprechen. Aber nach zwei Wochen war das Lispeln dann auch schon verschwunden. Wenn ich allerdings laut sprechen musste (in Bars oder auf Partys) störten mich die Schienen und ich nahm sie ausnahmsweise heraus. Auch beim Küssen waren sie mir unangenehm. Aber insgesamt ging die Behandlung ohne Probleme vonstatten und die Zeit vergeht ohnehin wie im Flug.
Waren die Schienen zu sehen? Nein. Sie sind tatsächlich niemanden aufgefallen. Viele meiner Freundinnen und Freunde fragten mich, ob ich sie nun tragen würde oder nicht. Die Zähne glänzen durch das Material etwas mehr, ansonsten ist wirklich nichts zu sehen. Gereinigt habe ich sie übrigens mit einer weichen Zahnbürste und etwas milder Seife.
Ist das Endergebnis zufriedenstellend? Definitiv ja. Das Ergebnis war die Mühe des Tragens auf alle Fälle wert. Allerdings habe ich mir einen Retainer einsetzen lassen, um die Retainer-Schiene nicht jede Nacht tragen zu müssen. Beim Kieferorthopäden oder der Kieferorthopädin kostet dies für Ober- und Unterkiefer etwa 350 bis 500 Euro. Der Retainer wird an der Zahninnenseite geklebt und ist unsichtbar sowie kaum spürbar. Meine Behandlung mit den DrSmile-Schienen hat 10 Monate gedauert.
Kieferorthopädin gibt Antworten zu Zahnschienen aus dem Internet
WOMAN: Was halten Sie von den Zahnschienen aus dem Internet?
Dr. Christiane Stokreiter-Ebner: Die von vielen Internet-Firmen konzipierte Behandlung ist auf eine rein kosmetische Veränderung der Zahnstellung reduziert. Das ist aber nur ein sehr kleiner Aspekt einer kieferorthopädischen Behandlung. Sicher sind gerade Zähne ein wichtiges Ziel, aber das Spektrum ist viel größer. Bei den Zahnschienen ohne fachärztliche Betreuung werden die anderen Aspekte nicht abgedeckt. Einer der wichtigsten ist die Funktion des Kausystems.
Die meisten Zahnfehlstellungen haben eine Ursache. Oft liegt diese in einer Fehlfunktion der Zunge bzw. der Weichteile. Wenn Zähne durchbrechen, stellen sie sich so auf, wie es der Kieferkamm erlaubt, aber auch der Druck der Wange oder der Zunge spielt eine Rolle. Bei falschen Schluckmustern müssten dann zum Beispiel LogopädInnen mit in die Behandlung eingebunden werden. Auch eine nicht funktionierende Nasenatmung kann ein Grund für eine Zahnfehlstellung sein.
WOMAN: Was könnte schiefgehen?
Dr. Christiane Stokreiter-Ebner: Bei einer Zahnspange kann eine Menge schiefgehen. Deshalb wird von Zahnarzt oder -ärztin vor Behandlungsbeginn eine detaillierte Diagnose erstellt. Firmen aus dem Internet können das nicht anbieten. Ohne Beseitigung der Ursache der Fehlstellung wird man aber kein dauerhaft stabiles Ergebnis bekommen.
Nach fehlgelaufenen Behandlungen können auch Funktionsstörungen auftreten, vor allem wenn das Ineinandergreifen der Zähne nicht richtig eingestellt wurde. Die Zahnfehlstellung beruht häufig auf einer Diskrepanz der Kieferbasen. Ein Beispiel: Wenn jemand vorstehende obere Schneidezähne hat, kann es auch sein, dass das ganze Oberkiefer zu weit vorne ist. Oder das Unterkiefer zu weit hinten. Das macht bei der Therapie einen Riesenunterschied!
Das geringste Problem wäre, wenn aufgrund des Platzmangels das Zahnfleisch zurückgeht. Wenn aber das Zusammenbeißen nicht mehr passt, kann es zu Kiefergelenksproblemen kommen, eventuell sogar zu einer Kieferklemme. Kopfschmerzen könnten die Folge sein. Eventuell ist beim Zubeißen der Druck nicht auf alle Zähne verteilt, sondern einzelne Zähne haben einen stärkeren Kontakt. Dadurch kann im schlimmsten Fall der Zahnnerv absterben. Das sind Probleme, die bei der Behandlung entstehen können.