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Druck weg!

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Schleichend verrichtet er unbemerkt sein Handwerk. Mit gravierenden Folgen: Immerhin lässt sich die Mehrheit aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen darauf zurückführen. Der Übeltäter: Bluthochdruck. Was Sie über das Volksleiden wissen müssen.

Dass ein Arztbesuch messbar aufregend sein kann, weiß der Wiener Kardiologe Michael Derntl (www.herz1.at) aus seinem Praxisalltag. Denn mindestens 20 Prozent aller in Ordinationen erhobenen Werte spiegeln nicht den tatsächlichen Blutdruck wider, schätzt man. Derntl: „Im Schnitt sind die Messergebnisse in Praxen zu hoch.“ Den Grund dafür beschreibt die Medizin als Weißkittelsyndrom: „Eine künstliche Erhöhung des Blutdrucks, meist ausgelöst durch Nervosität“, erklärt er. Eine tatsächliche arterielle Hypertonie, wie der Bluthochdruck im Fachjargon bezeichnet wird, liege damit allerdings noch nicht vor – beziehungsweise lasse sie sich nicht anhand eines einmaligen Messergebnisses festmachen. „Für eine Diagnosestellung ist der Langzeitwert entscheidend“, so der Experte.

Ein lebenswichtiger Parameter

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Ein lebenswichtiger Parameter
Dr. Michael Derntl © beigestellt

Denn unser Blutdruck ist alles andere als eine stabile Größe. Er unterliegt teils starken Schwan­ kungen. „Ganz allgemein beschreibt der Blutdruck jenen Druck, der im Inneren unserer Gefäße herrscht“, erklärt der Experte. Somit kennzeichnet er einen lebenswichtigen Parameter. Denn damit eine gute Versorgung des Organismus mit Sauerstoff und Nährstoffen möglich ist, ist ein gewisser Druck notwendig. Das bedeutet im Umkehrschluss: Versackt der Druck in den Gefäßen, wird es schnell kritisch. Bleiben Organe über längere Zeit unterversorgt, treten irreversible Schäden oder gar der Tod ein. „Genau hier setzt das Prinzip der Herzdruckmassage an“, veranschaulicht Derntl. „Durch gezielte Thoraxkompressionen und Beatmung versucht man in der Notfallmedizin den Blutdruck und damit eine ausreichende Versorgung aufrechtzuerhalten.“
Abseits internistischer Notfälle gelten jedoch sowohl kleinere als auch größere Schwankungen des Blutdrucks als völlig normal, sie betref­ fen uns im Verlauf des Tages sowie in Abhängigkeit von Belastungen ständig. „Ein nächtlicher Blutdruckabfall ist demnach ebenso normal wie ein Anstieg bei körperlicher Aktivität oder in akuten Stresssituationen“, gibt Derntl Entwarnung. Zurückführen lassen sich diese Schwankungen auf den Bedarf an Sauerstoff und Nährstoffen sowie auf die evolutionsbiologische Geschichte der Spezies Mensch. „Die Ausschüttung von Stresshormonen in Phasen psychischer Belastung oder beim Sport und die damit verbundene Aktivierung des Sympathikus, eines Teils des vegetativen Nervensystems, bereiten unseren Organismus auf bevorstehende Belastungen vor. Neben Atemfrequenz und Herz­ schlag steigt auch der Blutdruck. Unsere Muskeln werden in weiterer Folge besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und sind bereit, Höchstleistungen zu vollbringen.“ Ein Mechanismus, der unseren Vorfahren im Kampf und auf der Flucht einst das Überleben sicherte und den modernen Menschen sämtliche Rekorde brechen lässt.

Wann wird’s gefährlich?

Gefährlich wird es dann, wenn der Blutdruck über einen längeren Zeitraum erhöht ist und sich selbst im Ruhezustand nicht normalisiert. Ab wann jedoch von einer krankhaften Erhöhung gemäß ICD­10 die Rede ist, ist vielen nicht klar. Denn nicht nur unser Blutdruck selbst unterliegt Schwankungen, sondern auch die ärztliche Bewertungsgrundlage ändert sich – neuesten Erkenntnissen folgend – von Zeit zu Zeit. Fest steht: Maßgeblicher Taktgeber ist das Herz. „Entsprechend den zwei Phasen des Herzschlags“, so der Kardiologe, „setzt sich auch der Blutdruck aus zwei Werten zusammen. Somit liefert die Blutdruckmessung sowohl den Gefäßdruck während der Systole, in der sich der Herzmuskel anspannt und Blut in den Organismus pumpt, als auch jenen während der Diastole, in der sich der Herzmuskel entspannt.“ Angegeben werden die Werte in „mmHg“; gesprochen: Millimeter­Quecksilbersäule. „Eine historisch bedingte Maßeinheit, die sich auf die Anfänge der Blutdruckmessung, als die Werte noch mittels Quecksilbersäule erhoben wurden, zurückführen lässt.“.

Doch wo zieht die Medizin nun die Grenze zwischen krank und gesund? „Als Idealwert gilt 120/80 mmHg“, so Derntl. Während man in den USA im Jahr 2018 den oberen Grenzwert von 140/90 mmHg auf 130/80 mmHg herabgesetzt hat, hält man hierzulande am einstigen Richtwert fest. „Zwischen dem Idealwert und der Grenze zur arteriellen Hypertonie, die sich je nach Ausprägung in drei Schweregrade unterteilen lässt, wird jedoch von einer Prähypertension, einer Art Vor-Bluthochdruck-Phase gesprochen“, fügt er hinzu. Das Ziel: „Menschen in einer frühen Phase der Erkrankung zu erfassen und den schwerwiegenden Folgen entgegenzuwirken.“

Still & heimlich

Das Heimtückische: Bluthochdruck verläuft während der ersten Jahre weitestgehend symptomlos, weshalb er oft über einen sehr langen Zeitraum unbemerkt bleibt. „In den seltensten Fällen sind es unspezifische Symptome wie Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und schnellere Erschöpfung, die Patienten dazu veranlassen, einen Arzt aufzusuchen“, weiß der Experte. Eindeutige Symptome wie Schwindel, Ohrensausen, Augenflackern, Kopfschmerzen und Nasenbluten treten nur dann auf, wenn es zu einem plötzlichen, schwerwiegenden Blutdruckanstieg kommt.
Wie es um den eigenen Blutdruck bestellt ist, wissen demnach die wenigsten. Während sich laut Umfragen 100 Prozent der Bevölkerung der Gefahren einer arteriellen Hypertonie bewusst sind, kennt noch nicht einmal die Hälfte ihre Werte. „Dabei sollte jeder durch regelmäßige Messung in der Apotheke, beim Arzt oder zu Hause seinen Blutdruck erheben und kennen“, appelliert Derntl. Immerhin leidet hierzulande laut Statistik jede bzw. jeder vierte Erwachsene an einer Form der Hypertonie. Basierend auf der Tatsache, dass mehr als 50 Prozent ihren Blutdruck nicht kennen, ist also davon auszugehen, dass mindestens jede bzw. jeder Zweite der insgesamt knapp zwei Millionen Hypertonikerinnen und Hypertoniker sich der Erkrankung nicht bewusst ist und demzufolge ohne eine adäquate Therapie lebt.

Die Gefahren

Ein Zustand, der längerfristig nicht ohne Folgen bleibt. Drückt das Blut dauerhaft mit zu hohem Druck gegen die Gefäßwand, gelangt deren Flexibilität über kurz oder lang an ihr Limit. Mikroskopisch kleine Verletzungen der inneren Gefäßschicht sind die Folge. Der Körper versucht diese Stellen zu kitten und beginnt mit der Einlagerung von Thrombozyten und Fetten, aus denen sich im weiteren Verlauf Plaques bilden. Der Volksmund spricht von Gefäßverkalkung. „Ein Teufelskreis“, warnt Derntl. „Die Gefäße verlieren durch die Versteifung an Elastizität, wodurch das Herz seine Pumpleistung erhöhen muss – der Druck in den Gefäßen steigt somit weiter an, was wiederum das Fortschreiten der Arteriosklerose begünstigt.“
Die große Gefahr: Durch die Einlagerung verringert sich der Durchmesser der Gefäße. Die Blutversorgung in betroffenen Arealen wird verringert. „Im schlimmsten Fall kommt es zu einem vollständigen Gefäßverschluss oder einem Einreißen der Gefäßwand“, warnt der Experte. „Sind Herzkranzarterien oder Gefäße im Gehirn betroffen, droht Lebensgefahr.“ Weltweit betrachtet, ist schätzungsweise die Hälfte aller Schlaganfälle und ischämischen Herzerkrankungen durch Bluthochdruck mitverursacht.

Dem ließe sich durch entsprechende Früherkennung gegensteuern, sind sich Expertinnen und Experten einig. Da der Blutdruck starken Schwankungen unterliegt, müssen hierfür wiederholte Messungen zur Diagnosestellung herangezogen werden. Der Goldstandard ist die Langzeit- bzw. 24-Stunden-Blutdruckmessung. Neben unverfälschten Werten liefert sie auch den Blutdruckverlauf während der Schlafenszeit und kann damit Hinweise auf die Ursache des Bluthochdrucks geben.

Eine Frage des Lebensstils

Die Medizin unterscheidet zwischen einer primären oder auch essenziellen und einer sekundären Hypertonie. Während die sekundäre Hypertonie bis zu 15 Prozent aller Hypertoniker betrifft, leidet die große Mehrheit an einer primären Hypertonie, der keine organische Erkrankung zugrunde liegt. „Der vor allem mit zunehmendem Alter auftretende Bluthochdruck ist in den meisten Fällen hausgemacht“, so der Kardiologe. Auch wenn sich in vielen Fällen eine genetische Veranlagung erkennen lässt, ist die primäre Hypertonie meist die Folge einer ungesunden Lebensweise, die sich über Jahre hinweg manifestiert. Soll heißen: „Jeder, selbst bei genetischer Veranlagung, hat gute Möglichkeiten, auf seinen.

Betroffene haben es in der Hand

Wegweisend dafür ist die ärztliche Beratung: „Wird eine organische Ursache ausgeschlossen, gilt es die individuellen Risikofaktoren der Patienten zu eruieren.“ Und diese sind oftmals die gleichen: ungesunde Essgewohnheiten, Bewegungsmangel und daraus resultierendes Übergewicht. Aber auch Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum spiegeln sich negativ in den Blutdruckwerten wider. Mit entsprechender Lebensumstellung (nicht rauchen, mehr Bewegung, gesünder essen) lassen sich rasch erste Verbesserungen feststellen. Purzeln die Kilos, sinkt auch der Blutdruck. Ein bis zwei mmHg pro verlorenem Kilogramm sind möglich, belegen Studien.
Bei Sport ist jedoch Vorsicht geboten: „Körperliche Aktivität lässt den Blutdruck zunächst ansteigen, um die Sauerstoffversorgung zu optimieren, ehe der Druck in der Erholungsphase unter das Ausgangsniveau sinkt“, erklärt der Experte. Für Betroffene, die bereits ohne Sport einen systolischen Druck von 200 mmHg haben, kann der zusätzliche Anstieg gefährlich werden. Zur Senkung des Blutdrucks sind Ausdauersportarten wie moderates Joggen, Radfahren oder Schwimmen daher besser geeignet als Krafttraining.

Letztlich gilt: Jede Art von Bewegung ist gut, sollte aber vorab mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Denn gegebenenfalls muss der Blutdruck im Vorfeld mit Medikamenten gesenkt werden. „Dabei wählt man je nach Ausgangslage zwischen verschiedenen Medikamentengruppen, die als sicher und gut verträglich gelten und den Blutdruck bei konsequenter Einnahme dauerhaft senken – viele Menschen nehmen die Tabletten ihr Leben lang.“

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