(Aktualisiert am 30.10.2018)
Ich trinke Alkohol seit ich 15 bin (sorry, Mama). Wenn man am Land in der Steiermark aufwächst, ist es normal, dass man schon sehr früh sehr viel Alkohol konsumiert. Interessiert dort auch keinen. Und mit 16 darf man ohnehin legal so viel Wein und Bier in sich reinschütten, bis man kotzen muss. Heute bin ich 28 und schlauer. Ich trinke nicht mehr so viel, bis ich mich davon übergeben muss. ABER ich trinke. Wie die meisten in meinem Alter eben. Alkohol gehört zum Leben dazu. Es ist normal, dass man am Wochenende feiern geht und aus den 2 Gin Tonics schnell mal 5 plus eine halbe Flasche Sekt und 3 Shots werden. Und am nächsten Tag bereut man, was man am Vorabend gemacht hat. Weil: Kater. Man ist eben keine 18 mehr...
Immer Anlass zu trinken
Dabei war es nicht der grausame Kater am nächsten Tag, der mich dazu brachte, dass ich ab sofort keinen Alkohol mehr trinke. Es waren die unzähligen Male unter der Woche: ein Spritzer hier, ein Sektchen da, ein Glas Wein zum Essen. In unserer Gesellschaft gibt es eigentlich IMMER Anlass zu trinken. Ist man eingeladen, dann gehört es fast zum guten Ton mit Alkohol anzustoßen. Man bekommt davon vielleicht auch nicht gleich Magen- oder Kopfschmerzen aber... es macht müde, schläfrig, träge.
Ende 2016 gab es bei mir dann einen Punkt, an dem ich wusste: So, es ist soweit. Ich möchte keinen Alkohol mehr trinken. Bei der Silvesterparty einer Freundin habe ich mein letztes Glas Sekt getrunken. Ein kleines Experiment, um zu sehen, was eigentlich passiert.
Mittlerweile sind es 80 Tage ohne Alkohol. Das klingt erst mal nach nicht viel. Dennoch ändert sich einiges. Und ich habe Erkenntnisse gewonnen, die mich ehrlich erschüttert haben...
Nein, danke, ich trinke nur Wasser!
Mein Haut ist nicht reiner und mein Haar auch nicht glänzender geworden. Falls ihr jetzt mit solchen Veränderungen gerechnet habt, muss ich euch leider enttäuschen. Meine Cellulite an Po und Oberschenkel ist auch noch immer da. Allerdings habe ich eine Sache festgestellt, die mich ehrlich geschockt hat. Und die mich überhaupt dazu veranlasst hat, über meinen selbstauferlegten Alkohol-Verzicht zu schreiben.
Für die wenigsten Menschen ist es offenbar verständlich und nachvollziehbar, warum jemand "einfach so" auf Alkohol verzichten will. Worauf man sich also einstellen muss: Stundenlange Belehrungen und Erklärungs-Wünsche. Ist man etwa auf einer Party und sagt: "Nein, danke, ich trinke nur Wasser", dann herrscht zunächst Verwirrung. Die häufigsten Reaktionen: "Fährst du mit dem Auto?", "Bist du krank?", "Bist du schwanger oder was?", "Machst du wieder so einen Detox-Scheiß?". An diesem Punkt würde euch raten einfach nett zu lächeln und zuzustimmen, denn ein "Nein, ich trinke einfach keinen Alkohol" akzeptieren 99% der Menschen nicht. Dann geht es nämlich weiter mit Aussagen wie: "Ach komm, wenigstens ein Drink", "Was soll das denn bringen?", "Hey, ich habe Geburtstag, das ist echt unhöflich". Und schon gerät man in eine nie enden wollende Diskussion, in der Leute euren Alkohol-Verzicht plötzlich mit Themen wie "Wasser aus Plastikflaschen - ja oder nein?!" oder dem "bösen Import" von Gemüse vergleichen.
Und es sind nicht nur Party-People, die kein einfaches "Nein" akzeptieren wollen. Selbst meine Eltern oder meine Oma haben im ersten Moment nicht verstanden, was ich da tue. Schließlich ist ein Gläschen Rot zum Essen ja sogar gesund. Mein Vater hat im Jänner seinen 50. Geburtstag gefeiert. Ich war die einzige Person, die nichts getrunken hat. Seine eigene Tochter. Das kommt doch komisch, oder? Da muss man wirklich aufpassen, dass unter den Partygästen nicht gleich von Schwangerschaft getuschelt wird.
Was ist euer Problem?
Ich frage mich nach diesen drei Monaten ernsthaft, was mit unserer Gesellschaft los ist. Ich habe 13 Jahre Alkohol getrunken. Darüber sollte man diskutieren, stattdessen reagiert meine Umgebung vom Verzicht darauf irritiert. Man muss erst krank oder schwanger sein, um sich nicht mehr lange erklären und rechtfertigen zu müssen. Wobei mir sogar eine Freundin erst kürzlich erzählt hat, dass selbst ihre Schwangerschaft die Menschen nicht daran hindert, sie zum Alkoholkonsum zu überreden. "Ach, nur ein Schluckerl Sekt, das schadet doch dem Baby nicht." WTF?!
Jeder ist für sich und seinen Körper verantwortlich. Doch offenbar gehört Alkohol für die meisten zum Leben wie Luft. Deswegen wird nicht einfach akzeptiert, sondern diskutiert. Eines kann ich jedenfalls sagen: Ich habe in den letzten 3 Monaten wirklich gelernt überzeugt "NEIN" zu sagen. Und ich verspüre noch immer keinen Wunsch ein Gin Tonic zu trinken, obwohl ich Gin Tonic liebe. Dafür trinke ich gerne Tonic Water mit Gurke und gehe trotzdem in die Pratersauna tanzen.
Ich kann jedem empfehlen, eine kleine Alkoholabstinenz einzulegen. Mein Verstand ist klarer, mein Selbstbewusstsein größer und meine Müdigkeit ist auch weg. Und falls jemand das nächste mal sagt: "Nein, ich trinke nichts", wäre es cool einfach zu mal so zu antworten: "Passt."