Es ist Freitag, 12:30 Uhr. Die Luft steht trocken unter der glühenden Mittagssonne, das Thermometer zeigt weit über 30 Grad an. Die Menschen, die noch nicht ins Wochenende geflüchtet sind, suchen Schutz unter schattenspendenden Bäumen oder unter den Sonnenschirmen der Schanigärten. Auch wir machen das - und treffen Sabrina Reiter, 35, in einem ruhigen Innenhof in Wien-Neubau zu einem Soda Zitron.
Unser Zeitplan ist straff, Reiter muss heute noch ein Drehbuch lesen und sich auf einen Workshop vorbereiten. "Ich möchte gern mehr Regie führen. Das reizt mich", verrät die gebürtige Klagenfurterin. Einen Kurzfilm hat sie bereits gedreht, auch einige Musikvideos. Die Mama eines Sohnes - Finn, 10, stammt aus der Beziehung mit ihrem Kollegen Laurence Rupp - konzentriert sich voll und ganz auf das, was sie will. Und erklärt lachend: "Früher hätte ich mir das vielleicht nicht zugetraut, jetzt denke ich mir: Drauf geschissen!" Grund dafür: ein Erlebnis, das sie Anfang 2017 im Thailand-Urlaub hatte. Reiter ging ohne Badeschuhe ins Wasser und stieg auf einen Steinfisch, dessen Gift eigentlich tödlich für den Menschen ist. "Eine Millisekunde dachte ich: Ich schaffe es nicht. Dann fiel mir Finn ein, und ich wusste: Das ist keine Option." Seither war Reiter außer Gefecht - jetzt geht es ihr langsam besser, auch die Karriere kommt wieder ins Rollen.
Sabrina, Sie feierten kürzlich Ihren 35. Geburtstag. Welchen Stellenwert hat der für Sie?
REITER: Einen großen. Nach dem schlimmen Erlebnis in Thailand hat ja quasi mein zweites Leben begonnen. Der Stich war nicht das Schlimme, die Schmerzen und das Ausmaß der Nervenschädigung danach schon. Weil man keine Erfahrung mit dem Gift hat - normalerweise sterben Menschen daran -, konnte man im Krankenhaus nur Symptome behandeln. Mein Körper hatte einen Totalschaden, mein Nerven- und Immunsystem waren lahmgelegt. Ich habe alle möglichen Allergien bekommen, mein Fuß war geschwollen. Es hat Monate gedauert, bis alles wieder im Rhythmus war, ich konnte sehr lange auch nicht arbeiten.
Der Unfall passierte, als Sie mit Ihrem Sohn auf Urlaub waren. Hat er realisiert, wie kritisch es um Sie stand?
REITER: Genau wusste er das nicht, aber er hat natürlich mitbekommen, wie groß meine Schmerzen waren. Und das hat ihm Angst gemacht. Vor Ort hat sich eine liebe dänische Familie um ihn gekümmert, als es richtig kritisch war. Als wir endlich zu Hause waren, haben wir das alles aufgearbeitet, das war auch sehr wichtig.
Dieses Erlebnis hat doch sicher auch Ihre Beziehung zueinander verändert?
REITER: Natürlich. Finn und ich sind noch ein Stück enger zusammengewachsen. Vor allem hat sich aber meine Einstellung zum Leben verändert.
Inwiefern?
REITER: Wenn man einmal in einer Phase war, in der man nicht mehr weiß, ob man irgendwann wieder ganz gesund wird oder nicht, hinterfragt man vieles. Du musst dich dann plötzlich mit Dingen auseinandersetzen, denen du vorher keine Beachtung geschenkt hast: Was mache ich, wenn ich nicht mehr arbeiten kann? Was passiert mit meinem Kind, wenn das nicht mehr wird? Das war eine wirklich harte Zeit. Und danach weiß man es umso mehr zu schätzen, wenn man wieder fit ist. Ich lebe jetzt eindeutig bewusster.
Sie sind im Reinen mit sich selbst?
REITER: Ja. Es stressen mich nicht mehr so viele Dinge, ich mache mir selbst keinen Druck mehr. Ich höre auf mich und mache die Dinge, die mir Spaß machen. Es ist mir egal, was die Menschen rund um mich denken - ob sie etwas gut finden, was ich mache, oder nicht. Das ist mein Leben, die einzige Person, der ich gerecht werden muss, bin ich. Und für mein Kind will ich da sein.
Hat dieses Erlebnis auch Ihre Einstellung zum Tod verändert?
REITER: Klar. Ich hatte immer Angst davor, dass ich nicht lange genug lebe. (lacht) In Thailand hätte ich sterben können, es wäre der perfekte Moment gewesen. Aber das ist nicht passiert! Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass ich sehr alt werde und das Leben noch viele schöne Dinge mit mir vorhat.
Denken Sie, dass das Schicksal war?
REITER: Ich habe sehr lange hinterfragt, warum mir das passiert ist. Weil ich eigentlich gerade an einem Punkt angekommen war, an dem ich mich sehr zufrieden und glücklich fühlte. In allen Belangen. Und dann reißt dich so was raus. Aber alles im Leben bringt dich weiter. Ich bin nicht dankbar für den Schmerz, aber für das, was er mit mir gemacht hat. Das hat mich einfach drei Jahre nach vorn gehaut. Ich fühle mich viel erwachsener als vorher. So nah zu mir selbst zu finden, das hätte wahrscheinlich nicht mal eine Therapie geschafft. (lacht)
Schicksalhaft war ja eigentlich schon der Beginn Ihrer Karriere. Sie wurden zufällig angesprochen und erhielten die Hauptrolle in "In 3 Tagen bist du tot". Das ist jetzt 13 Jahre her, damals waren Sie 22. Was würde die Sabrina von damals sagen, zu welcher Frau sie heute geworden ist?
REITER: Sie wäre vermutlich sehr verblüfft, dass ich meinen Weg wirklich gegangen bin. Schauspielerin wollte ich ja immer werden, vermutlich hätte ich es auch auf einem anderen Weg geschafft. Und sie wäre stolz, dass ich so einen tollen Sohn großgezogen habe.
Wie sind Sie denn so als Mama?
REITER: Ich bin eine Löwenmama! Und habe ein sehr großes Herz. Ich gebe viel Liebe, Struktur und Stabilität. Ich glaube, wenn ich etwas richtig mache im Leben, dann ist es, Mama zu sein.
Zu welchem Mann versuchen Sie Finn zu erziehen?
REITER: Zu einem offenen, humorvollen und empathischen! Besonders Letzteres ist mir wichtig. Ein Gefühl für die Menschen im eigenen Umfeld zu haben. Und auch, dass er Emotionen zeigen kann. Ich sage ihm immer: Tränen sind wichtig, weil sie zeigen, dass du ein Herz hast. Bitte nicht falsch verstehen: Er heult jetzt nicht die ganze Zeit. Aber wenn er weinen muss, weiß er: Das ist total in Ordnung.