Simone Ebner ist Physiotherapeutin und Beckenbodentherapeutin und trifft immer wieder online und offline auf zweifelhafte Fitness-Tipps für frischgebackene Mütter. Daher bietet sie nun absolut mama-gerechte Trainings an, um den Schäden, die oft durch falsche Übungen verursacht werden, gegenzuwirken.
Wir haben mit Simone gesprochen und sie um Tipps für ideale Übungen nach einer Geburt gebeten:
WOMAN: Wie bist du auf die Idee gekommen, mama-gerechte Trainings anzubieten?
Simone: In der heutigen Zeit gibt es viele Angebote im prä- und postnatalen Fitnessbereich. Der Markt boomt und da er nicht geschützt ist, kann jeder, der Lust und Laune hat, etwas in der Richtung anbieten. Ob es nun Kurse sind oder eben Trainingspläne, ist da egal.
Der Bedarf ist definitiv da, da wir in der heutigen Zeit durch mediale Vorbilder ordentlich beeinflusst werden, wie zum Beispiel Heidi Klum und Kate Middleton, die ein paar Stunden nach der Geburt aussehen, als ob nie etwas gewesen wäre.
Klar glaubt man da als frische Mutter, dass man auch so aussehen muss. Viele Jungmütter setzen sich so unter Druck und starten am Besten schon gestern mit schauererregenden Plänen, die man im Internet für viel Geld erwerben kann. Mit Übungen, die absolut überfordern, anstatt Besserung zu bringen. Die Anbieter scheren sich dabei nicht, wie frisch die Frau nach der Geburt ist. So beansprucht die Käuferin den Körper häufig viel zu früh, der eigentlich noch mitten im Umstellungsprozess ist und für überfordernde Übungen zu weich und instabil ist. Oft resultieren daraus dann als Spätfolgen Inkontinenzprobleme (auch Jahre später möglich) oder Senkungen, die man eigentlich hätte vermeiden können durch gezieltes Beckenbodentraining nach der Schwangerschaft.
Ich durfte schon auf solche Exemplare ein Auge werfen und habe mir geschworen, dass ich nun eine Gegenbewegung starte. Eine fachlich korrekte Gegenbewegung. Denn mir liegt die Gesundheit der Frauen am Herzen!
WOMAN: Welche Vorteile haben deine Übungen gegenüber regulären Trainings?
Simone: Sowohl meine Kurse, als auch die Übungen in den Trainingsplänen sind gezielt gewählt und zwar so, dass sie zwar fordern, aber nicht überfordernd sind. Der Körper wird stabilisiert, da bei mir der Körperkern und das Miteinander von Zwerchfell und Beckenboden eine große Rolle spielt. Alle meine Mamas müssen erst die Bauchkapsel spüren und aktivieren können, bevor wir mit den restlichen Übungen beginnen.
Denn ist der Körperkern stabil - also die innerste Muskelschicht, inklusive Beckenboden - kann der restliche Körper ebenso gekräftigt werden, ohne schädigend zu werden. Hat man zudem das Zusammenspiel zwischen Beckenboden und Zwerchfell verstanden, weiß man auch den Beckenboden korrekt zu aktivieren.
Als Physiotherapeutin kenne ich den Körper, die Muskulatur und deren Funktionen nur zu gut und kann dieses Wissen perfekt ins Training integrieren. Als Beckenbodentherapeutin habe ich das notwendige Knowhow über den Körper nach der Schwangerschaft (beziehungsweise während der Schwangerschaft) und kann genau einschätzen, was man dem Körper zumuten darf und was nicht.
WOMAN: Was sind die häufigsten Fehler, die frischgebackene Mamas bei Übungen machen?
Simone: Es gibt eine Vielzahl an Fehlern, die frischgebackene Mamas machen. Der Gravierendste dabei ist vermutlich zu früh zu starten. Der Körper braucht sicherlich 6-7 Monate nach der Geburt, bis er sich komplett adaptiert hat. So lange dauert nämlich das Spätwochenbett.
Man kann sich also sicher sein, dass bis dahin noch nicht alle Rückbildungsprozesse abgeschlossen sind. Wer vorher mit schweren Belastungen startet (Joggen, Trampolinspringen, schweres Krafttraining mit Gewichten), geht die Gefahr ein, dass der Beckenboden noch zu schwach ist. Selbst in meinem engen Bekanntenkreis kenne ich genug Mamas, die Jahre nach den Geburten eine plötzliche Stressinkontinenz entwickeln.
Ich gebe immer als Tipp: Die ersten 12 Wochen dienen der Rückbildungsgymnastik. In der Zeit wird der Beckenboden zurückgebildet und man findet „zurück zum eigenen Körper“. Ab 12 Wochen kann man mit leichten Sportarten beginnen (leichtes Krafttraining, Fahrradfahren, Wandern, Inlineskaten), 6 Monate nach der Geburt kann man mal das Joggen testen. Ich würde dennoch ein Jahr warten.
Sit-up-Übungen (Crunch, Curl, etc.) sind auch so ein klassischer Fehler. In der Schwangerschaft entsteht unweigerlich eine Rektusdiastase (Auseinaderstehen der gerade Bauchmuskeln), durch das Baby, das die Muskeln auseinander schiebt. Nach der Schwangerschaft sollte sich dieser Spalt innerhalb der ersten 6 Monate, besser sogar schneller, auf einen bis zwei Fingerbreit zurück bilden. Oft tut es das aber nicht.
Wenn man nun einen Sit-up macht, schwächt das ungemein die Linea Alba (die Bindegewebsnaht in der Mitte des Bauches) und dehnt dabei häufig die Bauchmuskeln noch mehr auseinander. Was dann entsteht, ist ein immer größer werdende Spalt und ein schwachen Kern, den wir aber zur Stabilisation brauchen. Zudem entsteht bei jedem Sit-up ein großer Bauchinnendruck, der sich negativ auf den geschwächten Beckenboden auswirkt. Auch hier sind Inkontinenzprobleme eine häufige Folge, ebenso wie tiefe Kreuzschmerzen!
Schräge Crunches werden häufig noch gelehrt, als Rektusdiastasenbehandlung. Wer sich aber genauestens mit der Anatomie befasst, weiß relativ schnell, dass das nicht sein kann. Man verschlimmert mit schrägen Crunches die Problematik eher noch mehr.
Ich lehre den Mamas ganz schnell, dass man über die Seite aufstehen soll und sich auch über die Seite hinlegen soll. So schaltet man den geraden Bauchmuskel aus (M. rektus abominis). Und ich zeige ihnen den „Niesmechanismus“, der bewirkt, dass nicht der gesamte Druck auf den Beckenboden geht. Außerdem erkläre ich Müttern, wie man sich richtig auf der Toilette verhält - auch da kann man viele Fehler machen…
WOMAN: Würdest du Sport auch während der Schwangerschaft empfehlen? Bis zu welcher Woche?
Simone: Ja. Definitiv! Sport während der Schwangerschaft hat fast nur Vorteile! Nicht nur für einen selber (Gestationsdiabetes entsteht seltener, man regeneriert schneller, man fühlt sich ausgeglichener, Rückenschmerzen sind seltener), sondern auch das Baby im Bauch profitiert daraus (bessere Versorgung, Taktgefühl wird geschult, Babys sind meist fitter nach der Geburt).
Zu meinen Kursen kann jede werdende Mama kommen, die möchte. Ich gebe da keine Begrenzung an. Wir passen die Übungen einfach an den Fitnessgrad und den Zustand der werdenden Mama an. Ich hatte schon Mamas im Kurs, die am nächsten Tag entbunden haben. Mein nächstes Projekt ist eine Trainings-DVD für werdende Mamas.
WOMAN: Wann nach der Geburt kann man frühestens mit dem Training beginnen?
Simone: Wie gesagt: Mit leichtem Training kann man ab 12 Wochen nach der Geburt starten - das ist früh angesetzt, aber das ist die Zeit, in der man die Rückbildungsgymnastik meist schon abgeschlossen hat (ACHTUNG: die Rückbildung selber ist aber noch nicht abgeschlossen! Deswegen sollte man es nicht übertreiben.).
Ab 6 Monaten nach der Geburt kann man dann gerne mal das Joggen testen. Der Körper signalisiert schnell, ob es zu früh ist. Sobald es sich komisch und schwammig anfühlt, würde ich nicht weiter joggen, sondern mein Augenmerk auf den Körperkern und der Bauchkapsel richten.
WOMAN: Bist du selbst Mutter?
Simone: Ja. Ich bin Mutter von zwei Söhnen (5 Jahre und 6 Jahre). Sie sind mit 18 Monaten Abstand auf die Welt gekommen. Die Familienplanung ist aber noch nicht abgeschlossen!
Im folgenden Video lernst du beispielsweise die Grundspannungsübung der Bauchkapsel:
Mit ihrem Konzept " Gemeinsam durch dick und dünn" betreut Simone Ebner werdende Mütter bis ins Kleinkindalter im physiotherapeutischem Bereich mit Geburtsvorbereitung und Rückbildung, aber auch im post-/und pränatalem Training.
Auf ihrem YouTube-Kanal kannst du dir regelmäßig Tipps holen oder unterschiedliche Übungen zu den Themen Rektusdiastase, Beckenboden, alternative Bauchmuskelübungen und mehr lernen: youtube.com/c/gemeinsamdurchdickunddünn