Muschi, Schlitz, Mumu, Schmuckkästchen – wie sagt ihr zu dem "da unten"? "Vulva", erklärt Pädagogin Lisa Charlotte Sonnberger, 34. Zusammen mit Psychologin Katharina Schönborn-Hotter, 40, Illustratorin Anna Horak, 29 und Künstler Flo Staffelmayr, 49, hat sie das Aufklärungsbuch "Lina, die Entdeckerin" geschrieben. Ihr Ziel: einen lockeren, unaufgeregten und wertfreien Umgang mit dem weiblichen Geschlechtsorgan zu schaffen, ganz ohne Verniedlichungen oder Umschreibungen. Die 31 Seiten sind für Kinder gedacht – und für Erwachsene. "Wir haben beobachtet, dass viele Frauen, Männer, Mütter und Väter sich noch immer nicht wohlfühlen dabei, über 'das zwischen den Beinen' zu sprechen", so Sonnberger.
Beklemmung und Unbehagen, das die Autoren auch in ihrem eigenen Umfeld beobachtet haben. Schönborn-Hotter erzählt: "Eine Freundin von mir zum Beispiel sagt beim Windelwechseln zu ihrer Tochter, dass sie ihr den Popo einschmiert, dass sie das auch mit der Vulva macht, klammert sie aus." Ähnliche Erfahrungen hat auch Flo Staffelmayr gemacht. Er ist selbst Vater einer mittlerweile siebenjährigen Tochter und fragt sich: "Warum konnte mir im Spital niemand in Ruhe erklären, wie ich die Vulva meines Babys reinige? Wieso schaffen wir es nicht, mit unseren Kindern auf einer neutralen Ebene über alle Teile ihres Körpers zu sprechen?"
Auch zum Schutz der Kleinen ist es ratsam, auf das richtige Vokabular zu achten. In einer Diskussion auf der Facebook-Seite von Influencerin Christine Neder von "Lilies Diary" zu diesem Thema schreibt eine Kindergartenpädagogin: „Wir verwenden die korrekten Begriffe. Scheide (Vulva wäre noch besser, hat sich aber noch nicht durchgesetzt). Oder Penis. After. Wir machen das auch aus Gründen der Missbrauchsprävention. Es ist total wichtig, dass Kinder ihre Geschlechtsteile verständlich benennen können, um gegebenenfalls auch verstanden zu werden.“ Sexual- und Psychotherapeutin Dania Schiftan schreibt dazu auf Ihrer Plattform 2anyworkingmom": "Wir sind gewohnt, dass Geschlechtsteile etwas Heikles und Spezielles, etwas Intimes sind. Es ist genau das Gegenteil der Fall: Je mehr wir hinsichtlich unserer Geschlechtsteile eine Spezialsprache entwickeln und eine Ausnahmesituation generieren, desto mehr Missverständnisse werden entstehen, desto mehr Unwohlsein gibt es damit, und desto mehr Unsicherheit kommt auf." Sie erklärt weiter: "Wenn ich für etwas ein passendes Wort habe, dann gibt mir das Sicherheit. Ich werde kompetent. Jeder, der weiß, wie sein Geschlecht heißt und funktioniert, ist auch kompetenter mit diesem."
Über Apfelbäume, Abendessen und Geschlechtsorgane
Das Bilderbuch soll helfen, Tabus zu brechen – für mehr Wissen und Selbstbestimmung unseres Körpers. "Geschlechtsorgane gehören zu uns wie alle anderen Körperteile auch. Gerade für Kinder macht es anfangs noch keinen Unterschied sich über den Apfelbaum, das Abendessen oder die Vulva und den Penis zu unterhalten", weiß Sonnberger.
Und wenn wir schon dabei sind: Streicht das Wort "Schamlippen" und "Schamhaare" aus eurem Sprachbestand! "Lasst uns stattdessen 'Vulvalippen' und 'Intimhaare' sagen. Sonst brauchen wir uns nicht wundern, dass unsere Beziehung zum weiblichen Geschlechtsorgan wortwörtlich schambehaftet bleibt", plädiert Sonnberger, "Unsere Aufgabe als Erwachsene ist es, unsere Kleinen in ihren noch unbefangenen Umgang mit ihrem Körper zu unterstützen und nicht abzuwerten. Wir müssen sie ermutigen, sich diesem liebevoll zu widmen."
Das macht auch die Protagonistin im Buch: Lina erforscht neugierig ihren Körper. Die Illustrationen werden mit wissenswerten und sachlichen Informationen ergänzt. Etwa, dass sich die Vagina, "das ist die Höhle, die nach innen geht", von selbst reinigt. Es wird die Menstruation thematisiert, ("Das ist ganz normal und keine Krankheit oder Verletzung."), erklärt, was in dieser Zyklusphase im Körper passiert und welche Möglichkeiten es gibt, das Blut aufzufangen – von Wegwerfbinden, Tampons bis zu Menstruationscups.
Sich eigene Unsicherheiten bewusst machen
Ein entspanntes Herangehen an Sexualität und unseren Körper ist wichtig. So weit, so richtig. Was aber, wenn man selbst einen eher verkrampften Zugang vermittelt bekommen hat? Wie schafft man für sich und seine Kinder mehr Offenheit? "Schritt für Schritt im eigenen Tempo und einer Intensität, die einen nicht überfordert", rät Sonnberger, "Ich kann gut verstehen, dass es nicht jedem gleich leicht fällt, über diese Themen zu sprechen. Man darf keinesfalls zu hart mit sich selbst sein. Es ist nie zu spät, an einer positiven Beziehung zu seinem eigenen Körper zu arbeiten. Das ist eine Investition in sich selbst, die sich auf jeden Fall auszahlt." Schönborn-Hotter ergänzt: "Und ehrlich aussprechen, wenn einem etwas peinlich oder unangenehm ist. Vor allem Kinder sind sehr feinfühlig und merken es ohnehin. Was auch immer hilft: Humor. Das schafft eine gewisse Leichtigkeit."