Wenn Mama und Papa alt werden, kann das längst erwachsene Kinder überfordern. Wie und wann spricht man Themen rund um Pflege am besten an? Zehn Anregungen, die den Zusammenhalt stärken und Herausforderungen gemeinsam meistern lassen.
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Oft beginnt es mit einem subtilen Gefühl. Mit dem Eindruck: Irgendwas ist anders als früher. Vielleicht ist das Bad nicht mehr so sauber oder deine Mama vergisst immer häufiger Dinge, von denen du ihr erzählt hast. Auf dem Küchentisch entdeckst du plötzlich Mahnungen, obwohl dein Papa immer sehr verantwortungsbewusst mit seinen Finanzen umging. Peggy Elfmann kennt das. In "Meine Eltern werden alt" erzählt die deutsche Autorin davon, wie die Demenz ihre Mutter langsam veränderte – und teilt anhand ihrer persönlichen Familiengeschichte wertvolle Anregungen, um seine Eltern im Alter rechtzeitig zu unterstützen.
Zuhören, aber wirklich
"Eines Tages merkte ich: Es ist zu spät. Mamas Krankheit war über die Monate und Jahre fortgeschritten. Da wäre viel Zeit zum Reden gewesen, aber wir hatten es lange nicht getan. Wir wollten festhalten an dem, was noch war", erzählt Elfmann. Heute weiß sie: Die richtigen Fragen zu stellen, ist eine der wichtigsten Vorbereitungen, um für seine Eltern im Alter da zu sein. Frage: Wie geht es euch wirklich? Was wünscht ihr euch im Alter? Und höre aufmerksam zu. Das schafft Vertrauen und ebnet den Weg für weitere Themen – die ja mitunter nicht immer angenehm sind. "Es braucht Zeit, viele Gespräche und Geduld, sodass Eltern lernen können, Verantwortung abzugeben und Hilfe anzunehmen." Aus eigener Erfahrung weiß die Autorin: "Überreden funktioniert nicht. Besser war es, immer wieder zu sprechen und zuzuhören."
Lieblingsmusik sammeln
Viele Pflegebedürftige werden wieder wacher und aktiver, wenn sie Musik hören, die sie gerne mögen, schreibt Elfmann. Sie rät: "Geht gemeinsam auf eine musikalische Reise und erforscht: Welche Lieder und Musikstücke waren und sind für deine Eltern wichtig?" Wer sich nicht sicher ist, welche Songs passen, kann sich die Charts der Jugendjahre seiner Eltern anschauen. Verschiedene Playlists mit Lieblingsliedern sind eine einfache Möglichkeit, schnell für Unterhaltung zu sorgen und positive Emotionen hervorzurufen – auch in trüben Phasen. Zudem kann die musikalische Untermalung zu Gesprächen anregen oder neue gemeinsame Erinnerungen schaffen. Damit der Effekt bleibt, ist es wichtig, Musik achtsam einzusetzen und die Playlists nicht bei jedem Besuch rauf und runter zu spielen.
Finanzen klären
Offen über die finanzielle Lage zu sprechen, ist eine wichtige Voraussetzung, um unterstützen zu können und auch abzuklären, welche Förderungen oder Versicherungen, zum Beispiel für Pflegemaßnahmen, infrage kommen. "Hier kann auch eine Beratung bei einer Verbraucherzentrale oder einem Pflegestützpunkt hilfreich sein", weiß Elfmann. Denn: "Pflegen und Kümmern kostet nicht nur Zeit und Energie, sondern auch Geld – und viele Menschen macht es arm." Deshalb: Hol das Thema aus der Tabuzone und die Sparbücher aus dem Schrank.
Plätze tauschen
Kennst du die Orte, an denen deine Eltern gerne Zeit verbringen? Wo sie Freunde und Bekannte treffen? Worauf sie auf keinen Fall verzichten wollen? Oft glauben wir, sie gut zu kennen – und wissen dann doch sehr wenig aus ihrem Alltag, vor allem, wenn wir nicht mehr im selben Ort leben. Nimm dir Zeit, um ihre Perspektive kennenzulernen, etwa bei gemütlichen Spaziergängen. Das macht es leichter, wichtige Entscheidungen zu treffen, wenn es darauf ankommt oder deine Eltern ihre Bedürfnisse nicht mehr so gut kommunizieren können.
Eine Alternative zum Auto finden
Gerade auf dem Land sind viele auf das Auto angewiesen – oder es zumindest gewohnt, sich nur so fortzubewegen. Rechtzeitig Alternativen auszuprobieren erleichtert es, den Führerschein abzugeben, und erspart dir als Tochter oder Sohn so einige Sorgen. Überlege: Kann jemand anderer Fahrten übernehmen, oder gibt es eine Mitfahrgelegenheit zum Supermarkt in der Nachbarschaft? Wo ist die nächstgelegene Bushaltestelle? Sind Taxis eine Option? Elfmann weiß aus eigener Erfahrung: Dieses Thema ist oftmals ein emotionales und mit gewisser Ausdauer verbunden. Doch: "Mit ein bisschen Geduld werden die Optionen auch Teil des Alltags."
Eine Modenschau machen
Klingt komisch? Sorgt aber auf spielerische Weise für Ordnung im Kleiderschrank und erleichtert den Alltag. "Hier geht es nicht darum, dass du deinen Eltern einen neuen Kleidungsstil vorschreibst und funktionelle Pflegekleidung einführst, sondern sie langfristig in ihrer Selbstständigkeit unterstützt", erklärt Elfmann. Irgendwann sei es für ihre Mutter beispielsweise eine Herausforderung gewesen, eine Bluse zuzuknöpfen. Also haben sie diese Kleidungsstücke einfach aussortiert. Ihr Tipp: "Sanfte Töne an den Tag legen, nicht kritisieren."
Feine Momente sammeln
Wann hast du das letzte Mal mit deinen Eltern gelacht? Oft sind wir so festgefahren in unseren Rollen, dass die Leichtigkeit zu kurz kommt. Elfmann rät deshalb: "Packt eine Kiste mit Herzensgegenständen", denn für viele alte Menschen bleibt das, was sie in ihrer Jugend erlebt haben, lebendig, während Aktuelles überfordernd wirkt. "So kann das Erinnern an schöne Erlebnisse oder das Beschäftigen mit lieb gewonnenen Objekten einen freudigen Moment bescheren." Was ihr in diese Kiste steckt, könnt ihr individuell entscheiden. Eine schöne Idee ist, Fotos von früher zu beschriften: "So können später auch Menschen, die deine Eltern nicht gut kennen und mit ihrer Vergangenheit nicht vertraut sind, ihnen von ihrer Lebensgeschichte erzählen, das Gedächtnis stärken und ein Lächeln aufs Gesicht zaubern."
Reisetaschen packen
"Manchmal muss es ganz schnell gehen", gibt Autorin Elfmann zu bedenken. "Ein Sturz von der Leiter oder eine Herzattacke benötigen sofortige medizinische Versorgung und oftmals die Behandlung im Krankenhaus." Muss man die nötigsten Dinge dann nicht erst mühsam zusammensuchen, erleichtert das die Situation ungemein. Finden deine Eltern diese Vorbereitung übertrieben, versuche herauszufinden, warum. Helfen könne, ihnen von deinen Gedanken und Sorgen zu erzählen und so anzumerken, dass du sie unterstützen möchtest. Neben Kleidung, Hausschuhen und Körperpflegeprodukten empfiehlt Elfmann, eine Notfallmappe mit wichtigen Dokumenten wie Impfpass, Organspendeausweis und eine aktuelle Medikamentenliste bereitzulegen.
Nimm dir Auszeiten
"Wir setzen Pflegen oft mit Körperpflege gleich, aber sich um die Eltern zu kümmern, umfasst so viel mehr", weiß Elfmann aus eigener Erfahrung. "Diese Aufgaben schleichen sich ins Leben hinein und werden ganz leise immer mehr." Die Autorin rät deshalb, alle Aufgaben und auch Fragen auf einer Liste festzuhalten. Und sich daran zu erinnern, warum man das alles macht, warum man unterstützen möchte. "Wir als Kinder müssen loslassen und uns verabschieden. Gleichzeitig heißt es, neue Verantwortung zu schultern. Deshalb ist es wichtig, dass du gut auf dich achtest. Selbstfürsorge ist die Basis! Nimm dir regelmäßige Auszeiten."
Über das Ende sprechen
Es ist ein heikles Thema und für alle Beteiligten sehr emotional. Doch auch, was das Ende betrifft, ist Vorbereitung wichtig, um Unsicherheiten vorzubeugen. "Sich als Kind das Sterben der Eltern vorzustellen, ist wohl eines der schwersten Dinge", so Elfmann. Sie rät, Fragen zu stellen: "Wie geht es dir damit? Und wie deinen Eltern? Mir half es, die Patientenverfügung zu haben und damit sozusagen die mütterliche Erlaubnis für gewisse Maßnahmen." Das Ende lasse sich natürlich nicht planen, "aber deine Eltern können Wünsche festhalten".
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