Nachhaltigkeit ist in aller Munde – und das selbstverständlich auch in puncto Mode. Zwar gibt es hier speziell in Zeiten von Ultra Fast Fashion noch einiges zu tun, aber auch viele Vorreiter. Ihr erklärtes Ziel: Upcycling – also Kleidung nicht einfach nur zu recyceln, sondern aufzuwerten.
- Was genau bedeutet Upcycling in Bezug auf Mode?
- Upcycling versus Recycling in der Mode
- Wie funktioniert das Nachhaltigkeitskonzept in der Mode?
- Diese Vorteile bietet Upcycling im Vergleich zur herkömmlichen Herstellung von Mode
- Vor welchen Herausforderungen steht Upcycling in der Mode?
- Diese 6 Modemarken und Designer:innen setzen erfolgreich auf Upcycling
- Fazit: Welche Zukunftsaussichten hat Upcycling in der Modewelt?
Was heute gehypt wird, ist morgen problematischer Textilmüll. Und die Ausmaße dessen sind weit größer, als so manche:r vielleicht denken würde: Rund 1,2 Milliarden Tonnen CO2 verursacht die Textilindustrie pro Jahr. Das ist mehr als der internationale Flugverkehr und die Kreuzschifffahrt zusammen. Mit fünf Prozent der globalen Emissionen zählt die Modebranche – hinter der Lebensmittel- und der Baubranche – zu den drittgrößten Verursachern von Treibhausgasemissionen. Auch giftige Chemikalien, die zur Produktion benötigt werden, belasten die Umwelt. Hinzu kommt, dass für die Herstellung von Kleidung jede Menge natürliche Ressourcen gebraucht werden.
Zur Veranschaulichung: Allein um ein Baumwoll-T-Shirt herzustellen, werden 2500 Liter Wasser oder mehr verbraucht. Angesichts dieser Problematiken werden die Rufe nach nachhaltiger Mode immer lauter. Eine beliebte Vorgehensweise, um Ressourcen zu schonen ist Upcycling. Wir stellen euch einige Vorreiter:innen in diesem Bereich vor.
Was genau bedeutet Upcycling in Bezug auf Mode?
Upcycling ist eine Form der Wiederverwertung, bei der Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen. Im Grunde genommen werden beim Upcycling bereits vorhandene Materialien bzw. bereits bestehende Kleidungsstücke verwendet, damit etwas Neues daraus entsteht. Zudem wird dadurch das alte Produkt aufgewertet.
Upcycling wird als ein wichtiger Teil der Kreislaufwirtschaft gesehen, dessen Ziel es ist, Kleidung so lange wie möglich im Umlauf zu halten. Darüber hinaus kann das Upcycling von Mode quasi als Antwort auf die Schnelllebigkeit der etablierten Modebranche gesehen werden, bei der das "aus der Mode kommen" eines Kleidungsstückes (meist bereits nach immer kürzer werdenden Zeitspannen) vorgesehen ist, um es gezielt mit neuen Trend-Pieces zu ersetzen.
Upcycling versus Recycling in der Mode
Der Hauptunterschied zwischen Upcycling und Recycling besteht darin, dass upgecycelte Kleidung aus vorhandenen Kleidungsstücken wieder verwendet wird, während recycelte Kleidung aus Materialien hergestellt wird, die zuvor abgebaut wurden. Upcycling verbindet außerdem das Recycling mit einer Aufwertung (deshalb auch das "Up" in Upcycling).
In der Praxis zählt dazu die Verwendung von Altmaterialien, fertigen Kleidungsstücken oder etwa Stoffen aus Restbeständen als Grundlage die Entwicklung innovativer Stoffe aus recycelten Fasern und Garnen sowie in weiterer Folge für die Herstellung neuer Produkte. Kurz gesagt: Upcycling ist mehr als reines Recycling. Aus ausrangierten Kleidern entsteht Mode, die nach Avantgarde aussieht und nicht nach Altkleidersammlung.
Wie funktioniert das Nachhaltigkeitskonzept in der Mode?
Das Konzept der Nachhaltigkeit in der Mode umfasst mehrere Aspekte wie den verantwortungsbewussten Umgang mit Umwelt, Sozialstandards und Wirtschaftlichkeit bei der Herstellung von Kleidung. Möchte ein Unternehmen nachhaltig agieren, dann verpflichtet es sich zur Einhaltung diverser Ziele, wie etwa den folgenden:
Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks durch minimale Nutzung von Ressourcen, Energie und Wasser
Vermeidung von schädlichen Chemikalien und Toxinen während des Herstellungsprozesses
Gewährleistung fairer Arbeitsbedingungen und Löhne für Arbeiter:innen in der Modeindustrie
Respektierung von Menschenrechten und Vermeidung von Kinderarbeit
Förderung von lokalen Gemeinschaften und traditionellen Handwerkstechniken
Produktion von langlebigen und qualitativ hochwertigen Produkten, die weniger oft ersetzt werden müssen
Anerkennung und Respektierung kultureller Vielfalt und traditioneller Handwerkskunst
Vermeidung von Ausbeutung und kultureller Aneignung
Diese Vorteile bietet Upcycling im Vergleich zur herkömmlichen Herstellung von Mode
Doch inwiefern kann Upcycling eine Perspektive sein, den "Take, Make, Dispose"-Teufelskreis zu durchbrechen? Tatsächlich bringt Upcycling viele Vorteile mit sich wie etwa Ressourcenschonung, Reduktion von Abfall und eine Verlängerung der Lebensdauer von Kleidung.
Darüber hinaus fördert Upcycling innovative Designansätze und kreative Lösungen, da Designer:innen mit begrenzten Ressourcen arbeiten und neue Wege finden müssen, um Materialien zu nutzen. Dadurch entstehen außerdem oftmals da Vorhandenes oft neu kombiniert und gestaltet wird. Auch dem Problem der Überproduktion in der Modeindustrie kann dadurch entgegengewirkt werden.
Last but not least kann Upcycling außerdem dazu beitragen, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Modeindustrie und bei Verbraucher:innen zu schärfen und zu einem Umdenken anzuregen.
Vor welchen Herausforderungen steht Upcycling in der Mode?
Als die ganze Welt im Lockdown lebte, boomte plötzlich Upcycling als Do-it-yourself-Trend auf TikTok, YouTube und Instagram. Doch sein amateurhaftes Image hat die Bewegung längst abgelegt, heute ist Upcycling selbst für große und mächtige Luxuskonzerne interessant. Und sogar Stars wie Usher und Beyoncé tragen die Looks von nachhaltigen Designer:innen wie Bianca Saunders und Marine Serre.
Dennoch gibt es da auch etliche Herausforderungen, vor denen die Branche in puncto Upcycling steht. So ist eine davon etwa die mangelnde Skalierbarkeit, da Upcycling-Produkte meist handgefertigt sind und deshalb nur schwierig im großen Stil reproduziert werden können. Auch die Preisgestaltung ist natürlich ein Thema, da upgecycelte Mode niemals mit den Preisen von kostengünstigen Fast-Fashion-Pieces mithalten kann. Insbesondere wenn unterschiedliche Materialien und Stile kombiniert werden, kann es zudem schwierig sein, einheitliche Qualitätsstandards einzuhalten.
Generell wird ein Umdenken in der Gesellschaft nötig sein, damit Upcycling eine breite Akzeptanz findet. Denn bis dato sind die meisten Menschen an schnelllebige Mode-Trends und ständig wechselnde Kollektionen zu meist niedrigen Preisen gewöhnt.
Diese 6 Modemarken und Designer:innen setzen erfolgreich auf Upcycling
Marine Serre
Quasi ein Zugpferd für die Upcycling-Bewegung in der Mode ist die französische Designerin "Marine Serre". Upcycling – sie selbst nennt es Regeneration – ist ein integraler Teil in ihrer Praxis. 2017 gewann sie den renommierten Modepreis "LVMH Prize for Young Fashion Designers" und präsentiert seit 2018 ihre Kollektionen auf der Pariser Fashion Week. Ganze 92 % ihrer Kollektionen sind aus regenerativen Elementen gefertigt. Zum Einsatz kommen unter anderem Stoffe aus Restbeständen, gebrauchte Kleidungsstücke sowie recycelte Fasern wie zum Beispiel aus Fischernetzen.
Freitag
Ein Blick auf das Schweizer Label "Freitag" zeigt, dass sich aus dem Upcycling-Gedanken durchaus ein erfolgreiches Geschäftsmodell entwickeln lässt – und das bereits seit ganzen 30 Jahren! Vermutlich kennen die meisten die bunten Messenger-Bags des Labels, die aus alten Lkw-Planen gefertigt werden. Gerade durch dieses Material mit seiner Vorgeschichte gelang es Freitag ein Bedürfnis nach Individualität zu befriedigen und sich zur Kultmarke zu entwickeln.
Maison Margiela
Ein berühmter Name gilt tatsächlich als einer der Vorreiter in puncto Upcycling: Die Rede ist von dem belgischen Designer Martin Margiela. Er war einer der ersten, der diese Praxis übernommen hat. Im Zuge seiner "Artisanal"-Kollektion verwandelte der Designer Vintage-Kleidung und Fundstücke in handgenähte Unikate und stelle dabei die Alterung von Kleidungsstücken infrage.
Avenir Berlin
In Handarbeit fertigt das Label "Avenir Berlin" neue Mode aus Textilabfällen und gebrauchter Kleidung. Die Ware bezieht die 2020 gegründete Marke von regionalen Großhändler:innen oder Hilfszentren. Nach Stationen bei "Givenchy", "Lavin" und "Jens Laugesen" zeigen die beiden Gründer Sophie Louise Claussen und Niklas Florian Schütt nun, wie hochwertig Upcycling-Fashion sein kann.
Produziert wird dabei nur, was vorab auch bestellt wurde: Alle vier Wochen startet eine neue Kampagne und die Pforten des Online-Shops von Avenir Berlin öffnen sich. Von da an haben Kund:innen zwei Wochen Zeit, sich für die zeitlosen Pieces zu entscheiden. Erst dann startet die Produktion. Im Shop und via E-Mail informiert das Label transparent über Produktions- und Lieferzeiträume.
Übrigens: Individuelle Schnitte kann das Team bei der Produktion ebenfalls berücksichtigen. Einfach im Kommentarfeld des Warenkorbs die Wunschmaße angeben und schon erhält man problemlos ein individuell angepasstes Kleidungsstück.
JW Anderson
"JW Anderson" lancierte eine aus bereits vorhandenen überschüssigen Materialien hergestellte, upgecycelte und gender-neutrale Capsule Kollektion. Durch die Verwendung von, für die Marke charakteristischen, Techniken wie Patchwork, Reverse Stitching und rohen, freiliegenden Nähten unterscheidet sich die Kollektion optisch kaum von den sonstigen Pieces der Designermarke.
Bianca Saunders
Upcycling als eine Methode der Resteverwertung ist für junge Designer:innen, die nur limitierte Ressourcen haben, oftmals der einzige Weg, ihre erste Kollektion überhaupt zu entwerfen. Auch die Londoner Designerin "Bianca Saunders" war zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn auf Stoffspenden angewiesen.
Doch seit ihrer ersten Kollektion 2017 hat sich vieles getan, 2023 präsentierte die Designerin durchsichtige Tanktops, bedruckte Shirts, geschlitzte Hosen sowie sexy Seidenhemden und geraffte cropped Oberteile auf dem Runway.
Zu ihren Fans zählen auch Stars wie etwa Usher. Zwar ist die Designerin heute nicht mehr auf Stoffspenden angewiesen, aber dennoch verwendet sie Reste für ihre Kollektionen, auch jene von anderen Designer:innen.
Fazit: Welche Zukunftsaussichten hat Upcycling in der Modewelt?
Trotz der oben beschriebenen Herausforderungen gewinnt die Upcycling-Bewegung in der Modeindustrie an Bedeutung, da sowohl Designer:innen als auch Konsument:innen zunehmend nachhaltige Alternativen einfordern. Die Chancen stehen also gut, dass dank Fortschritten in der Technologie sowie einer steigenden Nachfrage nach umweltfreundlicher Mode die Hindernisse für eine breite Umsetzung von Upcycling-Mode überwunden werden können.