Logo

Lachen ist Macht

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
6 min
Collage aus lachenden Mündern

©The Scissorhands
  1. home
  2. Politica
  3. Gesellschaft

Lächle doch mal! Aber nicht zu sehr – Frauen wird seit jeher vorgegeben, wie sie ihre Emotionen zeigen sollen. Nicht ohne Folgen. Über die politische Dimension beiläufiger Anmerkungen.

Wieso schaust du denn so ernst?“ – Wenn Frauen jedes Mal, wenn ihnen jemand diese Frage stellt, einen Euro bekommen würden, wäre das für viele ein nettes Nebeneinkommen. Denn von klein auf wird Mädchen gesagt, wie sie sich zu verhalten haben. Freundliches Lächeln? Bitte immer und überall. Lautes, unkontrolliertes Lachen? Lieber nicht. Schon gar nicht im beruflichen oder politischen Kontext. Sonst gelten Frauen schnell als aufdringlich. Oder wirken unprofessionell. Prominentestes Beispiel hierfür: Kamala Harris. Die Spitzenpolitikerin wurde im US-Präsidentschaftswahlkampf vergangenen Herbst für ihre Gefühlsausdrücke bei politischen Debatten scharf kritisiert. Donald Trumps entgleisende Mimik hingegen wird bis heute vergleichsweise kaum infrage gestellt. „Dabei ging es ganz klar um Hierarchie und Kontrolle“, kennt die deutsche Lachforscherin Laura Méritt die Hintergründe. „Diese Frauen machen den Mund auf, sie haben Gewicht, und das ist für die männliche Dominanz bedrohlich.“ Je weiter oben in der Hierarchie, desto strenger seien die Verhaltensanforderungen an weibliche Akteurinnen. Viele Politikerinnen oder Frauen in Führungspositionen präsentieren sich deshalb lieber ernst, „um nicht an Autorität einzubüßen“, beobachtet Méritt.

Spurensuche

Ehrlich drauflos zu lachen, bleibt männlichen Kollegen vorbehalten. Das untermauert eine Studie der University of Arizona aus dem Jahr 2021: Humorvolle Frauen wurden dabei als weniger qualifiziert wahrgenommen, während Männer, die Spaß verstehen, als kompetenter eingestuft wurden. Was hat es mit dieser ungleichen Wahrnehmung auf sich? Neben Machtverhältnissen spielt Sexualisierung eine Rolle, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Im 18. Jahrhundert etwa hielten sich Frauen am kaiserlichen Hof beim Lachen einen Fächer vor. „Die Öffnungen der Frauen wurden sexualisiert und waren gleichzeitig verpönt.“ Damit wurde das weibliche Schamgefühl befeuert – und die Bürgerinnen wurden unhörbar und infolgedessen unsichtbar gemacht. „Das schwächt das Selbstbewusstsein“, weiß Méritt. Frauen nahmen sich zurück. Der lange Hebel der Unterdrückung greift bis heute, ist Jenny Frankl, seit 2023 die erste künstlerische Leiterin des Wiener Kabarett Simpl, überzeugt: „Uns Frauen wurde lange eingepflanzt, dass wir auf eine gewisse Art auszusehen haben und uns benehmen müssen. Höflich sein, nicht laut lachen, keine Schimpfwörter benutzen“, sagte sie im Interview mit der Zeit. „Auch wenn wir sagen, so sind wir gar nicht mehr, ist das tief in uns verankert.“

Sich Raum zu nehmen und den Mund aufzumachen, ist oft noch sehr männlich geprägt .

Laura MérittLachforscherin

Lachprotest

Was wie aus der Zeit gefallen wirkt, löste in der jüngsten Vergangenheit eine politische Debatte aus: 2014 forderte der stellvertretende türkische Premierminister Bülent Arınç, Frauen sollten in der Öffentlichkeit nicht laut lachen, da es unsittlich sei. Es folgte ein Aufschrei in den sozialen Medien, wobei viele Userinnen als Protest unter dem Hashtag #Kahkaha (Lachen) Bilder posteten, auf denen sie genau das taten. „Das war eine schöne Aktion, die zeigte, dass das heute nicht mehr einfach so durchsetzbar ist“, ordnet Méritt ein. Dennoch: „Sich Raum zu nehmen und den Mund aufzumachen, ist oft noch sehr männlich geprägt.“ Dabei leiden Männer selbst unter diesem Konkurrenzverhalten, meint die Expertin. „Hierarchisches, bösartiges Lachen schadet sogar, da es Stress auslöst.“ Die Folge: „Schadenfreude und Managerkrankheit (Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems infolge körperlicher und psychischer Überlastung, Anm.) gehen miteinander einher.“

Positive Auswirkungen

Unter Frauen sei das integrative und soziale Lachen hingegen stärker verbreitet – selbst in Führungspositionen, belegen Studien: „Wir lachen miteinander, nicht übereinander.“ Das sei grundsätzlich auch die Funktion des Lachens, gibt Méritt zu bedenken. „Es ist an sich eine unglaublich positive Tätigkeit. Der Körper schüttelt sich durch, das entspannt, setzt Endorphine frei und hat eine heilende Wirkung.“ Setzt man es im Alltag bewusst ein, kann es sogar das Stresslevel senken. Doch je älter wir werden, desto weniger Anlass scheinen wir dafür zu haben: Während Kinder bis zu 400 Mal pro Tag lachen, reduziert sich das bei Erwachsenen auf nur noch um die 20 Mal täglich. Dabei bräuchte unsere Gesellschaft gerade jetzt mehr integratives Lachen: „Es stärkt das Gemeinschaftsgefühl und wirkt entwaffnend. So kann Humor online beispielsweise als Strategie gegen Hasskommentare eingesetzt werden.“

Deshalb: Das ist ein Aufruf, mehr Spaß zu haben – egal warum. Hauptsache, der Impuls kommt von innen und nicht als Anforderung von außen.

Über die Autor:innen

-20% auf das WOMAN Abo