©Elke Mayr
Der Stand weltweiter Frauenrechte ist laut dem UN-Weltbevölkerungs-Bericht trotz wichtiger Fortschritte weiterhin sehr schlecht. Zudem werden Frauenrechte zunehmend von politischen Persönlichkeiten für deren eigenen Vorteil polarisiert.
Im jährlichen Bericht über den Stand der Weltbevölkerung analysiert der UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) die Entwicklungen und Trends in der Weltbevölkerung sowie die besonderen Herausforderungen, denen sich bestimmte Regionen, Länder und Bevölkerungsgruppen gegenübersehen.
Aufgrund anhaltender Ungleichheiten für Frauen sind laut UNFPA-Report die Fortschritte in den letzten Jahren nicht ausreichend, wobei die am stärksten benachteiligten Frauen die geringsten Verbesserungen erfahren haben.
Fortschritte sind da, aber leider zu wenig
Unter dem Titel "Interwoven Lives, Threads of Hope: Ending Inequalities in Sexual and Reproductive Health and Rights" (zu deutsch: Verflochtene Leben, Fäden der Hoffnung: Überwindung von Ungleichheiten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte) werden in dem Bericht die Fortschritte der letzten drei Jahrzehnte betrachtet:
Die Zahl der ungewollten Schwangerschaften ist weltweit um fast 20 % gesunken.
Die Anzahl der Frauen, die moderne Verhütungsmethoden anwenden, hat sich verdoppelt.
Mindestens 162 Länder haben Gesetze gegen häusliche Gewalt erlassen.
Die Zahl der Todesfälle bei Müttern ist seit 2000 um 34 % zurückgegangen.
Der Bericht hebt jedoch hervor, dass diese Fortschritte aufgrund der anhaltenden Ungleichheiten nicht weitreichend genug waren, wobei die am stärksten benachteiligten Frauen die geringsten Verbesserungen erfahren haben.
Der Bericht weist aber auch darauf hin, dass...
... geschlechtsbezogene Gewalt nach wie vor fast überall an der Tagesordnung ist.
... fast die Hälfte der Frauen immer noch nicht in der Lage ist, ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit und ihre damit verbundenen Rechte in Anspruch zu nehmen.
... die Müttersterblichkeit seit 2016 nicht gesunken ist.
So sterben jeden Tag noch immer fast 800 Frauen während oder nach einer Geburt. Die Hälfte der Fälle betrifft Länder mit humanitären Krisen oder Konflikten. Fast jeder dieser Todesfälle wäre vermeidbar, wie Dr. Mahmoud Fathalla, ehemaliger Direktor des Sonderprogramms der Vereinten Nationen für menschliche Fortpflanzung schon 2012, eindringlich erklärte:
Mütter sterben nicht aufgrund von Krankheiten, die wir nicht behandeln können. Sie sterben, weil die Gesellschaften noch nicht die Entscheidung getroffen haben, dass es sich lohnt, ihr Leben zu retten.
Der Unterschied zwischen Leben und Sterben kann davon abhängen, wo eine Frau entbindet, denn die überwiegende Mehrheit der Todesfälle bei Müttern (über 70 %) ereignet sich in Afrika südlich der Sahara, wo viele der am wenigsten entwickelten Länder der Welt und die schwächsten Gesundheitssysteme zu finden sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau in dieser Region bei Schwangerschaft und Geburt an Komplikationen stirbt, ist etwa 130 Mal höher als bei einer Frau in Europa oder Nordamerika.
In Madagaskar beispielsweise haben die reichsten Frauen eine fünfmal höhere Wahrscheinlichkeit als die ärmsten, bei der Geburt fachkundige Hilfe zu erhalten und auf dem amerikanischen Kontinent sind Menschen afrikanischer Abstammung häufiger von geburtshilflichen Misshandlungen betroffen.
Die wichtigsten Botschaften des UNFPA-Berichts
Der UNFPA-Report 2024 thematisiert Ungleichheiten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte. Es wird argumentiert, dass es angesichts der zunehmenden Politisierung dieser Themen unerlässlich ist, "Spaltung abzulehnen und Zusammenarbeit anzustreben", um Fortschritte zu erzielen und Leben zu retten.
Der Bericht ruft zudem zu einem politischen Dialog auf, um Lösungen auf die jeweiligen Gesellschaften zuzuschneiden und dringend Finanzmittel für eine universelle Gesundheit und Rechte zu mobilisieren.
Ungleichheiten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte
Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind bis zu 10-mal häufiger von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen und erfahren zudem größere Hindernisse beim Zugang zu sexuellen und reproduktiven Informationen sowie entsprechenden Behandlungen.
LGBTQIA+ Menschen sind aufgrund von Diskriminierung und Stigmatisierung mit gravierenden gesundheitlichen Ungleichheiten konfrontiert.
Bestrebungen sind ins Stocken geraten oder sogar zum Stillstand gekommen
Laut dem Report gibt ein Viertel aller Frauen an, nicht in der Lage zu sein, "Nein" zum Sex mit ihrem Mann oder Partner zu sagen.
Jede zehnte Frau könne auch keine eigenen Entscheidungen über Empfängnisverhütung treffen und sexuelle Gewalt sei in nahezu jedem Land der Welt ein Problem.
Das bedeutet, dass trotz entsprechender Investitionen und Gesetzen die Entscheidungsfreiheit der Frauen über ihren eigenen Körper immer weiter abnimmt. Während die Gesundheitsbarrieren für die am meisten Privilegierten schneller gefallen sind, bleiben sie für die am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen jedoch bestehen.
Frauenrechte werden politisiert und Meinungen polarisiert
Der Bericht stellt ebenso fest, dass viele Staats- und Regierungschefs ihre politischen Strategien in Wahlzeiten darauf ausgerichtet haben, die Gesellschaft zu spalten.
Ängste über Migration sowie niedrige oder hohe Fruchtbarkeitsraten werden von einigen politischen Entscheidungsträgern als Waffe eingesetzt, um Abkommen über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte zu untergraben. Andere wiederum machen ihre Rechtssysteme ungerechter, indem sie beispielsweise die weibliche Genitalverstümmelung entkriminalisieren oder die Rechte von LGBTQIA+-Personen einschränken.
Gefährliche Stereotypen über Frauen, Mädchen und Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten werden allzu oft verbreitet, um Geschlechterungleichheit und Homophobie zu rechtfertigen.
Fortschritte sind möglich, wenn Spaltung abgelehnt und auf Zusammenarbeit gesetzt wird
Der Bericht ruft zu einem politischen Konsens auf, um passende Lösungen für die verschiedenen Gruppen zu finden und dringende Finanzmittel für die allgemeine Gesundheit und Rechte zu mobilisieren. Finanzielle Mittel retten Leben, während ein Mangel an Investitionen diese gefährdet.
Der Bericht betont, dass zusätzliche 79 Milliarden US-Dollar Investitionen (ungefähr 74 Milliarden Euro) in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen bis 2030 rund 400 Millionen ungeplante Schwangerschaften verhindern, eine Million Leben retten und wirtschaftliche Vorteilen bringen würden.
Zudem könnte die Ausbildung von mehr Hebammen die Zahl der Todesfälle bei Müttern und Neugeborenen um etwa 40 % senken und mehr als ein Viertel der Totgeburten verhindern.