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Kaum sinken die Temperaturen, steigen die Krankenstände. Ob man selbst von Husten, Schnupfen und Co. betroffen ist, liegt am Immunsystem. Wie kann man es unterstützen? Unsere drei Expertinnen haben die besten Tipps.
Es ist jedes Jahr dasselbe: Die Tage werden kälter, und du spürst, wie sich die erste Verkühlung nach dem Sommer mit Husten, Schnupfen und Fieber(blasen) anbahnt. Und wenn es so weitergeht, dann wird es auch nicht die letzte sein. Irgendetwas stimmt nicht mit deinem Immunsystem. Gleichzeitig sind da deine Freund:innen oder Bürokolleg:innen, die seit Jahren nicht mehr krank waren. Was machen sie besser? Erste Vermutung: Sie haben weniger Stress, ernähren sich gesünder, bewegen sich mehr. Aber gehen wir es mal von Anfang an durch.
Die Macht des Mikrobioms
Unser Immunsystem ist wie ein Wächter, der ständig auf der Lauer liegt. Versuchen schädliche Bakterien, Viren, Pilze, Keime oder Parasiten in unseren Körper einzudringen, wird sofort die Abwehr mobilisiert. Antikörper, Immunzellen und spezifische Wirkstoffe gehen auf die Fremdkörper los. Die Verteidigung sitzt in den Schleimhäuten, den Mandeln, der Thymusdrüse, der Milz, dem Knochenmark und den Lymphknoten und kann auf die natürliche Hautbarriere als Verbündete zählen. Vor allem aber hat sie ihre Truppen im Darm zusammengezogen. "Weit mehr als die Hälfte der Immunzellen finden sich dort", so Elisabeth Schartner, Internistin und Darmspezialistin. Je gesünder der Darm ist, desto mehr kann er zu einem gut funktionierenden Immunsystem beitragen.
Gesund heißt: Das Mikrobiom, also die Gesamtheit aller im Darm lebenden Mikroorganismen, besteht größtenteils aus nützlichen Bakterien, Pilzen und Viren. Durch sie kann der Darm verdauen und Energie liefern, aber auch seiner Aufgabe, Fremdkörper abzuwehren, bestens nachkommen. "Nützliche Arten wie Bifidobakterien oder Laktobazillen hemmen das Wachstum krankmachender Keime, neutralisieren schädliche Substanzen, unterstützen die Nährstoffaufnahme und produzieren lebenswichtige Vitamine" so Internistin Dr. Schartner, "außerdem trainieren sie das Immunsystem darin, zwischen guten körpereigenen Strukturen und bösen Viren und Konsorten zu unterscheiden."
Immunabwehr stärken
Das Mikrobiom, auch als Darmflora bezeichnet, entsteht erst während der Geburt. Die ersten wesentlichen Mikroorganismen erhalten Neugeborene von der Mutter. "Deshalb haben Kinder, die nicht durch eine natürliche Geburt, sondern per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen sind, eine weniger vielfältige Zusammensetzung der Darmflora", weiß die Ärztin. "Man sieht darin die Ursache, dass diese Kinder häufiger zu Infekten, Asthma oder auch Allergien neigen." Allerdings kann man sein Leben lang viel für das Mikrobiom und damit für die Immunabwehr tun. Beispielsweise durch die Ernährung, Bewegung und Entspannung. Nicht anzuraten sind hingegen Stuhltests zur Untersuchung der Darmflora. "Diesen fehle, wie die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten kürzlich publiziert hat, derzeit noch die wissenschaftliche Grundlage", so Dr. Schartner. "Sie sind teuer und sinnlos." Aber es wird intensiv auf diesem Gebiet geforscht.
Klarer sind die Antworten auf die Frage, warum im Herbst überhaupt so viele Menschen krank werden. Von Verkühlungen über grippale Infekte und echten Grippen bis zu Corona und Bronchitis reichen die Diagnosen. "Wir halten uns mehr in Räumen auf, haben dadurch mehr Kontakt zueinander", sieht Ärztin Dr. Claudia Radbauer einen der Gründe, warum die Ansteckungsgefahr steigt. Viren werden bei kälteren Temperaturen außerdem langsamer zersetzt und halten sich so länger auf Türklinken, Arbeitsplatten und Haltegriffen. Daher sollte man nicht darauf vergessen, sich regelmäßig die Hände zu waschen. "Kalte Temperaturen, aber auch beheizte Räume führen weiters zu trockener Luft, die die Schleimhäute austrocknet." Ohne schützende Schleimschicht kann sich der Körper nicht mehr so wirksam gegen Virusinfektionen der Atemwege wehren. Kalte Nasen werden außerdem weniger durchblutet, es zirkulieren weniger Abwehrzellen.
Mit Ernährung Erkältungen vorbeugen
Ein gut funktionierendes Immunsystem steckt das allerdings meist weg. "Mit der richtigen Ernährung kann man es dabei unterstützen", weiß Dr. Radbauer, die nicht nur Allgemeinärztin, sondern auch TCM-Medizinerin ist. Sie plädiert einerseits für die Vorteile der mediterranen Küche, hat aber aus der TCM noch ein paar Spezialtipps, die schon viele ihrer Patient:innen überzeugen konnten: "Man sollte in der kühleren Jahreszeit auf die leichte Verdaulichkeit von Speisen achten, mehr Gegartes als Rohkost und möglichst wenig Kaltes essen."
Mit einem warmen, hochwertigen Frühstück fängt der Tag schon gesund an. "Ein Getreidebrei aus Haferflocken, Dinkel- und Amarantflocken zum Beispiel, gekocht mit Wasser oder Getreidedrink. Ein paar Nüsse, Kerne, Samen dazu, etwas Obst, mit Kardamom, Vanillepulver, Zimt würzen, auch Ingwer, Nelke und Muskat sind zu empfehlen. Die letzten vier Gewürze fallen unter ‚heiß und scharf‘, das soll die Hautporen öffnen und so Viren und Bakterien vertreiben." Mit Lindenblüten- oder Holunderblütentee wird der Effekt noch verstärkt.
Power-Food von Bienen
Besonders gut "schmecken" dem Immunsystem chinesische Kraftsuppen. "Dafür wird Gemüse aller Art, auch mit Fleisch, wenn man mag, und chinesischen Kräutern über viele Stunden lang geköchelt. Zwiebeln, Karotten, Sellerie, Lauch, Petersilienwurzel, Ingwer, Bockshornkleesamen wäre eine Variante. Im abgeseihten Sud sind alle wertvollen Nährstoffe konzentriert enthalten."
Ein wahres Power-Food für die Darmflora und damit unsere körpereigene Abwehr sind sämtliche Bienenprodukte wie Gelee Royale, Propolis-Tropfen oder Blütenpollen. Gibt’s in Reformhäusern oder direkt beim Imker. Weiters ist selbst gemixtes Oxymel ein Geheimtipp in Sachen Widerstandskraft: Dafür mischt man 300 Gramm Honig mit 100 Gramm nicht pasteurisiertem Apfelessig und fügt Zitronenschale und Ingwer dazu. Fertig ist der Zaubertrank. "In der Chinesischen Medizin geht es immer darum, die Mitte zu stärken", so die Expertin, "darunter versteht man die Verdauungskraft. Wenn sie stark ist, kann sie genug Qi – Energie – produzieren. Das gelingt, wenn man sich generell gut ernährt: wenig Süßes, wenig Alkohol, wenig kalte Getränke, weniger Rohkost, eher weniger Brot und Gebäck und Milchprodukte."
Was wir weiters oft nicht beachten, ist die Empfehlung, täglich genügend Eiweiß zu essen: Ein Gramm pro Kilo Körpergewicht sollte es sein. Da sind sich Expert:innen aller Richtungen einig. "Egal ob tierisches oder pflanzliches Protein. Ob Hülsenfrüchte, Tofu, Nüsse, Samen, Pilze, Gemüse, Getreide, Eier oder hochwertiges Fleisch: Nur wenn man ausreichend Eiweiß zu sich nimmt, kann der Organismus genügend Abwehrkörper gegen Krankheitserreger produzieren", so Dr. Radbauer.
Schädliche Stresshormone
Es gibt Zeiten, da ist man einfach nicht so gut drauf wie sonst. Der Herbst mit seinen kürzer werdenden Tagen ist dafür prädestiniert. Muss einen ausgerechnet da auch noch eine Grippe heimsuchen? Ja, leider, denn: "Emotionale Belastungen wie Kummer und Sorgen wirken sich negativ auf unseren Körper aus", weiß Dr. Laura Stoiber, Klinische- und Gesundheitspsychologin. "Stresshormone wie etwa Cortisol und Adrenalin, die in diesen Situationen in übermäßigen Mengen freigesetzt werden, stören das Gleichgewicht unseres Körpers." Längerfristige Belastungen versetzen den Organismus in einen dauerhaften Alarmzustand, "und das erschöpft Ressourcen, die normalerweise zur Heilung und Bekämpfung von Krankheiten eingesetzt werden."
Meditation entspannt
Das Immunsystem reagiert auf Stress, indem es entweder überaktiv wird, was zu Entzündungen und Autoimmunerkrankungen führen kann, oder schwächer arbeitet, was uns anfälliger für Infektionen macht. "In beiden Fällen zeigt sich, wie eng Psyche und Immunsystem miteinander verbunden sind", betont die Expertin. Das relativ neue Fach der Psychoneuroimmunologie, das auf die Wechselwirkungen zwischen Psyche, Nervensystem und Immunsystem eingeht, wird zunehmend in der Praxis angewendet. "Stressbewältigungstechniken, Meditation und psychologische Behandlung können zweifellos großen Einfluss auf eine bessere körperliche Gesundheit haben."
Dafür, dass Depressionen und eine geschwächte Immunabwehr oft Hand in Hand gehen, gibt es schon länger wissenschaftliche Beweise. "Depressionen erzeugen häufig chronischen Stress, was zu einer Überproduktion von Cortisol führt. Das reduziert die Kraft des Immunsystems, erhöht das Entzündungsgeschehen und begünstigt die Entstehung weiterer Krankheiten." Aber auch der umgekehrte Fall, dass entzündliche Prozesse Depressionen überhaupt erst auslösen, ist Forschungsobjekt und könnte ganz neue Behandlungsmöglichkeiten erschließen.
Positiv bleiben lohnt sich
Um die körpereigene Abwehr von der Psyche her zu stärken, kommen, wie erwähnt, Methoden zur Stressbewältigung wie Achtsamkeitstraining, Yoga oder Meditation infrage. "Sehr wichtig sind auch tiefer gehende positive soziale Beziehungen", unterstreicht Psychologin Stoiber. "Sie verringern die negativen Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem nachweislich." Einsamkeit kann bekanntlich krank machen. Und nicht zuletzt geht es um Sport und Bewegung: "Körperliche Aktivität fördert die Ausschüttung von Glückshormonen, was Stresshormone reduziert und das Immunsystem stärkt." Und was immer einen sonst noch in positive Stimmung versetzt, sollte man unbedingt praktizieren. Singen, in der Sauna schwitzen, ins Kabarett gehen.
"Studien zeigen", so Psychologin Stoiber, "dass Menschen mit einer optimistischen Lebenseinstellung tendenziell niedrigere Entzündungswerte und ein stärkeres Immunsystem haben." Es geht nicht darum, negative Gefühle zu ignorieren, sondern darum, eine resiliente Denkweise zu entwickeln, bei der man konstruktive Wege zur Bewältigung von Stress und Herausforderungen findet. "Hilfreich können dabei Techniken wie Gratitude Journaling, also ein Dankbarkeitstagebuch, sein, die das Bewusstsein für positive Aspekte des Lebens schärfen und die Psyche stärken. Worüber sich auch das Immunsystem freut."
Die besten Immuntipps
Ausreichend trinken. Vor allem Wasser und Tee. Mangelt es an Feuchtigkeit, trocknen die Schleimhäute aus, Viren und Bakterien können nicht ausreichend abtransportiert werden.
Get moving. Bewegung, am besten an der frischen Luft, baut Stress ab und regt die Durchblutung an. Ob Gehen, Laufen oder Radfahren – Killerzellen und Antikörper sind dann auch wesentlich aktiver.
Gute Nacht. Genügend Schlaf ist unbedingt notwendig für ein gut funktionierendes Immunsystem. Bereits drei Stunden Schlafentzug machen unseren Körper anfälliger für Eindringlinge.
Gegenspieler. Alkohol und Nikotin bringen alles durcheinander. Beide hemmen die Abwehrzellen in ihrer Aktivität und stören bei der Arbeit, Krankheitserreger aufzuspüren.
Nahrungsergänzung. Der Vitamin-D-Spiegel ist wichtig und sollte regelmäßig überprüft werden. Besonders im Herbst und Winter, wenn zu wenig Sonne scheint. Ein Mangel sollte mit Tropfen oder Tabletten ausgeglichen werden. Andere Nahrungsergänzungsmittel sollten bei ausgewogener Ernährung nicht notwendig sein.
Singen ist gesund. Ein Solo-Konzert unter der Dusche? Unbedingt weitermachen! Singen baut nachweislich Stress ab.