Blick in ein Basalzellkarzinom, einer Hautkrebsart, die am häufigsten an sonnenexponierten Hautstellen wie dem Gesicht auftritt. Bei schneller Behandlung ist die Prognose gut, da in den allermeisten Fällen keine Metastasen gebildet werden.
©StocksyAn die 400.000 Menschen leben in Österreich mit der Diagnose Krebs. Aber sie leben immer länger, und viele von ihnen werden geheilt. Was die Medizin heute schon kann und was sie in Zukunft können wird, zeigen der renommierte Onkologe Christoph Zielinski und Journalist Herbert Lackner in einem neuen Buch. Wir haben die Details.
Keine Krankheit ist, wie Mediziner:innen Krankheit, wissen, gefürchteter als Krebs. Auch wenn es andere Leiden mit weit weniger Heilungschancen (ALS beziehungsweise schwere Herzmuskelschwäche) gibt. "Die Furcht beruht darauf, dass er einerseits sehr häufig auftritt und man sich andererseits vor vielen Krebsarten nur sehr schwer schützen kann", so Univ.-Prof. Dr. Christoph Zielinski, einer der führenden Onkologen Österreichs. "Denn auch wenn man versucht, durch entsprechenden Lebensstil etwa, gesund zu bleiben, gibt es keine Garantie dafür."
Die gute Nachricht: Auch wenn, bedingt durch die gestiegene Lebenserwartung, immer mehr Menschen mit der Diagnose Krebs konfrontiert sind "leben sie immer länger, und viele von ihnen werden geheilt", so Zielinski. "Dank neuer Therapieformen sinkt die Krebsmortalität seit 2016 pro Jahr um etwa zwei Prozent. Patient:innen mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen, die früher nur noch wenige Monate zu leben hatten, bekommen so weitere Lebensjahre, und das in vertretbarer Qualität. Fünf Jahre nach der gefürchteten Diagnose Melanom (schwarzer Hautkrebs) leben heute etwa noch mehr als 90 Prozent."
Auch bei früh erkanntem Brustkrebs und Prostatakrebs liegt die Fünfjahresüberlebensrate an der 90-Prozent-Marke, bei Darmkrebs befindet sie sich bei zwei Drittel. Selbst bei fortgeschrittenem Lungenkrebs, einer die noch vor wenigen Jahren rasch zum Tod führte, kann Patientinnen und Patienten durch moderne Behandlungsmethoden Lebenszeit geschenkt werden. Hodenkrebs, der meist junge Männer befällt, ist heute in fast allen Fällen heilbar. In ihrem Buch "Dem Krebs auf der Spur" zeigen Zielinski und der Journalist Dr. Herbert Lackner die Erfolgsgeschichte der Forschung auf. "Wir wollten ein Mutmach-Buch schreiben“, so Co-Autor Lackner, "und aufzeigen, was die Krebsmedizin bereits heute vermag und wie sie sich bis zum Jahr 2050 weiterentwickeln wird." Schauen wir uns das näher an …
Rauchen spielt bei 90 Prozent aller Krebsarten eine Rolle
Inzwischen weiß man schon sehr gut, worauf Krebserkrankungen zurückzuführen sind: "Vererbt sind etwa zehn bis 20 Prozent", so Onkologe Zielinski. "60 Prozent sind Lebensstil, der Rest ist Schicksal –wenn etwa ein Nichtraucher Lungenkrebs bekommt." Ein gesunder Lifestyle als Vorsorge heißt: Keinesfalls rauchen, Übergewicht vermeiden, sich ausreichend körperlich bewegen, Alkohol nur in Maßen, richtige Ernährung – am besten mediterrane Kost mit wenig Fleisch und wenig Fett.
Wer sich noch nicht vom Glimmstängel verabschiedet hat, sollte das schnellstens tun. "Rauchen spielt bei 90 Prozent aller Krebsarten eine Rolle", warnt Zielinski. "Auch bei solchen, bei denen man es nicht erwarten würde, wie etwa dem Gebärmutterhalskrebs."
Nebenwirkungen immer besser im Griff
"Alle Menschen fürchten die Krankheit Krebs, aber mindestens ebenso viele fürchten sich vor der Therapie", bringt es Lackner auf den nächsten wichtigen Punkt. Die meisten denken dabei an die Chemotherapie und Nebenwirkungen wie unkontrollierbaren Brechreiz. Aber es hat bei der Verträglichkeit der Therapie große Fortschritte gegeben. "Haben sich Patient:innen in den 1980er-Jahren noch wortwörtlich die Seele aus dem Leib gekotzt, so sitzen die Leute mit derselben Krankheit heute im Spitalzimmer, essen in aller Ruhe Frühstück und lesen die Zeitung." Neue Medikamente machen das möglich.
Aber auch andere Nebenwirkungen, wie erhöhte Infektanfälligkeit, bekommt die Medizin immer besser in den Griff. Sogar der besonders von Frauen gefürchtete Haarausfall ist nicht mehr unabdingbar. Seit einigen Jahren sind Kühlhauben am Markt, die die Blutversorgung der Kopfhaut mindern, wodurch die Haarwurzeln nicht so leicht von der Chemotherapie "angeflutet" werden können. Abgesehen davon gibt es manche Chemotherapeutika schon in Tablettenform, was nicht nur die Haarwurzeln schont. Der Wirkstoff wird dann nämlich langsamer als bei einer (bisher üblichen) Infusion freigesetzt.
Was die Strahlentherapie betrifft, so wird sie "durch den technischen Fortschritt immer gezielter anwendbar sein, auch in Kombination mit anderen Methoden", so Zielinski. Bestrahlungen werden, wie gesagt, gezielt eingesetzt, "wenn man nur eine Stelle zu bekämpfen hat". Geht das Problem allerdings von mehreren Stellen aus, etwa durch Metastasen, dann ist Chemotherapie das Mittel der Wahl "denn sie geht ins ganze System". Dabei wurden die Bestrahlungen schon enorm verbessert.
"Wo früher bei Brustkrebs etwa fünf Wochen notwendig waren, sind es heute nur mehr drei", skizziert der Mediziner den Fortschritt und holt gleich weiter aus: "Brustkrebs ist, zumindest bei uns, die häufigste Krebsart bei Frauen. Seit 1989 ist die Sterbequote um 44 Prozent gesunken, das ist schon sehr beeindruckend." Die Gründe liegen, so meint er, in der erwähnten Kombination diverser Methoden: "Verbesserte Früherkennung, sensiblere Anti-Hormon-Therapien und bei nicht hormonabhängigem Brustkrebs der zusätzliche Einsatz von Immuntherapie und Antikörpern."
Dickdarmkarzinom betrifft auch immer mehr Jüngere
Je früher man Tumoren erkennt, desto besser stehen klarerweise die Chancen. Regelmäßig eine Mammografie zu machen, sollte selbstverständlich sein. "Das weitverbreitete Dickdarmkarzinom, das auch immer mehr jüngere Leute betrifft, kann man sogar ganz verhindern, indem man zur Koloskopie geht", ermutigt Zielinski. "Dabei werden Polypen im Darm, so es welche gibt, abgetragen und können sich nicht mehr zu Krebs entwickeln."
Schützenhilfe bekommt die Früherkennung insgesamt durch neue diagnostische Methoden wie die "Positronen-Emissions-Tomografie" (PET). "Das System kann die Ausbreitung von Tumorzellen an ihrem gesteigerten Stoffwechsel erkennen." Es steht aber erst am Anfang seiner Entwicklung. Die KI wird in der Röntgendiagnostik für einen nie da gewesenen Innovationsschub sorgen. Röntgenbilder können dann viel genauer analysiert werden.
Neue Antikörper helfen dem Immunsystem
Der Einsatz der erwähnten Antikörper gilt als große Errungenschaft. Zwei Wissenschafter erkannten, dass das Immunsystem des menschlichen Körpers nicht genügend Abwehrstoffe produzieren kann, um Tumoren auszuschalten. Die beiden Forscher, spätere Nobelpreisträger, entwickelten eine Methode, diese Antikörper zu erzeugen und zuzuführen. Ein besonders wichtiger Erfolg gelang damit vor allem bei der Behandlung aggressiver Brusttumoren.
Ebenso bei der Bekämpfung von Lymphknotenkrebs und Hautkrebs in fortgeschrittenem Stadium wirkte die neue Antikörper-Therapie – sie wurde im Jahr 2010 erstmals eingesetzt –, wahre Wunder. Fortgeschrittener Hautkrebs galt davor als unbehandelbar und führte mit einem dramatischen Verlauf zum Tod. Heute kann man das maligne Melanom bezwingen und sogar heilen. Auch bei bestimmten Formen eines Lungenkarzinoms kann die Antikörpertherapie Betroffenen zumindest – qualitativ – gute Lebenszeit schenken.
Die Immuntherapie wiederum beruht, wie Krebsspezialist Zielinski erklärt, auf folgendem Prinzip: "Krebszellen können weiße Blutkörperchen, die Waffen des Immunsystems, so weit lähmen, dass sie den Tumor nicht mehr angreifen können. Durch die neue Therapie wird das unterbunden, und die weißen Blutkörperchen sind wieder imstande, ihrer lebenswichtigen Arbeit nachzugehen."
Geforscht wird auch an weiteren Impfungen
Seit 2006 gibt es die erste Impfung, die vor einer Krebserkrankung schützt, nämlich jene gegen das "humane Papillomavirus" (HPV). Es ist die Ursache für Gebärmutterhalskrebs, aber auch für Anal-, Mund- und Rachenkarzinome. Geforscht wird inzwischen an einer Impfung die nicht präventiv gegeben, sondern dem bereits erkrankten Menschen verabreicht wird. Sie soll, wie man es schon von den mRNA-Impfungen gegen Corona kennt, die Mobilisierung einer körpereigenen Abwehr gegen Tumorzellen auslösen.
"Die Impfung", so Onkologe Zielinski, "gibt dem Körper sozusagen eine Software, mittels der er selbst Immunzellen zur Tumorbekämpfung produzieren kann." Krebs kann nämlich auch durch Viren oder Bakterien entstehen. So kann das Hepatitis-B-Virus Leberkrebs bedingen, Bakterien wie Helicobacter pylori ein Magenkarzinom.
KI kann Millionen von Vergleichen ziehen
Noch ungeahnte Möglichkeiten birgt die künstliche Intelligenz, die aber, wie Zielinski sicher ist, "die Krebsmedizin revolutionieren wird". Ob in der Diagnostik, bei Röntgenuntersuchungen, Medikamentenwicklung oder bei der Typisierung von Gewebe: "Mittels KI lassen sich Gewebeschnitte innerhalb weniger Sekunden mit Millionen anderen Gewebeproben in Archiven der ganzen Welt vergleichen", so der Experte. "Was deren Interpretation noch genauer machen wird. Schon in naher Zukunft können Gewebeschnitte noch während Krebsoperationen genau analysiert werden – ein großer Fortschritt für die Chirurgie."
Eine ebensolche Entwicklung werden sogenannte Wearables für behandelnde Ärzt:innen sein. "Schon jetzt gibt es bestimmte Fitness-Uhren für Herzpatient:innen, die dem Arzt bestimmte Daten übertragen", so Autor Lackner. "Entsprechend aufgerüstete Uhren könnten in gar nicht so ferner Zukunft auch Anomalien erkennen, die auf eine Krebserkrankung hinweisen. Mit KI lassen sich diese Daten dann in Sekundenschnelle mit Millionen anderen vergleichen."
Zahlen und Fakten
Die Todesrate bei Krebserkrankungen hat abgenommen, die Herausforderungen sind dennoch weiter groß.
• In Europa erkranken alljährlich rund 2,8 Millionen Menschen an Krebs.
• In Österreich leben circa 400.000 Menschen mit einer Krebsdiagnose.
• Es gibt hierzulande über 44.000 Neuerkrankungen pro Jahr und über 20.000 Sterbefälle. Aber: Patient:innen leben immer länger, und viele von ihnen werden geheilt.
• Allein in den letzten fünf Jahren hat die Todesrate bei Männern um 6,5 und bei Frauen um 4,3 Prozent abgenommen.
• Trotz aller Erfolge steht die Forschung etwa beim Krebs der Bauchspeicheldrüse, der Lunge und des Magens noch vor großen Fragen. Die Fünfjahresüberlebensraten betragen hier zwischen 10,5 und 34,4 Prozent. Bei Brustkrebs etwa sind es schon 84,8 und bei Prostatakrebs 90,2 Prozent.
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