Für viele ist es ganz selbstverständlich: Mit 17 Jahren steigt man zum ersten Mal in den Fahrschulwagen, düst mit dem L-Taferl durch die Gegend, quält sich durch die Theoriefragen, vermasselt vielleicht ein-, zweimal die Fahrprüfung und hat zum Schluss den Führerschein in der Tasche.
Ich kam, sah und siegte – wie schön wäre es, wenn man das Thema Fahrschule damit abhaken könnte? Die Wirklichkeit sieht für einige aber ganz anders aus: Sie haben schlechte Erfahrungen mit dem Autofahren gemacht, sind vielleicht ewig nicht mehr selbst am Steuer gesessen – und haben dadurch eine tiefe Unsicherheit oder gar Angststörung entwickelt. Hilfsangebote kommen von VerkehrspsychologInnen oder VerhaltenstherapeutInnen. In einer klassischen Gesprächstherapie oder Beratung können Ängste thematisiert und nach und nach aufgelöst werden.
Mit einem Ziel vor Augen fährt es sich leichter
Daniela Jahn und Sieglinde Bernauer haben eine Strategie entwickelt, die dagegen hilft: In Kooperation mit der "Fahrschule beim AKH" bieten die zwei Frauen eine Mischung aus Einzelcoaching – durchgeführt von Lebens- und Sozialberaterin Sieglinde Bernauer – und praktischen Fahrstunden von Daniela Jahn an. "Unser Service 'Angstfrei fahren' ist sehr pragmatisch. Die KundInnen definieren ein genaues Ziel, das sie mit unserer Hilfe erreichen wollen", erklärt Bernauer, "und wir stellen von Anfang an klar, dass wir die Angst nicht wegzaubern können. Sie müssen selbst daran arbeiten."
Die Hintergründe ihrer KlientInnen sind vielfältig, erklärt Fahrlehrerin Jahn: "In all den Jahren haben wir keine einzige idente Geschichte gehört." Trotzdem gibt es Aspekte, die alle eint: Sie sind vermehrt weiblich und zwischen 20 und 60 Jahre alt. Außerdem treiben sie ähnliche Motive zu den TrainerInnen: Der Transport der Kinder, der Verlust des fahrenden Partners, der Umzug von Stadt zu Land (und umgekehrt) oder der Wunsch, auch im Alter mobil zu sein. Wichtig sei es, von dem Irrglauben wegzukommen, dass alle gern und gut fahren, betont Bernauer: "Manche müssen mit dem Auto von A nach B kommen, weil es nicht anders geht. Es reicht, wenn man diese Strecke sicher meistert. Der oder die Beste zu werden – das ist nicht unser Anspruch."
Die Angst sitzt mit im Wagen
Ihr Konzept basiert auf einer Erfahrung von Fahrlehrerin Daniela Jahn: Vor ihrer Arbeit als Coach habe sie bei einer praktischen Fahrprüfung ausgeholfen. Sie ließ eine Kandidatin ein paar Runden am Übungsplatz drehen. Plötzlich hatte die junge Frau eine Panikattacke. Jahn wusste zuerst nicht, wie sie darauf reagieren sollte, doch dann hörte sie auf ihr Bauchgefühl: "Ganz spontan habe ich mit ihr eine Visualisierungsübung gemacht. Nach ungefähr zehn Minuten war sie wieder ruhig." Die Kandidatin schaffte die Prüfung und bedankte sich mit folgenden Worten bei der Lehrerin: "Du solltest mit Menschen arbeiten, die Fahrängste haben."
Auslöser für die Angst können ein Unfall, ein Zwischenfall in der Fahrschule oder eine brenzlige Situation im Straßenverkehr sein – meistens steckt aber noch eine tiefer liegende seelische Wunde hinter der Panikreaktion. Und die hat zum Teil nichts mit dem Autofahren zu tun. Themen wie Versagensängste, Kontrollsucht und starkes Leistungsdenken beeinflussen den Alltag vieler Menschen und so natürlich auch das Fahren. Deshalb strebt das Duo einen Perspektivenwechsel bei seinen KundInnen an: "Wir wollen alte, negative Emotionen mit neuen, positiven überlagern", sagt Bernauer.
Dass sie ein Frauen-Duo sind, spielt bei dieser Arbeit übrigens eine große Rolle, erklärt die Sozialberaterin: "Wir hatten sogar kurzfristig einen Mann an Bord, aber alle wollten lieber mit Daniela fahren." Sie könne einfach besser mit den Ängsten und Sorgen umgehen, hieß es damals von den KundInnen. Bernauers These: "Wer offen über seine Furcht spricht, zeigt Schwäche. Da tritt das innere Kind zum Vorschein. Und an wen wendet sich ein Kind in Not? An die Mama. Vielleicht sehen uns die KlientInnen deshalb als eine Art Mutterfigur."
Wer alleine im Auto sitzt, sollte allzu starkes Grübeln vermeiden, erklärt Fahrtrainerin Jahn: "Beim Autofahren geht es um Emotionen und das Bauchgefühl. Es gibt Tage, an denen man besser und andere, an denen man schlechter fährt." Wichtig sei, die Selbstsicherheit der FahrerInnen zu stärken und ihnen zu zeigen, dass stressige Situationen im Verkehr dazugehören. Da darf man sich auch mal laut aufregen oder schimpfen: "Hauptsache, man ist nicht böse auf sich selbst", so Jahn.
Es sei nie zu spät, das angstfreie Fahren zu lernen, betonen Jahn und Bernauer: "Es erfordert Mut, über die eigenen Ängste zu sprechen. Umso stolzer kann man sein, wenn man sich ihnen gestellt hat."