
Er ist ein Alleskönner unter den Muskeln: Der Psoas verbindet die obere und die untere Körperhälfte, stabilisiert Wirbelsäule und Becken. Was hilft, wenn er schmerzt, und wie wir ihn nachhaltig in Bewegung bringen, erklärt Expertin Kristin Adler.
Wir sitzen im Auto, im Bus, am Schreibtisch und abends auf der Couch vorm Fernseher – acht Stunden am Tag und mehr sind bei den meisten keine Seltenheit. Dabei soll Sitzen, wie Studien ergaben, die Lebenserwartung stärker reduzieren als Rauchen. Der Bewegungsmangel verändert unter anderem unseren Stoffwechsel, was zu zahlreichen Krankheiten führen kann. Zwischendurch immer wieder aufstehen, ein paar Schritte gehen, die Treppen statt des Aufzugs nehmen, kann schon viel bringen. Und vor allem auch den Psoas immer wieder dehnen. "Wen?", fragst du jetzt vielleicht und bist damit in bester Gesellschaft.
Denn auch wenn der Musculus iliopsoas, wie er richtig heißt, unser wichtigster Hüftbeugemuskel ist, kennen ihn die meisten nicht. Die Beschwerden, die er macht, wenn er durch zu viel Sitzen zu schwach, verkürzt oder verspannt ist, allerdings umso besser. "Dann kann er das Becken nicht mehr in einer aufgerichteten Position halten", weiß Physiotherapeutin Kristin Adler. "Er zieht die Lendenwirbelsäule nach vorn ins Hohlkreuz und kippt das Becken in eine Entenpo-Haltung." Die Beweglichkeit ist eingeschränkt, wir haben Rückenschmerzen, und es zieht in Oberschenkeln und im Po.
Echtes Multitalent
"Ohne Psoas gibt’s keinen beschwingten Gang und keine schöne Körpersilhouette", so Kristin Adler, die dem tief im Bauchraum liegenden Muskel gemeinsam mit ihrem Kollegen Arndt Fengler ein Buch gewidmet hat. "Psoas Training für Vielsitzer" (Thieme, € 22,61) möchte uns beweglicher machen. Denn den Hüftbeuger brauchen wir für so vieles: um aufzustehen, eine Treppe hinauf- oder hinunterzugehen, um zu springen oder Fahrrad zu fahren, für aufrechte Haltung … Der Psoas besteht aus drei Teilen: dem großen und dem kleinen Lendenmuskel sowie dem Darmbeinmuskel. Diese Muskelgruppe verläuft rechts und links vom Lendenwirbelsäulenbereich über die Hüfte zum Oberschenkel. Ein verspannter Psoas kann aber auch Belastungen verursachen, die über die Knie bis in die Füße wirken. Der zentral gelegene Hüftbeuger wird auch "Seelenmuskel" genannt, denn wenn wir unter Stress stehen, spannen wir ihn unbewusst an, was unsere Organe einengt und die Atmung ungünstig beeinflusst. Ein entspannter Psoas sorgt hingegen dafür, dass wir uns gut fühlen.
Wir stellen dir mit der Expertin ein Basis-Trainingsprogramm vor, das du regelmäßig alle zwei bis drei Tage mit einem Übungsumfang von drei Mal zehn Wiederholungen machen solltest. Ran ans Stretching!
Kobra


In Bauchlage gehen und aus dieser in den Unterarmstütz. Zehenspitzen aufstellen. So bringst du Leiste und Hüftbeuger in eine entsprechende Dehnung. Zieht es beim Psoas-Strech ein bisschen? Gut so. Nach zehn bis zwölf Atemzügen sollte die Spannung spürbar nachlassen. Reduziert auch den Zug auf die Wirbelsäule, der häufig für Rückenschmerzen verantwortlich ist.
Schulterbrücke


Um die Hüftmuskulatur auszubalancieren, sollte dein Psoas dehnbar sein und deine Gesäßmuskulatur über genug Kraft verfügen. Trainiere aus der Rückenlage. Beine hüftbreit aufgestellt, Arme liegen seitlich, ein Polster im Nacken stützt zusätzlich. Heb das Becken an, bis Schultergürtel und Kniegelenke eine Linie erreichen. Becken absenken, ohne es abzusetzen, und wieder anheben.
Donkey Kick


Jetzt wird’s noch ein bisschen anspruchsvoller in Sachen Psoas-Dehnung. Die Gesäßmuskulatur profitiert wieder mit. Trainiere im Vierfüßlerstand. Arme auf den Ellenbogen unterhalb der Schultern abstützen. Beine abwechselnd im rechten Winkel gebeugt in die Höhe strecken. Bauchmuskeln anspannen. Dein Becken soll sich zu keinem Zeitpunkt bewegen. Zusatzbonus: gestärkte Schultern.
Ein-Bein-Stand


Ein ausgewogenes Gangbild erfordert einen kräftigen Hüftbeuger. Aufrechter Stand, Füße hüftbreit auseinander, Bauchmuskeln anspannen, um eine stabile Körpermitte zu erhalten. Dann abwechselnd die gebeugten Knie auf Bauchnabelhöhe anheben. Gelingt dir das, ohne mit dem Oberkörper nach vorn auszuweichen oder das Gleichgewicht zu verlieren? Übung macht die Meisterin!
Hüftmobilisierung


Um lange und beschwerdefrei stehen zu können, solltest du aus der Rückenlage heraus deine Hüftbeweglichkeit verbessern. Leg dich rücklings mit einem angezogenen Bein auf eine Rolle und dehn deine gegenüberliegende Leiste. Dafür die Ferse des ausgestreckten Beins so weit wie möglich nach vorn schieben. Nach zehn bis zwölf Atemzügen sollte die Spannung spürbar nachlassen. Danach Bein wechseln.
Rumpfstabilität


Leg dich mit der Brustwirbelsäule und gut angespannten Bauchmuskeln rücklings auf einen großen Gymnastikball. Die Füße stehen hüftbreit auseinander fest am Boden, Arme vor der Brust verschränken oder oberhalb des Kopfes ausstrecken. Diese Position macht das Ganze wackeliger, verstärkt aber die Psoas-Dehnung. Das frei schwebende Becken wird abwechselnd gebeugt und gestreckt.