
Weibliche Herzen ticken nicht so wie die von Männern? Erzählt uns was Neues! Dass wir aber trotzdem viel zu wenig auf die Bedürfnisse unseres fleißigsten Muskels eingehen, unsere Risikofaktoren zu wenig kennen, ist eine andere Sache. Zwei Medizinerinnen klären auf.
Gerade in Momenten, die mit starken Gefühlen wie großer Freude, Glück, aber auch Panik, Hilflosigkeit und Angst einhergehen, spüren wir unser Herz. Oft schlägt es sogar bis zum Hals. Sind wir verliebt und glücklich, geht es unserem Herz gut, fühlen wir Trauer oder Ängstlichkeit, geht es ihm schlecht. "Das ist keine Einbildung", weiß Herzchirurgin Sandra Eifert, "denn es existiert parallel zur Darm-Hirn-Achse auch eine vom Herzen nach oben." Unsere Pumpe ist über das vegetative Nervensystem mit dem Gehirn verbunden. Stress, insbesonders psychischer, kann akute und chronische Herzbeschwerden wie einen Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen und eine akute Herzinsuffizienz auslösen. Die bekannteste Erkrankung hier ist das Broken-Heart-Syndrom – ein gebrochenes Herz, weil etwa eine Liebe geendet hat.
Davon sind vor allem Frauen betroffen, die sich vieles doch mehr "zu Herzen" nehmen als Männer. Und damit sind wir schon genau bei dem Thema, über das Dr. Sandra Eifert gemeinsam mit ihrer Kollegin, der Medizinerin Dr. Suzann Kirschner-Brouns, das Buch "Herzsprechstunde" geschrieben hat. Untertitel: "Warum das weibliche Herz anders ist und wie es gesund bleibt". Ein enorm wichtiges Thema, denn obwohl Gefäßkomplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall bei Frauen seltener auftreten, ist, wenn sie vorkommen, der Krankheitsverlauf deutlich schlechter. Auch die Mortalität ist höher als bei Männern. Ab dem 50. Lebensjahr sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen unsere Todesursache Nummer eins.

Herzsprechstunde: Warum das weibliche Herz anders ist und wie es gesund bleibt - Hormone, seelische Einflüsse, Risikofaktoren: So schützen Sie Ihr Herz
Frauen kommen nicht auf den Punkt
Die Gründe sind, so die Expertinnen, vielfältig. Männer haben bei einem Herzinfarkt die typischen Symptome wie Schmerzen hinter dem Brustbein mit beziehungsweise ohne Ausstrahlung in den linken Arm. "Kommen sie in die Notaufnahme, werden sie sofort adäquat behandelt." Bei Frauen hingegen, die häufig mit Kopf-, Nacken- oder Rückenschmerzen, Übelkeit, Schweißausbrüchen eingeliefert werden, besteht oft nicht sofort der Verdacht auf Infarkt. Nicht selten wird er gar nicht diagnostiziert.
Ein Problem ist auch, dass wir als Patientinnen beim Arzt weniger schnell auf den Punkt kommen, viel länger um Symptome herumreden als Männer. "Ideal ist es daher, wenn Sie sich schon zu Hause überlegen, was er vermutlich von Ihnen wissen will", so Autorin Suzann Kirschner-Brouns. "Welche Symptome haben Sie schon wie lange? Wie fingen die Beschwerden an und wie stark sind die Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10?" Last but not least spielt auch die "Gendermedizin eine große Rolle – das bekannte Problem, dass Medikamente an Männern getestet und für diese entwickelt werden und für Frauen gar nicht entsprechend passen. Zum Glück geht hier die Entwicklung in die richtige Richtung."
Fokus auf Gendermedizin
"In den vergangenen 20 bis 30 Jahren hat die Aufmerksamkeit für Geschlechterunterschiede in der Medizin stark zugenommen", erklärt Dr. Eifert. "Gendermedizin bedeutet, dass bei Gesundheit und bei Krankheit geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigt werden. Diese erstrecken sich von den Risikofaktoren über die Symptome bis hin zur Therapie." Häufig gibt es aber noch immer bei Arzneien eine Standarddosis, die für alle gilt. "Es ist jedoch wichtig, zu beachten, dass Frauen oft etwas leichter sind. Die Medikamentenaufnahme, deren Verstoffwechslung, ihre Speicherung im Körper und die Ausscheidung können zwischen Männern und Frauen differieren. Bei Letzteren kann dies auch vom Zyklus abhängig sein, der die Art und Weise, wie bestimmte Medikamente aufgenommen werden und wirken, beeinflusst."
Ein gutes Beispiel sind Arzneimittel, die zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden, sogenannte Antiarrhythmika. Hier kann es unter Umständen dazu kommen, dass die Wirkung zu intensiv wird beziehungsweise Frauen sie nicht so gut vertragen. Das liegt oft an der Standarddosis, die zu hoch sein kann. Frauen tendieren dann dazu, das Medikament selbst abzusetzen." Weibliche Herzen sind außerdem kleiner, schlagen schneller, sind aber keinesfalls "einfach nur ein kleineres Männerherz".
Psychischer Stress kann Herzbeschwerden auslösen.
Östrogen sinkt, der Blutdruck steigt
Viele Lebensjahre lang ist diese Tatsache für uns ein großer Vorteil. "Wir Frauen sind durch unsere Geschlechtshormone sehr gut vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen geschützt. Für die Zeit unserer Gebärfähigkeit benötigen wir ein gesundes und starkes Herz, um ein entstehendes kleines Lebewesen vollumfänglich ernähren und versorgen zu können. Östrogen, Progesteron, Testosteron steuern alle wichtigen Vorgänge im weiblichen Körper. Vor allem die verschiedenen Östrogene schützen uns. Etwa ab Mitte 40 sinkt der Hormonspiegel. Mit weniger Östrogen im Körper entwickeln sich häufig Veränderungen im Blutzucker- und Fettstoffwechsel. Und da das Hormon auch unseren Blutdruck reguliert, steigt dieser, sobald dieses weniger wird. Das alles sind Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen."
Am besten früh mit gesundem Lebensstil starten
Bluthochdruck ist aktuell der gefährlichste Risikofaktor für Frauen. Häufig bleibt er lange unbemerkt. Die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden, ist so erhöht.
"Eine amerikanische Studie aus 2017 besagt, dass das Risiko für Frauen, ein schweres Herz-Kreislauf-Ereignis zu erleiden, mit jeder Erhöhung des systolischen (oberen) Blutdruckwertes um 10 mmHg deutlich höher ist als bei Männern mit gleichem Blutdruckanstieg. Frauen ab dem 45. Lebensjahr sollten ihren Blutdruck mindestens zweimal im Jahr beim Arzt kontrollieren lassen oder regelmäßig selbst messen. Wenn Sie unter Bluthochdruck leiden, ernähren Sie sich unbedingt salzarm", raten die Autorinnen.
Am besten also, wir starten so früh wie möglich mit einem "herzgesunden" Lebensstil. Aber es ist nie zu spät, um damit zu beginnen. Am besten geeignet ist, so raten die Autorinnen, die mediterrane Ernährung, also nicht zu viel Fleisch, ausreichend Fisch, genügend Omega-3-Fettsäuren und möglichst viel Gemüse.
Natürlich ist Rauchen sehr ungesund, genauso wie Fettleibigkeit. Auch jegliche Einnahme von Drogen schädigt das Herz.
Regelmäßige Bewegung hat sich in vielen Studien als wichtigster positiver Faktor herausgestellt – das gilt für beide Geschlechter. Woran wir selten denken: Auch die orale Gesundheit spielt für unsere Pumpe eine ganz wesentliche Rolle! Regelmäßige Zahnarztbesuche rentieren sich. Es sollten überhaupt alle empfohlenen Präventionsuntersuchungen gemacht werden. Und ebenfalls keinesfalls zu vernachlässigen: Guter Schlaf, denn Schlafmangel führt häufig zu Stress.
Herzsprechstunde
Klassische Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind:
Bluthochdruck (arterielle Hypertonie)
Diabetes Mellitus Typ I
Fettstoffwechselstörung (ein hoher Blutfettspiegel, Hyperlipoproteinämie)
Rauchen
Herz- und Gefäßerkrankungen in der Familie
Übergewicht (Adipositas)
Bewegungsmangel
Alter
Stress
Bei Frauen seit 2011 als zusätzliche Risikofaktoren anerkannt:
Autoimmunerkrankungen
Rheumatoide Arthritis
Schwangerschaftskomplikationen (Diabetes, Bluthochdruck, Schwangerschaftsvergiftung)
Polyzystisches Ovarsyndrom
Endometriose
Hormonelle Veränderungen
Depressionen
Gehen wir liebevoller mit uns selbst um
Stress gilt es zu vermeiden, wo es nur geht. Frauen reagieren, wie bereits erwähnt, auf psychischen Stress häufig mit starken Auswirkungen auf ihr Herz, da sie emotional dann stark belastet sind: "Die vielschichtigen Rollen im Leben treffen bei uns im Herzen zusammen. Manchmal kann das viel zu viel werden. Dies betrifft insbesondere Herzrhythmusstörungen, die deutlich häufiger bei Frauen auftreten", so die Medizinerin Suzann Kirschner-Brouns. "Wir müssen lernen, liebevoller mit uns umzugehen und die eigenen Ansprüche an uns selbst möglichst herunterzuschrauben. In den meisten Fällen genügen 90, nicht 120 Prozent."
Bluthochdruck ist der gefährlichste Risikofaktor für Frauen.
Gesprächstherapien, Sport, Yoga
Das relativ neue Gebiet der Psychokardiologie beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Psyche und Herz: "Einerseits werden manche Menschen herzkrank, wenn sie unter ausgeprägtem seelischen Stress leiden. Andersherum gibt es Patientinnen und Patienten, die einen Herzinfarkt oder eine andere Herzerkrankung erleiden und diese nur schwer verarbeiten können. Seit circa 20 Jahren tritt hier die Psychokardiologie auf den Plan und hilft diesen Patient:innen bei der Genesung. Es werden Strategien, Verhaltensänderungen und Techniken zur Bewältigung der jeweiligen Situation angeboten beziehungsweise in die Behandlungskonzepte integriert. Falls dies nicht ausreicht, gibt es Rehabilitationsmaßnahmen", erläutert Kirschner-Brouns weiter. Methoden der Psychokardiologie sind zum Beispiel Gesprächstherapien, flankiert von Sport, Yoga, Atemtechniken, Musik- und Kunsttherapie, Meditation sowie Entspannungstechniken.
Zwei weitere Risiken für uns Frauen
Psychische Entlastung können diese Maßnahmen auch bringen, wenn das "Polyzystische Ovar Syndrom" oder Endometriose festgestellt wurde. Beide Diagnosen sind geschlechtsspezifische Risikofaktoren. "Beim Polyzystischen Ovar Syndrom leiden Frauen unter multiplen Zysten an ihren Eierstöcken. Zugrunde liegen Stoffwechselstörungen. Auch der Blutzuckerhaushalt ist häufig gestört, zum Teil liegt eine Insulinresistenz vor. Es können Zuckermedikamente zur Behandlung eingesetzt werden."
Häufig kommen eine Erhöhung der Blutfettwerte, Übergewicht, Bluthochdruck hinzu. Auch veränderte Schilddrüsenwerte und ein erhöhter Testosteronspiegel können zu Zysten an den Eierstöcken führen. "Die Zysten selbst produzieren häufig wiederum Hormone – es ist ein Teufelskreis", weiß Herzchirurgin Eifert. Man versucht mit Hormonpräparaten und entzündungshemmender Ernährung (kein Zucker, gluten- und milchfrei) zu behandeln. Jeder Versuch zählt, denn: "Das Risiko, eine Zuckerkrankheit zu bekommen, steigt auf das Fünf-bis Zehnfache. Das Risiko, einen Herzinfarkt unter 50 Jahren zu erleiden, auf das 7,4-Fache."
Wir sollten die Gefahren kennen
Auch bei Endometriose, hier liegt ein Wachstum von Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter vor, steigt das Risiko für eine Herzkrankheit stark an. "Diese Patientinnen sollten jährlich Herz und Gefäße beim Kardiologen untersuchen lassen."
Die Gefahren zu kennen, sei, so die Autorinnen, schon die halbe Miete. "Nehmen wir mögliche Beschwerden ernst. Hören wir auf unser Herz!"
Spannende Facts
Was wir noch zum Thema Herzgesundheit wissen sollten:
Fleißig: Je nach Körpergröße und Muskelmasse pumpt ein Herz vier bis sechs Liter Blut durch den Körper. Dafür benötigt es etwa 100.000 Schläge am Tag.
Beruhigend: Musik ist gut für das Herz: Ein Decrescendo, das heißt eine leiser werdende klassische Melodie, beruhigt nachweislich den Herzschlag.
Umwelteinfluss: Die Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf unser Herz sind nicht zu unterschätzen. Dazu gehören Luftverschmutzung, Schwermetalle, Mikroplastik im Trinkwasser oder im Fisch, den wir essen.
Gefährlich: Vorsicht vor allem vor Feinstaub. Ist dessen Gehalt in der Luft hoch, können sich schneller Gerinnsel bilden, der Blutdruck kann ansteigen. Keine Kerzen, kein offenes Feuer!
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