Glück kann ansteckend sein
Ich fahre also in die Chefetage im vierten Stock und die liebe Kollegin am Empfang überreicht mir ein Geschenk, das alle Verlagsmitarbeiter*innen bekommen: das neue Buch des ehemaligen deutschen Top-Medienmanagers Stephan Schäfer, handsigniert. Es heißt „25 letzte Sommer“ und ist wunderbar: der Autor erzählt darin, wie er nach seiner von Quoten getriebenen Karriere das entschleunigte Leben entdeckt.
Die Sonne strahlt ins Büro. Ich freue mich sehr über dieses Buch. Wahrscheinlich hätte ich es mir auch selbst gekauft. Die liebe Kollegin am Empfang freut sich, dass ich mich so freue und schenkt mir, einfach so, ein Lesezeichen dazu. In diesem Moment kommt ein Kollege ums Eck, einen Strauß mit Wiesenblumen in der Hand. Er lacht und schenkt ihn der lieben Kollegin am Empfang, einfach so.
Wenn sich die Positiv-Spirale weiterdreht
„Warum bekomme ich keine Blumen?“, frage ich ihn scherzhaft und er sagt, das nächste Mal dann. „Bekommst du nie Blumen?“, fragt mich die liebe Kollegin am Empfang und ich sage, leider viel zu selten, aber manchmal kaufe ich mir selbst welche.
In der Mittagspause hole ich mir ein Vollkornweckerl aus dem Biosupermarkt gegenüber. Der Mann vor mir möchte gerade sein Baguette bezahlen und aus einem Impuls heraus sage ich: „Lassen Sie, das übernehme ich.“ Er trägt einen altmodischen Anorak, der viel zu warm ist für diesen Frühlingstag. Der Mann will mir sofort Tulpen kaufen, aber ich sage, das ist doch nicht notwendig und wünsche ihm noch einen schönen Tag. Wir freuen uns beide.
Man kann das nicht immer. Aber wenn, dann gibt es nichts Schöneres: Schenken setzt offenbar eine Positiv-Spirale in Gang. Und es müssen gar nicht unbedingt materielle Geschenke sein. Man kann auch Komplimente verschenken. Oder Zeit.
Jedenfalls komme ich zurück in mein Bürozimmer, esse mein Weckerl und auf einmal klopft eine Kollegin aus der Sales-Abteilung an meine Tür. Ein paar Wiesenblumen seien für mich abgegeben worden, sagt sie, mit Grüßen aus dem vierten Stock, von der lieben Kollegin am Empfang.
Nein, ausdenken kann man sich so etwas nicht. Es würde einem niemand glauben.