Ein persönliches Gespräch zum Vatertag.
Die Tochter erhält in der kommenden Woche ihr Maturazeugnis, womit ein großer Lebensabschnitt zu Ende geht. Mich berührt das sehr. Und ihren Vater?
Der Beste war einer der wenigen Väter, die in Karenz gingen: Als unsere Tochter elf Monate alt war, hat er übernommen. Ich habe ihn gefragt, wie er die Zeit als Vollzeit-Papa erlebt hat – und wie es ihm nun mit dem Loslassen geht.
Wolltest du immer schon ein Kind?
Der Wunsch war mir nicht so bewusst. Das liegt daran, dass ich ein Mensch bin, der sich mit Veränderungen schwertut.
Wie hast du die Geburt erlebt?
Grandios, ein gewaltiges Erlebnis. Es war in dem Moment fühlbar: Mein Leben ändert sich extrem. Plötzlich waren wir zu dritt. Heute weiß ich: Vater werden zählt mit Sicherheit zum Schönsten, das ich erleben durfte.
Die Nächte waren anfangs sehr anstrengend…
Stimmt. Ich kann mich noch so gut erinnern an das stundenlange Herumgehen mit dem Baby am Arm in der Küche. Ich habe immer versucht, dir viel abzunehmen. Dadurch ist auch automatisch die Beziehung zum Kind enger geworden.
Was war rückblickend die schönste Phase?
Ich fand die Volksschulzeit super. Da war sie schon ein bisschen älter und hat nicht mehr so viel Auf- und Vorsicht gebraucht. Sie war dort gut eingebettet, und auch wir haben durch die Zeit im Spatzennest, im Kindergarten und in der Volksschule durch sie schöne Freundschaften mit anderen Eltern geschlossen. Freundschaften, die größtenteils bis heute geblieben sind.
Wie ist es dir gegangen, als ich nach elf Monaten wieder arbeiten ging?
Ich habe mich darauf gefreut, anfangs. Wir hatten uns ja beide für diesen Weg entschieden. Nach ein, zwei Wochen kam dann aber die große Ernüchterung.
Warum genau?
Ich habe mich eingesperrt gefühlt. Und ich hatte das Gefühl, dass ich, im Gegensatz zu meinen Kollegen und Kolleginnen in der Schule, nichts leiste.
Hat es dir an Anerkennung gefehlt?
Es gab genug Leute, die mir auf die Schulter geklopft haben: Respekt, was du hier machst! Aber Frauen leisten das ständig. Und ich weiß auch nicht, wie ernst das gemeint war, vor allem von Männern. Etwa, wenn sie meinten, sie würden ja auch gerne daheim beim Kind bleiben, aber leider gehe es aus diesen und jenen Gründen nicht. Ich glaube, die meisten Männer sind froh, dass ihnen das abgenommen wird. Und ich kann’s verstehen.
Warum wolltest du dann in Karenz gehen?
Mir war klar: Wenn ich ein Kind habe, möchte ich einen Beitrag leisten und das Vatersein möglichst intensiv erleben. Und obwohl es weitaus anstrengender war, als ich es mir vorgestellt hatte, würde ich es genauso wieder machen. Mit der Zeit ist es zudem viel leichter geworden: Sie war dann halt einfach überall mit dabei. Aber anfangs war ich total überfordert.
Hast du dich einsam gefühlt?
Ja. Und auch irgendwie fehl am Platz. Damals waren ja fast ausnahmslos Mütter am Spielplatz – da bist du immer der Außenseiter. Nicht wegen der Mütter – die waren extrem bemüht und höflich. Aber ich konnte sie ja schlecht auf einen Kaffee zu mir nach Hause einladen. Ich hatte immer Bedenken, dass das womöglich falsch aufgefasst wird.
Was hättest du dir gewünscht?
Dass ich auf Spielplätzen, in Parks oder Freibädern auch Männer treffe, mit denen ich mich austauschen kann – über alles mögliche. Übers Mountainbiken zum Beispiel (lacht).
Würdest du Männern von einer Väterkarenz abraten?
Nein. Im Gegenteil! Es ist eine wunderbare Erfahrung – auf so vielen Ebenen. Und ein Mann, der ein ganzes Jahr lang – nicht ein paar Wochen – hauptverantwortlich beim Kind zu Hause geblieben ist, kann erst nachvollziehen, was das wirklich bedeutet.
Hättest du dir gewünscht, ich wäre mehr zu Hause gewesen?
Nicht wegen mir. Aber dir hätte ich es gewünscht.
Findest du, dass die 17 Jahre schnell vergangen sind?
Ja, viel zu schnell. Rückblickend vermisse ich die Kleinkind-Phase sogar manchmal. Währenddessen dachte ich oft: Das Schlimmste ist bald überstanden! Jetzt braucht sie bald keine Windeln mehr, jetzt kann sie dann schon alleine in die Schule gehen und so weiter. Dieses Fokussieren auf die Zukunft ist aber genau der falsche Ansatz. Wenn sie erst einmal die Matura hat…! Und jetzt? Im Nachhinein hätte ich jede Phase gerne noch viel bewusster erlebt.
Wie geht es dir damit, dass die Tochter bald nicht mehr zu Hause wohnen wird?
An den Gedanken muss ich mich erst gewöhnen. Es wird etwas fehlen. Ich habe so mitgelebt mit ihr. Aber letztlich ist es unausweichlich – und auch gut so.
Machst du dir Sorgen?
Immer. Aber sie wird das schon schaffen. Vielleicht habe ich auch ein bisschen Angst vor einer Entfremdung.
Hast du das Gefühl, du kennst unsere Tochter besser als ich?
Nein, ich kenne sie anders.
Was wirst du am meisten vermissen?
Die alltäglichen Kleinigkeiten. Zum Beispiel, wenn sie am Abend sagt: „Papa, gehen wir noch Volleyballspielen?“ Und dann laufen wir rauf auf den Fußballplatz und spielen dort, bis es stockfinster ist. Das sind Momente, die so verbinden...
Glaubst du, dass sie stolz ist auf dich?
Nicht immer.
Was wünscht du dir von ihr?
Dass sie ihr Leben lebt. Dass sie fliegt. Und dass sie immer wieder gerne nach Hause kommt.