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Im Spätherbst durch Wien flanieren

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Wir wohnen am Stadtrand und ich empfinde das als großes Privileg. Ich liebe die Nähe zum Wienerwald, die klare Luft, die Ruhe und unseren Greißler am Eck.

Dennoch zieht es mich in die Innenstadt. Ich bin froh darüber, im Zentrum Wiens zu arbeiten und oft fahre ich sogar am Wochenende in die City. Am liebsten mag ich den ersten Bezirk an einem frühen Samstagmorgen im Spätherbst, wenn die Touristen noch schlafen und frostiger Nebel wie ein Schleier über der Stadt liegt. Wien strahlt dann eine besondere Stimmung aus: Die Häuserfassaden verschwimmen leicht, die Konturen der Fiaker verlieren sich. Die Stadt hat etwas Geheimnisvolles, als wäre sie in einem Märchenbuch verborgen.

Ich beginne meinen Spaziergang in der Kärntner Straße. Ein paar wenige Menschen ziehen, in Mäntel gehüllt, an den Auslagen vorbei. Die Morgenkälte treibt mich in die Buchhandlung Morawa. Hier war ich immer schon gerne, zwischen den Bücherregalen vergesse ich die Zeit. Auf einem Tisch liegen schon die Kalender für 2025. Ich überlege, mir einen kleinen für die Handtasche zu kaufen, auf dem der Cartoon einer süßen Eule abgebildet ist. Darunter steht: "Owl You Need Is Love." Letztlich schnappe ich mir aber ein Hochglanzmagazin und schlendere damit weiter ins Café Prückel.

Der neue Maximalismus, Paprikahenderl und Johnny Cash

Gott sei Dank hat es nach seiner Renovierung im Sommer nichts von seinem Charme verloren. Es riecht nach Kaffee und Apfelstrudel. Von meinem Platz aus beobachte ich Passanten, die an den Fensterscheiben vorbeihuschen. Wien ist aufgewacht.

Der Kellner bringt mir meine Melange und ich blättere im Magazin. Die Ära des Minimalismus sei vorbei, lese ich. Nach "Quiet Luxury" feiern im kommenden Jahr Glam, Pomp, Farben und Muster ein lautes Comeback. Hm, denke ich, und kuschle mich in meinen beigen Kaschmirschal.

Bevor sich gegen Mittag die Straßen füllen, bin ich schon wieder am Weg nach Hause. Kürbisse, manche davon zu Fratzen ausgehöhlt, grinsen mich aus den Gärten der Vorstadt an. Die Youngsters sind im Halloween-Stress. Zum Glück gab es das noch nicht, als wir jung waren. Wir hatten dafür ab September Silvester-Stress: Bei wem? Wie? Mit wem?

Die Wege am Rand der Straße sind voller Laub. Ich fahre an der Otto Wagner Villa vorbei und ertappe ich mich beim Manifestieren: Mein Glück toppen würde jetzt nur noch ein Paprikahenderl vom Besten. Und tatsächlich: Es duftet warm und würzig, als ich die Tür aufsperre. Der Beste war schon Laufen, ist dementsprechend ausgeglichen und lässt gerade den Butternockerl-Teig ins Salzwasser plumpsen. Ich mache grünen Salat, decke den Tisch und lege eine Johnny Cash Platte auf. Herbst-Tage, wie ich sie liebe.

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