Mein Freund Tom auf Road-Trip mit dem Rüttelbus
Er ist einer der liebenswertesten, verrücktesten und – wie ich finde – mutigsten Menschen, die ich kenne: ich habe Tom Strobl das erste Mal vor 14 Jahren getroffen, als er seine Tochter vom „Spatzennest“ abholte – und ich meine. Es entstand eine innige Freundschaft mit gemeinsamen Urlauben, lustig-wilden Festen und anregenden Diskussionsabenden (bei denen er und ich selten einer Meinung waren).
Vor etwa einem Jahr hat Tom, der hauptberuflich Regisseur und Filmemacher ist (derzeit bei der Puls 4 Start-Up Show „Zwei Minuten zwei Millionen“) nicht mehr aufgehört, von seinem Traum zu sprechen: er möchte mit seinem 46 Jahre alten, klappernden Mercedes-Wohnmobil (von uns liebevoll „Rüttelbus“ genannt), der es bis vor kurzem mit Sicherheit nicht einmal nach Bregenz geschafft hätte, nach Bangkok fahren. Wir haben ihn ein wenig belächelt. Doch er blieb dabei: wann, wenn nicht jetzt? Er habe schließlich nur „noch 20 Sommer.“
Das Interview vom Gänsehäufel
Jetzt ist der Bus dank Hilfe eines befreundeten Mechanikers („Autogott Alex Wieder“) tatsächlich startklar: am 11. September geht’s los. In letzter Minute ist Kameramann Daniel Wanek auf den Trip aufgesprungen, der die Männer auf 15.000 Kilometer über den Iran, Pakistan, Indien und Nepal durch 15 Länder bis nach Bangkok führen soll. Die Irrsinnsfahrt soll auf Film festgehalten werden. Mit im Gepäck: eine riesige Carrera-Rennautobahn, die im Zuge der Reise in SOS-Kinderdörfern aufgebaut werden soll (siehe Infos ganz unten).
Kurz vor der Abreise entspannen wir mit Tom und seiner Frau Fiona am Wiener Gänsehäufel und ich bitte ihn um ein Interview für meinen Newsletter. „Supa Idee, leiwand!“, sagt Tom auf seinem Badetuch. Und ich schalte das Mikro in meinem Handy ein.
Tom, dein Projekt in drei Worten?
Mir geht’s darum, mein Leben zu leben, nach bestem Wissen und ohne schlechtes Gewissen. Ich bin jetzt 54 Jahre alt. Wenn mich kein Auto überfährt, der Herzinfarkt trifft oder ein Krebs niederrrafft, bin ich in 20 Sommern 74. Und dann fahr ich nicht mehr in einer alten Kraxn nach Bangkok. Ich erfülle mir also einen Traum – und möchte auch mit „Track to Smile“ was Gutes tun.
Wie bist du überhaupt auf diese irre Idee gekommen?
Der Traum, diese Reise zu machen, ist durch meine Tochter entstanden. Wir haben den Campingbus seit 15 Jahren, seit der Geburt meiner Tochter Valentina. Als Kleinkind hat sie ihm den Namen „Rüttelbus“ gegeben, weil er so scheppert. Und sie hat mich im Alter von sechs Jahren einmal gefragt: „Papi, kann man mit dem Rüttelbus auch nach Bangkok fahren?“ (Anmerkung: die Strobls lieben Thailand als Urlaubsland). Und ich hab darauf gesagt: „Na klar!“ Und ich finde, man soll seine Kinder nicht enttäuschen.
Kann es nicht auch sein, dass du in der Midlife Crisis steckst und dir etwas beweisen musst?
Das ist definitiv nicht der Fall. Ich bin in keiner Krise, sondern weiß, dass man Träume nicht auf irgendwann verschieben sollte. Sie wollen gelebt werden.
Gehst du davon aus, dass dich dieser Trip verändert?
Auf jeden Fall. Ich bin vier Monate unterwegs. Ich war zuvor noch nicht einmal ansatzweise so lange getrennt von meiner Frau und meiner Tochter. Na klar wird mich die Reise verändern! Ich geh’ davon aus, dass ein Monat super leiwand wird, ein Monat super zach, weil irgendwas nicht so läuft wie geplant. Und wie der dritte und vierte Monat sein werden, davon hab ich überhaupt keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich anders zurückkommen werde, als ich wegfahre.
Du hättest diese Reise auch ganz allein gemacht, nun fährt doch ein Kameramann mit, den du so gut wie gar nicht kennst. Hast du da keine Bedenken?
Nein. Es gibt und gab bei dem Projekt immer wieder Menschen, die gesagt haben, dies und jenes wird nicht funktionieren. Und ich hab immer gewusst, dass ich es trotzdem machen werde. Zwei Freunde, die ursprünglich mitreisen wollten, konnten dann doch nicht. Und ich war dann an dem Punkt, dass ich gesagt habe: na gut, dann mach ich’s halt alleine. Irgendwie wäre das auch gegangen. Dann aber hab ich einen Freund gefragt ob er jemanden kennt, der so verrückt ist, mit mir mitzufahren. Und der kannte jemanden. Und der fährt jetzt mit.
Ihr werdet euch auf der Reise sehr gut kennen lernen.
Das ist auch etwas Wesentliches: man darf keine Angst haben davor, wie sich Dinge entwickeln. Okay, jetzt fährt ein Wildfremder mit. Mein Zugang dazu ist: ich werde sicher höflicher sein zu ihm als zu jemandem, den ich gut kenne. Er wird neugieriger sein auf mich, und ich auf ihn. Ich bin 111 Tage mit einem Typen im Auto unterwegs, der mir was zu erzählen hat und ich werde ihm was zu erzählen haben.
Du hältst unterwegs in zahlreichen SOS Kinderdörfern, um dort mit Kindern „eine Hetz zu haben“, wie du sagst. Warum gerade mit einer Carrera-Autobahn?
Ich bin auto- und motorsportdeppert seit meiner frühen Kindheit. Ich hab’ mit drei Jahren schon auf zwei Rädern fahren können und die Carrera-Autobahn immer geliebt. Mein Freund Uli Bree (Drehbuchautor, Vorstadtweiber, Anm.) hat den schönen Satz gesagt: „Die Carrera-Autobahn ist wie das Leben. Es besteht nicht nur aus einer Geraden, sondern aus ganz vielen Kurven, die man meistern muss.“
Was sagen deine Frau und deine Tochter dazu, dass du nun vier Monate lang weg bist?
Als ich mir in den Kopf gesetzt habe, dass ich mit dem Bus nach Bangkok will, waren die Voraussetzungen dafür nicht die besten: keine Zeit, ein kaputtes Auto, Frau und Familie. Auch meinen Job werde ich nachher wieder brauchen, weil ich ja Geld verdienen muss. Der entscheidende Moment war, als ich für mich beschloss: ich WILL das nicht machen, sondern ich WERDE das machen. Und da war die erste Frage an meine Frau Fiona, ob sie mit mir mitkommt. Und sie hat gesagt, das ist ihr zu gefährlich. Aber mach’ das trotzdem, weil du das sonst dein Leben lang bereust! Und ich war überrascht. Ich liebe meine Frau heiß, aber dass sie so cool reagiert und sagt, ich schupf’ den Laden für vier Monate daheim alleine, hätte ich ihr nicht zugetraut. Dann hab ich mit meiner Chefin gesprochen und die fand das ebenfalls großartig und hat gesagt, ich unterstütze dich, wo es nur geht.
Und deine Tochter?
Die ist jetzt 15 und findet es deppert. Ursprünglich wollte ich, dass auch sie mitfährt. Einfach, weil sie in den vier Monaten mehr lernen würde als in der besten Schule. Aber sie findet es momentan nicht cool. Gestern hat sie mich das erste Mal nach der Route gefragt und ein gewisses Interesse gezeigt. Ich glaube, sie hat einfach Angst um mich.
Du wirst über deine Reise – wenig überraschend für einen Regisseur – auch einen Film drehen. Hast du schon eine Idee, was da zu sehen sein wird?
Mir geht es nicht nur darum, was zu sehen sein wird, sondern vor allem auch um die Geräusche, die zu hören sein werden. Ich bin der Meinung, dass viel zu viel geredet wird und dass wir verlernt haben, zuzuhören. Und dass man der Natur und den Geräuschen auf der Welt viel zu wenig Beachtung schenkt. Bei uns sind Geräusche eher Warnsignale – wie das Tatüü, Tataa oder der Wecker, der sagt: „Schnell aufstehen!“ Es gibt aber wahnsinnig schöne Töne und die will ich in den 15 Ländern unterwegs einsammeln und daraus etwas machen – einen kulturverbindenden Song zum Beispiel. Und auch darauf hat mich meine Tochter gebracht. Als ich sie einmal in den Kindergarten geführt habe, sagt sie plötzlich: „Papi, da, ein Vogel!“ Und ich schnall’ sie hektisch in den Kindersitz und sage: „Bitte, Valentina! Wo siehst du einen Vogel?“ Und sie sagt: „Na hörst du ihn nicht?“ Da ist mir bewusst geworden, wie verblendet wir Erwachsenen manchmal sind: dass wir einen Vogel darauf reduzieren, ob wir ihn sehen oder nicht.
Welche Vorbereitungen musst du noch treffen?
Ich bin ein „last minute man“. Es gibt vor allem bürokratisch noch einiges zu erledigen, was die Einreisebestimmungen in bestimmte Länder betrifft. In Indien kannst du derzeit nicht einreisen. Man kann gewisse Dinge aber nur vor Ort lösen. Ich habe mein ganzes Leben so gelebt: wenn ich ein Grenzproblem erwarte, dann löse ich das an der Grenze, und nicht am Schreibtisch. Ich bin mir sicher, dass ich reinkomme.
Und warum sollte das ausgerechnet dem Herrn Strobl aus Wien gelingen?
Man muss mit den Leuten reden, ein bisschen lächeln und fragen, ob sie einem helfen können. Ich bin überzeugt davon: wenn ich einen indischen Grenzbeamten frage, ob er mir helfen kann bei der Einreise, wird er das tun. Das positive Mindset ist bei dieser Reise das Allerwichtigste. Und nicht nur da, sondern im Leben. Es heißt ja nicht, dass mir alles gelingt, was ich vorhabe. Das Scheitern gehört dazu. Aber derzeit gehe ich davon aus, dass ich nicht einmal einen Patschen bis nach Bangkok haben werde.
Danke Tom – und viel Glück!
Info:
Charity zugunsten von SOS Kinderdorf
Regisseur Tom Strobl startet am 11. September mit Kameramann Daniel Wanek seinen „Track To Smile“ . Im 46 Jahre alten Wohnmobil geht’s vom grantigen Wien ins „Land des Lächelns“ nach Bangkok. 111 Tage werden für die über 15.000 Kilometer lange Strecke durch 15 Länder benötigt. Auf der Route werden zahlreiche SOS Kinderdörfer besucht.
Spenden sind erwünscht:
Verein „Dem Lächeln auf der Spur“, IBAN: AT34 2011 1845 2039 5100.
Der Reinerlös kommt der Betreuung geflüchteter Kinder aus der Ukraine zugute.
Verfolgen Sie die Reise mit über Instagram tracktosmile2022 oder auf www.tracktosmile.at
Kristin Pelzl-Scheruga ist Chefredakteurin von Lust aufs LEBEN