Mit meinen Lieben in Paris
Plötzlich gehen die Scheinwerfer an, aber es ist natürlich die Frühlingssonne. Ich komme mir trotzdem vor wie im Film. Paris!
Gleich am Sonntag Vormittag fahren wir mit der Metro (erstaunlich günstig!) zum Marché aux Pouces de Saint Ouen, dem weltgrößten Flohmarkt. Sogar ein mir sehr gut bekanntes Teenager-Mädchen ist im Glück, weil es eine Vintage-Lederjacke aus den späten Siebzigern ergattert, genau so eine hat es sich gewünscht. Weil wir das so ausgemacht haben, frage ich, ob ich das so schreiben darf und das mir sehr gut bekannte Teenager-Mädchen sieht mich an als ticke ich nicht mehr ganz richtig: „Warum schreibst du nicht einfach ‚meine Tochter’?“
Okay.
Nur ihren Vornamen möchte sie hier nicht lesen, das sei ihr dann doch zu persönlich.
Okay.
Ich finde die Flohmarkt-Lederjacke meiner Tochter viel zu „oversized“, aber schon auch ein bisschen cool, was ich mir natürlich verkneife, da meine Tochter die Jacke sonst womöglich nicht mehr ganz so lieben würde.
Gesucht: Teenager und Mona Lisa
Im Louvre am nächsten Tag ist unsere Tochter plötzlich verschwunden. Wer auf einer Fläche von 60.000 Quadratmetern mit 30.000 Exponaten ein zierliches Mädchen in einer übergroßen Lederjacke sucht, braucht trotz Handy („Woooo bist du?“ „Bei den Skulpturen!“) gute Nerven. Und Zeit. Denn noch schwerer zu finden ist nur die Mona Lisa, vor allem, wenn man sich im falschen Trakt befindet. Wir meistern aber auch diese Hürde.
Irgendwann haben wir das touristische Pflicht-Programm, darunter Eiffel-Turm bei Nacht, Montmartre oder Pont-Neuf, erfüllt und tun das, was wir am besten können: Genießen! An jeder Ecke locken Sonnenplätze im Freien, kühler Rosé, Schmankerl wie Hèvre Chaud (gebackener Ziegenkäse), Entrecôte und Crème Brulée. Dazu „une noisette“, wie der Espresso mit etwas aufgeschäumter Milch hier genannt wird.
Pariserinnen: Woran du sie erkennst
Mit vollem Bauch ist gut shoppen und ich falle in eine kleine Boutique auf der idyllischen Rue Mouffetard. Vielleicht wäre ich noch immer dort, hätten Mann und Tochter nicht schon sehr die Augen verdreht, komm bitte endlich, das gibt’s ja nicht! Nur keine Impatience, meine Lieben, dafür sehe ich jetzt ein bisschen aus wie eine chice Französin.
Apropos: Die Pariserinnen sind wirklich schön, das ist kein Klischee. Du erkennst sie auf den ersten Blick: kaum geschminkt, aber makelloser Teint. Und die Haare: keine Frisur, sondern ein poetisches Zufallsergebnis – aber immer gepflegt, bis in die Spitzen. Was sie tragen, ist Nebensache, weil sie es mit Haltung tun. Touristinnen identifizierst du sofort, weil sie entweder aussehen wie Touristinnen (sportive Funktionskleidung) oder sich zu sehr bemühen, wie Französinnen auszusehen und sich in Trenchcoats hüllen, vorzugsweise in Beige.
Serge Gainsbourg und bunte Macarons
Weil ein Paris-Besuch immer zu kurz ist, müssen Souvenirs mit nach Hause. Ein altes „Vogue“-Cover vom Stand am Seine-Ufer, Platten von Charles Aznavour und Serge Gainsbourg sowie eine Packung pastellfarbener Macarons für die weltbeste Schwägerin, die sich daheim um unsere Katze gekümmert hat. Ich lasse auch ein Croissant mitgehen und esse es am nächsten Tag zum Frühstück. Aber zu Hause schmeckt es nicht so wie in Paris. Alles hat eben seine Zeit – und seinen Platz. Paris im Frühling zählt definitiv zu meinen liebsten.
War eh schön, gibt sogar die Tochter zu: „Noch schöner wär’s halt ohne euch gewesen.“
Filmriss, Ende. Das echte Leben hat uns wieder.
Kristin Pelzl-Scheruga ist Chefredakteurin von Lust aufs LEBEN