
Wie Tänzerin Shelly in „The Last Showgirl“ liebte auch Pamela Anderson früher opulente Outfits. Ihre turbulenten Zeiten im Scheinwerferlicht haben sie für die Rolle vorbereitet, ist die kanadisch-amerikanische Schauspielerin überzeugt.
©picturedesk.comIn „The Last Showgirl“ ist Pamela Anderson seit langem wieder im Kino zu sehen. Warum die Schauspielerin lange Zeit unterschätzt wurde und wie sie privat zu mehr Achtsamkeit inspirieren möchte.
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Die Frau auf der Leinwand wirkt sichtlich nervös. In Leggings und Crop-Sweater steht sie auf der Bühne, ein Scheinwerfer ist direkt auf sie gerichtet. Tagelang hat sich die Tänzerin Shelly für das Casting in Las Vegas vorbereitet. Jetzt ist es so weit – und es geht für sie um nichts Geringeres als ihre Existenz. Im Drama „The Last Showgirl“ (Kinostart: 20. März) spielt Pamela Anderson die älteste Tänzerin der Las-Vegas-Show „Le Razzle Dazzle“. Seit 30 Jahren präsentiert sich Shelly dem Publikum Nacht für Nacht in funkelnden Dessous und in mit Federn geschmückten Kostümen. Als das Aus der Show verkündet wird, verliert sie nicht nur ihren Job – für die Mutter einer Tochter zerbricht auch ein Lebenstraum. „Sich gesehen zu fühlen, sich schön zu fühlen, das gibt mir Kraft. Ich kann mir mein Leben nicht ohne die Show vorstellen“, sagt Pamela Anderson in ihrer Rolle.
Nahbar und berührend mimt sie eine Frau, die sich verletzlich zeigt, aber nicht ans Aufgeben denkt. Eine Parallele zur Hollywood-Schauspielerin, die seit 2007 erstmals wieder in einer Hauptrolle im Kino zu sehen ist. Auf ihr fulminantes Comeback hat Anderson lange hingearbeitet, sagte sie bei der Weltpremiere in Toronto: „Ich glaube, ich habe mich mein ganzes Leben darauf vorbereitet.“ Als sie das Drehbuch von Kate Gersten las, habe sie gewusst: „Ich bin die Einzige, die es machen kann.“ Anderson erkennt sich in der Tänzerin wieder, wie die Kanadierin im Interview mit Harper’s Bazaar einräumt, und ist überzeugt: „Mein ganzes Leben mit all seinen Höhen und Tiefen hat meine Arbeit in ‚The Last Showgirl‘ beeinflusst.“


Im roten „Baywatch“-Badeanzug wurde sie in den 90er-Jahren weltberühmt. Heute kritisiert Anderson, damals auf ihren Körper reduziert worden zu sein.
© picturedesk.comVergangenheit voller Vorurteile
Der Hollywoodstar weiß nur zu gut, wie es ist, nach seinem Aussehen und Sexappeal beurteilt zu werden. Im Jahr 1992 wurde sie als Rettungsschwimmerin Casey Jean „C. J.“ Parker in „Baywatch“ berühmt. Das Bild der jungen Frau, die im knappen roten Badeanzug in Slow Motion den Strand in Malibu entlangläuft, brannte sich in das kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation ein. Anderson wurde es bis heute nicht los. Bereits in jungen Jahren wurde sie als Sexobjekt gelabelt und erschien insgesamt 14-mal am Cover des Playboy. Über ihre Vergangenheit spricht die 57-Jährige ohne Reue. „Es gab mir eine Menge, woraus ich schöpfen konnte“, resümiert sie, „es hat Shellys Charakter geprägt.“
Die Vorbereitungen auf die Rolle beschreibt Anderson als Transformation. „Es war ein Eintauchen in die Essenz eines anderen Wesens.“ Ihre Hingabe wurde belohnt: Mit 57 wurde sie erstmals für einen Golden Globe als beste Hauptdarstellerin nominiert. Zwar ging die Schauspielerin bei der Award-Show leer aus, für viele war Anderson dennoch die Frau des Abends. Auch weil sie, wie zuletzt immer häufiger, bei ihrem Red-Carpet-Auftritt größtenteils auf Make-up verzichtete. Keine Mascara, kein Lippenstift, nur ein Hauch Foundation und Rouge. Dafür Sommersprossen, Lachfalten und ein Strahlen, das ganz ohne Highlighter von innen kam. „Ich fühle mich heutzutage ohne Make-up am wohlsten, aber das bedeutet nicht, dass ich es nicht liebe, anspruchsvoll, elegant und glamourös zu sein“, erklärte sie.


Vom Sexsymbol zur No-Make-up-Ikone: Bei öffentlichen Auftritten setzt Pamela Anderson auf Natürlichkeit, wie bei den British Academy Film Awards im Februar in der Londoner National Gallery.
© Getty ImagesIhre Version der Geschichte
Mit ihrer unangestrengten Natürlichkeit hält sie der oberflächlichen Film- und Fernsehbranche Hollywoods den Spiegel vor. Eine kraftvolle Geste, schließlich wurde Anderson jahrelang auf ihr Äußeres reduziert. Über die Schauspielerin wurden viele Geschichten erzählt. Unzählige davon waren sexistisch, übergriffig und respektlos. Vor allem aber wurde Anderson oft unterschätzt – als Schauspielerin und als Frau. In der 2023 erschienenen Netflix-Dokumentation „Pamela, A Love Story“, die von ihrem Sohn Brandon Lee produziert wurde, bekommt man einen ehrlichen Eindruck davon, was die 57-Jährige tatsächlich ausmacht. Man lernt sie als humorvolle, feinfühlige Frau kennen. „Kein Opfer, aber eine Überlebende“, schrieb Anderson in ihrer Ankündigung dazu. Am gleichen Tag erschien auch ihre Autobiografie mit dem ähnlichen Titel „Love, Pamela“.
In ihren 50ern will die gebürtige Kanadierin vor allem eines: ihre Version der Geschichte erzählen. Dazu gehören das Aufwachsen in ärmlichen Verhältnissen, sexuelle Übergriffe bereits in jungen Jahren und ihre ewige Suche nach der großen Liebe in teilweise toxischen Beziehungen mit Rockstars. Aber auch die grenzenlose Liebe zu ihren beiden Söhnen Brandon und Dylan Lee, ihre Leidenschaft für Bücher und das Schreiben sowie ihr unerschütterlicher Einsatz für Frauenrechte und Tierschutz. Seit 1997 unterstützt Pamela Anderson etwa die Tierschutzorganisation Peta mit Spenden und Kampagnen, mittlerweile wurde sie zur Ehrendirektorin ernannt. „Ich hatte es satt, die ganze Zeit öffentlich über meine Partner und meine Brüste zu sprechen. Aber ich dachte, wenn ich es mit Tierschutz- oder Umweltaktivismus verbinde, hat es zumindest einen Nutzen“, erinnert sich die 57-Jährige in ihrer Doku an jene Zeit, in der sie beschloss, selbst zu steuern, mit welchen Inhalten sie in der Öffentlichkeit steht.
Ich hatte es satt , die ganze Zeit öffentlich über meine Partner und meine Brüste zu sprechen.
Vom Rock'n'Roll zum Aktivismus
Ihr Körper wurde nicht mehr (nur) für „Playboy“-Cover in Szene gesetzt, sondern schmückte fortan Kampagnen gegen Pelz und für vegane Ernährung. Mit ihrem Kochbuch „I Love You. Meine Herzensrezepte“, dessen deutsche Ausgabe vor Kurzem erschienen ist, will Anderson dazu auch andere inspirieren und zeigen, „dass gesundes Essen kein bisschen langweilig ist“. Ihr geht es vor allem um den nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln. Die Schauspielerin macht es vor: Das Obst und Gemüse, das zu Hause auf ihrem Teller landet, baut sie in ihrem Garten selbst an. 2021 hat die Kanadierin ihr Strandhaus in Malibu verkauft, um zu ihren Wurzeln nach Vancouver Island an die kanadische Pazifikküste zurückzukehren und wieder zu sich selbst zu finden. Seitdem lebt die 57-Jährige mit ihren Hunden in ihrem Landhaus mitten im Grünen – gleich neben ihren Eltern. Für sie ist der kleine Ort in British Columbia „einer der schönsten der Welt“. Nach ihren turbulenten Jahren im Rampenlicht kann Anderson dort zur Ruhe kommen und Kraft in der Natur tanken.
„Man könnte sagen, dass es eine Art Heimkehr war, um mein Leben zu betrachten und mich daran zu erinnern, wer ich war – nicht, was andere Leute mir sagten, wer ich war.“ Ihre frühe Karriere ging nicht spurlos an ihr vorüber, wie sie dem US-Magazin Variety erzählte: „Ich bin einfach froh, hier zu sein, in diesem Moment, denn ich glaube, ich leide seit ein paar Jahrzehnten an Depressionen.“ Hinzu kam eine Hepatitis-C-Infektion durch eine Tätowiernadel 2002, mit der die „Baywatch“-Ikone jahrelang zu kämpfen hatte. Durch eine kostspielige medikamentöse Behandlung konnte sie die gefährliche Erkrankung der Leber vor zehn Jahren überwinden. 2015 erklärte sie, sie sei geheilt.


Privat lebt die 57-jährige Schauspielerin vegan – und inspiriert in ihrem Kochbuch „I Love You. Meine Herzensrezepte“ (Christian Verlag, € 31,50) auch andere dazu.
© Christian VerlagAchtsame Ikone
Ihre Offenheit und ihr Imagewandel hin zu mehr Achtsamkeit verschafften Anderson letztlich spannende neue Aufträge: 2022 wurde sie für die Rolle der Roxie Hart im Musical „Chicago“ am Broadway engagiert. 2023 gründete sie die tierversuchsfreie und vegane Hautpflegemarke Sonsie Skin mit. In Interviews rund um „The Last Showgirl“ betont Anderson immer wieder, sie fühle sich heute authentischer denn je und sei überzeugt, ihr Strahlen komme von innen. Ihr Wohlfühlrezept: „Ich pflege meine Haut gut, achte auf meine Ernährung und verbringe viel Zeit in der Natur, schreibe Tagebuch.“ Die 57-Jährige sieht ihr Comeback viel eher als neues Lebenskapitel, in dem sie sich endlich so zeigen darf, wie sie wirklich ist. „Ständig wird Frauen gesagt, was sie falsch machen“, kritisiert Shelly in „The Last Showgirl“. Ein Zitat, das auch von Pamela Anderson stammen könnte. Ihr Leben lang musste sie lernen, sich von der Meinung anderer abzugrenzen. Jetzt ist sie endlich an ihrem Happy Place angekommen.