Das steckt wirklich hinter dem Toxischen Schocksyndrom
©Elke MayrLangsam aber sicher wird die Menstruation enttabuisiert - finally! Wenn es ums Thema Hygieneartikel und damit verbundene Nebenwirkungen geht, sieht es aber eher schlecht aus. Das Toxische Schocksyndrom (TSS) ist dabei eine der vielen, potenziell sehr gefährlichen Folgen von Unwissenheit.
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Als ich das erste Mal einen Menstruationsartikel in der Hand hielt, war ich wahrscheinlich erst um die sechs Jahre alt - nicht, weil ich selbst blutete, sondern, weil meine Mutter ihre Hygieneprodukte,vor allem (Soft-)Tampons, im Badezimmer aufbewahrte. Wieso auch nicht? Frühe Aufklärung lobt sich!
Die Nutzung von Tampons war für mich seither also absoluter Normalzustand. Vor den Schattenseiten wie TSS, die damit einhergehen, wurde ich hingegen nicht gewarnt - und die können wirklich sehr dunkel ausfallen.
Was hat es mit dem Toxischen Schocksyndrom (TSS) auf sich?
Nachdem das Model Lauren Wasser im Jahr 2012 ein Bein verlor, gab es einen viralen Aufschrei - nur ein paar Jahre später musste auch ihr zweiter Unterschenkel amputiert werden. Der Grund: Toxisches Schocksyndrom.
Beim Toxischen Schocksyndrom, kurz TSS, handelt es sich um eine seltene, aber potenziell tödlich endende Blutinfektion, die durch ein bakterielles Toxin verursacht wird. Bei den grippeähnlichen Anzeichen ist eine Fehldiagnose - oder einfach gar keine Diagnose - leider keine Seltenheit. Sollte schweres Organ- oder Kreislaufversagen eintreten, ist die Situation meist schon ziemlich brenzlig.
Da TSS nicht meldepflichtig ist, kann nicht genau gesagt werden, wie viele Personen tatsächlich daran erkranken. Die Wahrscheinlichkeit ist eher gering. Schätzungen des Robert Koch-Instituts zufolge sind ungefähr 3 bis 6 von 100.000 Frauen betroffen.
Wo liegt der geschichtliche Ursprung der Krankheit?
Die USA machen es mal wieder (falsch) vor: Im Jahr 1980 starben 38 Frauen an den Folgen des Toxischen Schocksyndroms. Wie im Nachhinein festgestellt wurde, benutzten zwei Drittel der erkrankten Patient:innen sogenannte "superabsorbierende" Tampons. Zur damaligen Zeit machte dies einen Marktanteil von 17,2% aus - und das ist viel!
Paradox, wenn das Hygieneprodukt irgendwie doch nicht mehr so hygienisch ist. Die Tamponindustrie von heute hat daraus gelernt: Tamponverpackungen weisen zumindest auf TSS hin. Aber jetzt mal ehrlich, wer liest sich das wirklich alles durch?
Entsteht TSS durch die Nutzung von Tampons?
Ich weiß, das kommt jetzt wahrscheinlich unerwartet, aber die "Tamponkrankheit" lässt sich gar nicht unbedingt auf eben solche zurückführen. Primär dafür verantwortlich sind Bakterien wie Streptokokken oder Staphylokokken. Es wird aber noch wilder! Der Mensch trägt diese sogar von Haus aus im Körper mit sich herum. Dies allein führt aber nicht dazu, dass das Toxische Schocksyndrom ausgelöst wird.
Erst, wenn das Bakterium über eine offene Wunde in unseren Blutkreislauf gelangt, wird ein Gift produziert, dass den letztendlichen Schock verursacht - zumindest, sollten noch keine Antikörper vorhanden sein, was vor allem im jungen Alter eben selten der Fall ist. Bei offenen Wunden kann es sich beispielhaft um Verbrennungen, Insektenstiche oder auch Hauterkrankungen handeln. Lange Rede, kurzer Sinn: Auch Männer können ohne Tampon TSS bekommen - und auch Männer können ihre Menstruation haben, nur mal so am Rande.
Gibt es denn überhaupt eine Verbindung zur Menstruation?
Ja, die gibt es! Obwohl das Toxische Schocksyndrom theoretisch nicht als Tamponkrankheit verbreitet werden sollte, hat es schon seine Berechtigung, dass es als solche betitelt wird. Die bereits erwähnten Staphylokokken können auch in der Scheidenflora vorkommen - wo sie erst einmal keiner Seele etwas antun. In Kombination mit der Periode und dem feucht-warmen Milieu der Vagina haben Bakterien aber die ultimativen Voraussetzungen, um sich zu vermehren. Bis hierhin sind TSS-Beschwerden aber immer noch untypisch.
Erst jetzt kommen Menstruationsartikel wie Tampon und Menstruationstasse ins Spiel! Wenn wir an offene Wunden denken, haben wir wahrscheinlich ein ziemlich grauenhaftes Bild im Kopf. Als offene Wunde zählt aber auch schon ein kleiner Kratzer an der Scheidenwand, wodurch die Bakterien final in den Blutkreislauf gelangen können. Verletzungen oder auch Irritationen wie diese entstehen bereits durch nur leichte Druckstellen.
Inwiefern Tampons selbst und deren Inhaltsstoffe wirklich mit TSS zusammenhängen, ist bis heute nicht ganz geklärt. Fakt ist: Es ist nicht gesund, Tampons oder andere Menstruationsartikel über einen längeren Zeitraum im Körper zu lassen. Sie trocknen nicht nur die Vagina komplett aus, sondern sind auch Bazillenschleuder und beinhalten meist irritierende Duftstoffe. Habt aber bitte nicht direkt Panik, solltet ihr gerne Tampons benutzen.
Welche Symptome kommen bei TSS üblicherweise vor?
Bei den Symptomen handelt es sich - wie bereits weiter oben angerissen - um eine tricky Angelegenheit. Sie treten nicht nur plötzlich auf, sondern entwickeln sich auch innerhalb weniger Stunden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass schnell gehandelt werden muss. Wer folgende Anzeichen feststellt, ohne sie wirklich zuordnen zu können, sollte also lieber eine:n Ärzt:in aufsuchen:
Fieber
Erbrechen
Durchfall
sonnenbrandähnlicher Ausschlag
gerötete Augen
Schwindel
Benommenheit
Kopfschmerzen
Muskelschmerzen
Blutdruckabfall
Wenn du derzeitig tatsächlich deine Periode haben solltest und die Symptome auf dich zutreffen, kannst du schon von zu Hause aus reagieren. Erstmal: Ruhig bleiben! Dein Körper ist schon gestresst genug. Die allererste Amtshandlung ist es, mit sauberen Händen dein momentanes Menstruationsprodukt zu entfernen - sei es Binde, Tampon oder Menstruationstasse. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses TSS ausgelöst hat, ist ziemlich wahrscheinlich.
Dann heißt es: Ab zur ärztlichen Untersuchung, denn nur Expert:innen können sowohl eine eindeutige Diagnose als auch die benötigte Behandlung stellen. Wird TSS zu spät erkannt, kann es zu irreversible Folgen für Organe wie Leber, Lunge, Herz und Nieren kommen. Was du definitiv nicht machen solltest, ist googlen! Demnach wäre es für dich nämlich schon vor 12 Minuten zu spät gewesen.
Wie läuft eine TSS-Behandlung ab?
Damit das Toxische Schocksyndrom diagnostiziert werden kann, müssen drei oder mehr dieser Organsysteme beteiligt sein: die Muskulatur, die Schleimhäute, die Nieren, die Leber oder der Verdauungsapparat.
Um eine finale Diagnose stellen zu können, ist die Entnahme einer Schleimhautprobe notwendig - sollte es menstruationsbedingtes TSS sein, so betrifft dies die Vaginalschleimhaut. Hier wird dann nach den jeweiligen Erregern gesucht.
Nicht selten befindet sich der Infektionsort tief im Körper, wo sich eine Probenentnahme schwierig darstellt. In solchen Fällen kann TSS durch eine Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) festgestellt werden. Die eigentliche Behandlung ist nicht einmal so kompliziert: Meist erfolgt eine Desinfektion der betroffenen Stelle und die Verabreichung von Antibiotika.
Was kann getan werden, um dem Toxischen Schocksyndrom vorzubeugen?
Kurz vorweg: Wir sind keine Fachärzt:innen. Da TSS sowieso leider nach wie vor eine eher unbekannte Krankheit ist, gibt es noch keine perfekte Lösung. Wir können lediglich ein paar Tipps und Tricks weitergeben, die dir dein Leben etwas erleichtern könnten - so erging es zumindest ein paar der an TSS leidenden Patient:innen.
Tampons, Binden und Menstruationstassen weglassen
Der wohl einfachste und naheliegende Weg ist es, komplett auf Tampons und Menstruationstassen zu verzichten. Denn: Wer einmal TSS hatte, kann es wieder bekommen. Statt einzuführenden Menstruationsartikeln gibt es beispielsweise wirklich gute Periodenunterwäsche, die nicht nur sexy aussehen kann, sondern auch ihren Zweck erfüllt.
"Wir wollen einen emanzipierten, fairen und nachhaltigen Flow für alle", heißt es auf der Website von KORA MIKINO - eins der bekanntesten Periodenwäsche-Unternehmen im deutschen Raum. Aber: Die Panties sollen und müssen natürlich auch gewechselt werden, am besten nach spätestens 12 Stunden.
Tipp: Hier findest du teilweise gute Alternativen für Tampons & Co.
Zeit im Blick behalten
Wer noch nicht ganz dazu bereit ist, komplett auf Tampons oder ähnliches zu verzichten, sollte zumindest auf die Vorgaben achten. Hygieneartikel müssen regelmäßig - bei Tampons im Durchschnitt nach vier Stunden, bei Menstruationstassen nach acht Stunden - gewechselt werden. Nimm dir all die Zeit, die du brauchst und schäme dich nicht, in der Öffentlichkeit einen Tampon aus der Tasche zu holen. Glaub' mir, es gibt nichts Normaleres.
Außerdem: Laut einer Studie der Wissenschaftler:innen Hanna A. Bruce und Philip M. Tierno, Jr. können Tampons aus Biobaumwolle das Risiko von TSS reduzieren. Hey, immerhin etwas!
Hände waschen, bitte!
Wenn wir eins gelernt haben, dann ist es, wie wichtig Hygiene ist. Daher: Einfach gründlich die Hände waschen - und das nicht nur danach, sondern auch davor! Dazu gehören auch die Fingerzwischenräume und Handgelenke. Wer beispielsweise vorher eine Stunde mit dem Zug gefahren ist und sämtliche Türen angefasst hat, sollte ungewaschen keine empfindlichen Bereiche wie die Vulva und Vagina berühren. Achtet auf euch und euren Körper, immer und überall, egal ob Regelblutung oder nicht.