Vom skeptisch beäugten Dragphänomen, bis zur allseits beliebten glamourösen Sängerin. Von Conchita Wurst, über WURST bis hin zu Tom Neuwirth. Über einen Künstler, der sich immer wieder neu erfindet und eine Frau mit Bart, die eine einzigartige Karriere hingelegt hat. Ein Portrait über Conchita Wurst.
- Steckbrief: Conchita Wurst
- Das Phänomen Conchita Wurst
- Tom Neuwirth: das Leben vor Conchita
- Die Geburtsstunde von Conchita Wurst
- Rising like a Pheonix: der Beginn einer großen Karriere mit dem Gewinn des Eurovision Song Contests
- Eine Karriere wie aus dem Bilderbuch
- Ikone der LGBTQIA+-Community
- Conchita Wurst: "Bin seit vielen Jahren HIV-positiv"
- Tom Neuwirth: Warum Conchita sterben muss
- Von Tom zu Conchita Wurst zu WURST
- Tom Neuwirth & Conchita – "Spreading happiness in the world"
Von Tom Neuwirth zu Conchita Wurst. 2014 begeisterte sie ganz Europa und setzte mit ihren Auftritt beim Eurovision Song Contest in klares Statement für Vielfältigkeit. Wer hinter der Person Conchita Wurst steht, sehen wir uns einmal genauer an.
Das Phänomen Conchita Wurst
Als die Figur Conchita Wurst 2011 erstmals auf einer Bühne und vor laufenden Fernsehkameras auftrat, war das Erstaunen groß. Eine glamouröse, schicke Frau mit Bart, die singen kann? Das österreichische Publikum war zunächst skeptisch, doch mit dem Erfolg beim "Eurovision Song Contest" 2014 und ihrer entwaffnenden Art sollte Conchita innerhalb weniger Jahre eine Karriere gelingen, die ihres gleichen sucht und dadurch die ganze Welt erobern.
"Spreading happiness in the world" ist ihr Motto. Doch Tom Neuwirth, der Mann, der Conchita Wurst Leben einhauchte, hatte einen nicht immer einfachen Weg bis hin zu seinen viel umjubelten Auftritten als Dragkünstler und Sänger.
Sein Anderssein als Kind im ländlichen Oberösterreich, der Weg zum Coming-out, das dann öffentlich während seiner Teilnahme an der Castingshow "Starmania" stattfand, bis hin zum publik machen seiner HIV-Infektion – eine bewegte Geschichte. Was wir auch nicht vergessen dürfen, vor einigen Jahren wollte er doch tatsächlich Conchita töten.
Tom Neuwirth: das Leben vor Conchita
Tom Neuwirth wuchs in Gmunden in Oberösterreich auf. Das er anders war, als andere Kinder und damit aus dem Rahmen fiel, bemerkte er schon früh. So trug er gerne Röcke in der Schule, was ihm auch viel Kritik einbrachte. Doch sein Gespür für Mode – Victoria Beckham ist sein erklärtes Fashion-Icon – und der spätere Besuch der Modeschule, sollte ihm in seiner Karriere noch sehr nützlich sein.
2006 nahm Tom an der dritten Staffel der TV-Castingshow "Starmania" des ORF, welche von Arabella Kiesbauer moderiert wurde, teil, in der er Zweiter wurde. Danach gründete er 2007 zusammen mit Falco De Jong Luneau, Johannes "Johnny" K. Palmer und Martin Zerza die Boyband "jetzt anders!". Diese löste sich jedoch bereits im selben Jahr wieder auf und es wurde ruhiger um Tom Neuwirth.
Die Geburtsstunde von Conchita Wurst
Doch 2011 betrat Conchita Wurst die öffentliche Bühne. "Conchita", zu Deutsch "Vagina" ist der portugiesische Inbegriff der Weiblichkeit. "Es ist Wurst, woher man kommt und wie man aussieht", nach diesem Motto lebt die Powerfrau, was den Nachnamen erklärt. Eine faszinierend, glamouröse Erscheinung, mit einem Erkennungsmerkmal, das im Kontrast zu ihrem sonst so als weiblich gelesenen Äußeren steht: ein perfekt gestutzter Bart, ihr Markenzeichen.
"Vor allem der Bart ist ein Mittel für mich, zu polarisieren, auf mich aufmerksam zu machen. Die Welt reagiert auf eine Frau mit Haaren im Gesicht. Was ich mir wünsche, wäre, dass sich die Leute ausgehend von meiner ungewöhnlichen Erscheinung Gedanken machen – über sexuelle Orientierung, aber genauso über das Anderssein an sich. Manchmal muss man den Menschen einfach und plakativ klarmachen, worum es geht." – so Conchita Wurst im Kurier 2013.
Bei ihrem ersten großen Auftritt in der Talentshow "Die große Chance" belegte sie zwar nur den sechsten Platz, aber die Aufmerksamkeit war Conchita sicher. So folgte 2011 auch die Veröffentlichung ihrer ersten Single "Unbreakable". 2012 folgte dann "That's what I am". Doch der große Ruhm ließ noch auf sich warten, auch eine Teilnahme an der RTL-Show "Wild Girls – Auf High Heels durch Afrika" 2013 änderte daran zunächst nichts. Bis sie im Jahr 2014 die Möglichkeit bekam, beim "Eurovision Song Contest" für Österreich anzutreten.
Rising like a Pheonix: der Beginn einer großen Karriere mit dem Gewinn des Eurovision Song Contests
Doch im Vorfeld ihres Auftritts beim "Eurovision Song Contest" 2014 in Kopenhagen sorgte auch für viel Kritik, besonders von konservativer Seite. So ortete etwa Polen den "Verfall des modernen Europas". Doch Conchita Wurst lies sich nicht einschüchtern und antwortete in ihrer entwaffnenden und offenen Art:
"Wie würde es euch gehen, wenn eure Freunde, Verwandten, Kinder, Kollegen usw. auf diese Weise beschimpft werden? Ich bin mir sicher, dass es in eurer näheren Umgebung ebenfalls Menschen gibt, die 'anders' sind. In diesem Sinne kämpfe ich weiterhin GEGEN Diskriminierung und FÜR Toleranz. Denn ich bin davon überzeugt, dass im 21. Jahrhundert wirklich JEDER Mensch das Recht hat, so zu leben, wie er möchte, solange niemand anderer in seiner Freiheit eingeschränkt oder verletzt wird. Und soweit ich weiß, habe ich niemandem weh getan", schrieb Conchita Wurst in einem Statement auf Facebook
Allerdings sollten diese Kritiker bald verstummen, in den Begeisterungsstürmen die ihrem Sieg beim Song Contest folgen sollten. Rise like a Phoenix, den Titel ihres Siegerliedes nahm Conchita Wurst wörtlich und startete eine große Karriere.
Eine Karriere wie aus dem Bilderbuch
Ob Empfang beim österreichischen Bundeskanzler und Bundespräsidenten, ein kleines Konzert am Rathausplatz in Wien oder auch dutzende Auftritte in TV-Shows sowie Konzerte in über 20 Ländern – Conchita Wurst wurde weltbekannt und feierte große Erfolge. So gewann die Sängerin drei "Amadeus Awards" unter anderem als Künstler des Jahres. Ende 2014 veröffentlichte Conchita Wurst die Single "Heroes", Anfang März 2015 folgte "You are unstoppable". Im selben Jahr erschien auch ihr erstes Album: "Conchita".
Ikone der LGBTQIA+-Community
Conchita Wurst feierte nicht nur mit ihrer Kunst Erfolge, sondern setzt sich seit Anbeginn ihrer Karriere auch für die Rechte der LGBTQIA+-Community ein. So sprach sie z. B. vor dem Europa Parlament und auch mit dem damaligen UN-Generalsekretär Ban Ki-moon über das Ende der Diskriminierung von LGBTQIA+-Menschen.
2019 wurde sie Botschafter in der EuroPride Vienna und unterstützte jahrelang den Lifeball, die weltbekannte AIDS-Charity-Veranstaltung in Wien.
Außerdem ist Conchita seit 2022 Ambassador für die "waterdrop Pride-Kampagne" ("Drink More Water, BE PROUD"). Hierfür gibt es limitierte Flaschen und Drops im Regenbogendesign und für jede verkaufte Flasche werden internationale und lokale Einrichtungen unterstützt, die sich für die Rechte von LGBTQIA+-Personen und gegen Diskriminierung einsetzen.
Conchita Wurst: "Bin seit vielen Jahren HIV-positiv"
Je größer die Erfolge Conchitas wurden, desto mehr rückte nicht nur Conchitas, sondern auch das Privatleben ihres Erschaffers Tom Neuwirth ins Licht der Öffentlichkeit. So war auch das öffentliche Statement Neuwirths über seine HIV-Infektion kein freiwilliges, sondern durch Erpressung eines Ex-Freundes erzwungen.
Tom Neuwirth ließ sich davon aber nicht einschüchtern und machte seine Erkrankung, die medikamentös sehr gut behandelt wird, öffentlich. Nicht erst seitdem macht er sich die Aufklärung über gängige Vorurteile die HIV-Infektionen und AIDS betreffen zu einer wichtigen Aufgabe.
Tom Neuwirth: Warum Conchita sterben muss
Doch zurück zu Conchita, die 2017 mit einer Aussage in den Medien aufhorchen ließ: Conchita muss sterben. Die Aufregung, die auf diese Aussage folgte, war groß. Was bedeutet das und welche Konsequenzen wird diese Aussage haben?
Es war an der Zeit sich selbst neu zu erfinden. Tom Neuwirth hatte einfach Lust auf Veränderung, auf ein Ende dieser Perfektion, die Conchita mit sich brachte. Denn der Druck, perfekt auszusehen, alles perfekt zu machen, war groß. Nicht zuletzt auch, weil Neuwirth sich diesen selbst auferlegt hatte. So wurde 2019 aus Conchita Wurst einfach WURST mit einer deutlich männlicheren Seite.
Von Tom zu Conchita Wurst zu WURST
So waren auf dem ersten Album von Wurst, "T.O.M.", deutlich andere Klänge zu hören, als wir es alle von Conchita gewöhnt waren, nämlich Elektropop. Keine Streichorchester, keine großen dramatischen Gesten, kein Glam-Pop. Diese Verwandlung sollte auch nicht die letzte bleiben. Dabei veränderte sich nicht nur die Frisur von Tom Neuwirth aka Conchita, aka WURST, sondern auch sein Stil.
Nach und nach fielen lange Haare und lange Fingernägel ab, stattdessen kam eine trainierter Künstlerin in Latex zum Vorschein. Eine Persönlichkeit, die wenig Wert darauf legt welche Erwartungen andere an sie/ihn haben. Denn hier verschwimmen die Grenzen zwischen Conchita und Tom immer mehr. Es zeigt sich, wie wandelbar der Künstler hinter Conchita und WURST ist. Jemand, der sich immer wieder gerne neu erfindet.
Tom Neuwirth & Conchita – "Spreading happiness in the world"
Aktuell verbreitet der Sänger Tom Neuwirth mit Songs wie "CAR (IDHLARGT)" oder auch "Paris (Savoire-Vivre)" positive Stimmung. Mit diesen Liedern möchte Tom daran erinnern, dass wir es in der Hand haben, wie wir unser Leben betrachten. Sehen wir nur die Schattenseiten oder legen wir den Fokus eher auf die sonnigen Seiten in unserem Leben? All dies liegt bei uns.
Rauen Zeiten mit viel Optimismus entgegentreten, das ist das Motto von Tom Neuwirth, der sich mit seiner neuen musikalischen Richtung wieder einmal neu erfunden hat. Doch was ist mit Conchita? Ist sie Geschichte?
Ganz und gar nicht, nicht nur auf der Website des vielseitigen Künstlers hat Conchita Wurst ihre eigene Plattform bekommen – Wurst TV. Conchita hat auch weiterhin ihren Platz auf Bühnen und in TV-Formaten. "Spreading happiness in the world", das ist allen Alter Egos von Tom Neuwirth gemein und so zeigt uns ein Künstler, wie viele Seiten und Persönlichkeiten ein Mensch haben kann. Ein Spiel mit Klischees, ein Vorhalten von Vorurteilen, ein Denken über Schubladen hinaus.