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"First Volunteer" statt First Lady: Doris Schmidauer im Interview

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12 min

©WOMAN/Christoph Liebentritt
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Zukunft wird mit Mut gemacht: Beim WOMAN ELEVATE Circle motivierte Doris Schmidauer, für eine faire Gesellschaft zu kämpfen und Veränderungen selbst zu initiieren. Wie es ihr gelingt, optimistisch in die Zukunft zu blicken.

“Als ich zuletzt hier war, haben wir uns über den Wahlsieg meines Mannes gefreut“, erzählt Doris Schmidauer, als wir sie zum ersten WOMAN ELEVATE Circle 2025 im Motto am Fluss begrüßen. “Mit diesem positiven Gefühl gehe ich jetzt in unser Gespräch.“ Die Frau des Bundespräsidenten hat mit ihrem Einsatz für Gleichstellung, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung in den vergangenen Jahren wichtige Akzente gesetzt. Die studierte Politikwissenschaftlerin ist überzeugt: Alles, was Frauen verbindet und ein positives Gefühl des Miteinander stärkt, ist gerade jetzt umso wichtiger. Sie selbst bezeichnet sich nicht als First Lady, sondern als First Volunteer – eine Haltung, die ihr Engagement und ihre Werte unterstreicht. Wir sprachen mit Doris Schmidauer über Selbstbestimmung in schwierigen Zeiten: Wie jede:r Einfluss nehmen und gegen Missstände ankämpfen kann – und warum unsere Gesellschaft dieses kraftvolle Potenzial braucht.

WOMAN: 

Frau Schmidauer, wie haben Sie die vergangenen Wochen erlebt?

Doris Schmidauer: 

Es sind bewegende Zeiten – in Österreich und weltweit. Bei all den Herausforderungen und Schwierigkeiten, die wir alle tagtäglich mitbekommen, ist es umso wichtiger, dass man nie vergisst, dass man immer selbst Einfluss nehmen kann – egal in welcher Rolle oder Funktion man ist. Man bestimmt seine Umgebung und sein Leben mit. Es gibt immer eine Aktivität, in der man Sinn findet und sich in die Gesellschaft einbringen kann.

WOMAN: 

Ich hab Sie letztes Jahr mit der deutschen First Lady Elke Büdenbender und der ehemaligen isländischen First Lady Eliza Reid zum Interview getroffen. Wir haben über Fragen diskutiert, die Sie im Zusammenhang mit Gleichberechtigung nicht mehr hören können, und Sie haben gesagt: „Warum brauchen wir Gleichberechtigung? Haben wir die nicht eh schon längst?“ Wie können wir als Gesellschaft den Punkt erreichen, an dem wir nicht mehr darüber debattieren müssen, warum das wichtig ist?

Doris Schmidauer: 

Das kann ich klar beantworten: Wenn es tatsächlich Halbe-halbe gibt – und zwar auf allen Ebenen. Damit meine ich auch die Verteilung der unbezahlten Arbeit. Frauen leisten noch immer den Großteil davon, und das ist in vielen Punkten ein Hindernis, auch wenn es darum geht, weitere Karriereschritte zu setzen. Frauen machen 50 Prozent der Menschheit aus, deswegen stehen uns auch auf allen Ebenen diese 50 Prozent zu. So wie den Männern 50 Prozent der Care-Arbeit zustehen.

WOMAN: 

Was haben Sie durch Ihr Engagement über Feminismus gelernt?

Doris Schmidauer: 

Ich bin froh, dass der Feminismus in Teilen der Gesellschaft angekommen ist. Ich finde es heute wichtiger denn je, Feministin zu sein. Und ich merke, dass sich diese Überzeugung, je älter ich werde, verstärkt. Man wird immer ungeduldiger. Jedes Jahr hört man wieder die Zahlen zu Gender-Pay-Gap und Co., und man denkt sich: Wie kann das sein, dass wir immer noch nicht weiter sind? Warum bewegt sich so wenig? Wieso geht es so langsam?

WOMAN: 

Insgesamt heißt es, dass es bis zur weltweiten Gleichstellung noch 134 Jahre dauert. Wie soll man angesichts dessen nicht den Mut verlieren?

Doris Schmidauer: 

Das ist natürlich inakzeptabel – und sollte eigentlich unseren Kampfgeist stärken: Das lassen wir uns nicht bieten. Vor allem ist es auch ein ökonomisches Argument: Es ist in vielen Fächern ja schon so, dass Frauen die höheren Bildungsabschlüsse haben, dieses Potenzial braucht unser Land dringend. Und deshalb ist es so wichtig, dass unbezahlte Arbeit gerechter verteilt wird und es gute Kinderbetreuungseinrichtungen gibt. Damit ich es auch einmal klar gesagt habe: Wenn ich Diskussionen über die sogenannte Herdprämie höre, empfinde ich das als riesengroßen Rückschritt.

Frauen machen 50 Prozent der Menschheit aus, deswegen stehen uns auch auf allen Ebenen diese 50 Prozent zu. So wie den Männern 50 Prozent der Care-Arbeit zustehen.

Doris Schmidauer
WOMAN: 

Angenommen, Sie dürften zum Weltfrauentag für 24 Stunden alle politischen Entscheidungen zu Frauenrechten treffen: Was würden Sie ändern?

Doris Schmidauer: 

Man kann auf verschiedenen Ebenen ansetzen, aber Quotenregelungen sind extrem wichtig. Genauso die Lohntransparenz, da warten wir auf die Umsetzung der EU-Lohntransparenz-Richtlinie. Und das Dritte wäre eine Änderung der derzeitigen Karenzregelungen. Ich weiß, dass das in Österreich schwierig ist, weil hier die Meinungen sehr auseinandergehen, aber genau dieser Punkt war in Island der Gamechanger. Beide Elternteile nehmen dort zu gleichen Teilen ihren Anspruch auf bezahlte Elternkarenz wahr. Väter nehmen also ihre Karenzzeit ganz selbstverständlich in Anspruch, da wird niemand schief angeschaut. Ich denke, es ist essenziell, dass hier beide Elternteile gleichermaßen Verantwortung übernehmen. Es ist sicher auch für die Kinder schön und bedeutsam, wenn nicht nur ein Elternteil daheim ist. Das ist doch für alle ein Gewinn.

WOMAN: 

Welche Erlebnisse haben Sie in puncto Feminismus geprägt?

Doris Schmidauer: 

Das hat schon in der Schule begonnen. Ich war in einer reinen Mädchenklasse in einer eigentlich konservativen Schule, aber wir hatten junge, engagierte Lehrerinnen, die uns dafür sensibilisiert haben. In der Oberstufe haben wir uns die erste „Emma“ gekauft und nachgelesen, was da so los ist in der Welt. (lacht) Die zweite Erfahrung ist eine familiäre: Meine Mutter war ausgebildete Erzieherin, sie ist aber, nachdem mein Bruder und ich geboren waren, zu Hause geblieben, mein Vater war der Ernährer der Familie. Durch dieses Erleben und viele Diskussionen mit meinem Vater, der mich in meiner Karriere immer unterstützt hat, das bei der eigenen Frau aber noch anders gesehen hat, habe ich viel gelernt. Auch meine Mama hat immer gesagt: ”Schau, dass du einen Beruf hast und deine eigene Pension erwirbst.“

WOMAN: 

Sie wollten nie die klassische Rolle der First Lady einnehmen und haben sich in den vergangenen Jahren immer gern als „First Volunteer“ bezeichnet. Wie verstehen Sie Ihre Rolle?

Doris Schmidauer: 

Für die sogenannte First Lady gibt es ja keine Job Description. Es gibt natürlich gewisse protokollarische Aufgaben und viele Erwartungen, aber es liegt schon an einem selbst, was man daraus macht. Ich hatte auch schon davor bestimmte Themen, für die ich mich eingesetzt habe, und ich habe mir genau überlegt: Was kann ich gestalten? Vor allem Projekte rund um die Themen Geschlechtergerechtigkeit, Kinderrechte und Klimaschutz sind mir Herzensanliegen. Die Hofburg soll ein Ort der Begegnung und des Austausches für alle sein, und ich möchte auch als jemand in Erinnerung bleiben, die unterschiedliche Menschen zusammengebracht hat, weil ich schon viel Wert darauf lege, Leute miteinander bekannt zu machen, die nicht dieselbe Meinung vertreten. Dann sieht man: Auch wenn man unterschiedliche Zugänge hat, kann man sich auf Augenhöhe unterhalten, aktiv zuhören, aufmerksam sein.

WOMAN: 

In den vergangenen Jahren haben Sie viele bemerkenswerte Persönlichkeiten kennengelernt: Welche Begegnung hat Sie am meisten beeindruckt?

Doris Schmidauer: 

Da gibt es viele interessante Erlebnisse, aber wenn ich eines herauspicken muss: Im September begleite ich meinen Mann oft zur UNO-Generalversammlung nach New York. Das ist ein besonderer Ort, weil hier „die ganze Welt“ zusammentrifft. Ich bin auch regelmäßig in Kontakt mit den UNO-Frauenorganisationen, die international unglaublich gute Arbeit leisten und etwa auch in Afghanistan trotz der prekären Sicherheitssituation immer noch Wege finden, Frauen zu schützen und die Hoffnung nicht aufzugeben. Wenn ich mit ihnen spreche, da wird nicht gejammert, sie sehen immer die Optionen. Sie imponieren mir sehr, da nehme ich so viel mit.

WOMAN: 

In Ihrer öffentlichen Rolle müssen Sie natürlich objektiv sein. Wann gelingt Ihnen das trotzdem nicht?

Doris Schmidauer: 

Das haben Sie, glaube ich, heute schon gehört: Wenn es um Menschen- und Frauenrechte geht, verschweige ich mich nicht. Was mir dabei am Herzen liegt, ist, unterschiedliche Frauen wie Männer zu versammeln und Verbündete für die Rechte der Frauen zu finden. Dazu fällt mir ein Zitat von Johanna Dohnal ein: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft.“ Das wünsche ich mir für uns alle.

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Das erste Buch von Doris Schmidauer “Land der Töchter zukunftsreich“, aufgezeichnet von Politologin Nina Horaczek, soll mehr als eine Autobiografie sein – was sie an die nachfolgenden Frauengenerationen weitergibt. Molden Verlag, € 26,–.

Über die Autor:innen

Bild von Melanie Zingl

Melanie Zingl

Chefredakteurin für Gesellschaft, Karriere & Kultur

Melanie ist seit 2007 bei der Verlagsgruppe News (VGN) tätig. 2016 wurde sie Leitende Redakteurin und 2018 Stellvertretende Chefredakteurin. Seit 2024 ist Melanie Chefredakteurin bei WOMAN. Ihr erklärtes Ziel: "Make the World more WOMAN. Weil wir davon überzeugt sind, dass eine gleichberechtigte Welt eine bessere ist."

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