Sie ist eine der einflussreichsten Frauen der gesamten Modeindustrie, Dior unter ihrer Leitung ein Mega-Erfolg. Das Geheimnis der Italienerin: Disziplin, Recherche und Rückbesinnung auf die Wurzeln einer Marke.
Sie hat Stationen bei Fendi und Valentino hinter sich, zeichnete etwa gemeinsam mit dem Designer Pierpaolo Piccioli für Valentinos berühmtes "Rockstud"-Design verantwortlich. Die Accessoires mit den goldenen Nieten sorgten jahrelang für einen der größten Hypes in Sachen Luxus-Bags und Schuhe. Doch erst mit ihrem Engagement für Dior im Jahr 2016 gelangt Maria Grazia Chiuri an die Spitze einer Weltmarke – und das noch dazu als erste Frau in der Geschichte des Hauses. Wir verraten dir alle Details über die spannende Karriere der italienischen Designerin.
Steckbrief: Maria Grazia Chiuri
Steckbrief
Maria Grazia Chiuri
Partner: Paolo Regini
Kinder: Tochter Rachele und Sohn Niccolo
Maria Grazia Chiuri: Die Anfänge einer großen Karriere
Im Februar 1964 erblickt Maria Grazia Chiuri das Licht der Welt. Ihre Mutter ist Schneiderin, ihr Vater arbeitet beim Militär. Aufgrund des Berufs ihrer Mutter kommt Maria Grazia, wie sie in der Branche häufig genannt wird, schon früh in Berührung mit Mode. Ihre Ausbildung absolviert sie am Europäischen Institut für Design in Rom.
Danach steigt sie direkt bei dem renommierten, italienischen Modehaus Fendi ein, wo sie auch Pierpaolo Piccioli kennenlernt. Schnell werden Maria Grazia und Pierpaolo, der am selben Institut studiert hat, ein erfolgreiches Duo. Gemeinsam verantworten sie vor allem die Accessoires. In Zusammenarbeit mit Silvia Venturini Fendi tragen die beiden außerdem maßgeblich zur Einführung einiger ikonischer Taschen, wie etwa der Baguette-Bag, bei.
Insgesamt arbeitet das Duo zehn Jahre lang für das italienische Modehaus. Ihre Designs, die sich vor allem durch Raffinesse und Stil auszeichnen, ebnen Piccioli und Chiuri schließlich den weiteren Weg in die Modewelt …
1999 wechseln Chiuri und Piccioli zu Valentino
Es ist niemand geringerer als der legendäre italienische Modeschöpfer Valentino Garavani selbst, der auf die Arbeit von Chiuri und Piccioli aufmerksam wird. Im Jahr 1999 erfolgt schließlich der Wechsel: Das Designer-Duo soll für Valentino eine Accessoire-Linie entwerfen, die den Couture-Geist des Modehauses interpretiert. Das Ergebnis ist eine Kollektion, die sowohl Tradition als auch Innovation vereint. Jährlich präsentieren die beiden fortan rund neun Kollektionen, die sich meist durch einen romantischen Stil auszeichnen.
Als Valentino Garavani im Jahr 2007 entscheidet, sich in den Ruhestand zu verabschieden, werden die beiden zu den Kreativdirektoren für alle Accessoire-Linien des Hauses ernannt. Im darauffolgenden Jahr wird ihr Wirkungsbereich außerdem auf die Herren- und Damenkollektionen sowie auf die Haute-Couture-Linie ausgeweitet.
In der siebzehnjährigen Zusammenarbeit schaffen es Chiuri und Piccioli das Label von Grund auf zu modernisieren. Schätzungen zufolge hat sich der Umsatz des Modehauses sogar vervierfacht. Grund dafür sind ikonische Designs, die die beiden zusammen geschaffen haben. Man denke nur an das bis heute weltbekannte "Rockstud"-Design mit goldenen Nieten an Accessoires wie Taschen und Schuhen.
Maria Grazia Chiuri als erste Frau an der Spitze von Dior
2016 folgt Maria Grazia Chiuri schließlich dem Ruf des Modehauses Dior in die Pariser Avenue Montaigne. Chiuri steht seitdem als erste Frau in der Geschichte der Maison an dessen Spitze. Was Maria Grazias Arbeit besonders auszeichnet: Sie gilt als eine der diszipliniertesten Kreativen, studiert die Archive und das Vermächtnis der Marken, für die sie tätig ist - und versteht es auch, ihr Werk an den aktuellen Zeitgeist anzupassen. So sind ikonische Entwürfe von Gründer Christian Dior noch immer präsent – aber eben mit dem Blickwinkel von Maria Grazia Chiuri.
Kurz nach ihrem Wechsel zu Dior sorgt Maria Grazia Chiuri dann auch schon für Schlagzeilen: Denn bei der Präsentation ihrer ersten Frühjahrskollektion 2017 platziert sie auf T-Shirts auffällig den Slogan "We Should All Be Feminists". Angelehnt an ein gleichnamiges Buch, wird das Shirt zum Verkaufsschlager. Bis heute gilt es als eines der meistfotografierten und begehrtesten (sowie meistkopierten!) Designerstücke der Welt. Übrigens: Teile der Einnahmen kamen wohltätigen Zwecken zugute.
"Ich wurde von Dior in einem bestimmten Moment meines Lebens gerufen, in dem ich mir - durch eine Reihe von Werken, allen voran die von Autorin Chimamanda Ngozi Adichie, und auch durch Gespräche mit meiner Tochter Rachele (eine ihrer wichtigsten Musen, Anm.) - der Komplexität des Frau-Seins bewusst wurde. Aber auch der Schönheit, eine zu sein", erklärte sie der Vogue.
Und weiter: "Ich dachte, dass mir die Leitung eines Modehauses wie Dior die Möglichkeit gibt, für andere Frauen zu arbeiten und die Idee der Weiblichkeit mit der des Feminismus zu vereinen. Aber für mich ist Weiblichkeit kein Thema, das in den Kollektionen erst entwickelt wird. Es ist die Art, unsere Zeit zu betrachten und zu reflektieren, es ist ein Leitfaden in meiner Arbeit für Frauen, es ist eine Art, Künstlerinnen und Künstlern, Ateliers und Aktivistinnen und Aktivisten zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen."
So tickt die Dior-Kreativchefin
Das legendäre T-Shirt und seine Message kommen jedenfalls nicht von irgendwoher: Denn Feminismus ist eines jener Themen, die der Modeschöpferin besonders am Herzen liegen. So ist sie sich beim Entwerfen der Kollektionen auch durchaus der heutigen Lebensrealität der Frauen bewusst. Denn: "Frauen arbeiten, Frauen reisen, Frauen haben ihr eigenes Leben".
Auf diese Bedürfnisse müsse man eingehen, Luxus als Show-Off hat hingegen ausgedient. Besonders für Couture-Häuser wie Dior sei es heute wichtig, zu verstehen, dass Luxus individueller geworden ist und nicht mehr bedeutet, mit seiner Kleidung anzugeben.
Kunst und Handwerk haben ebenfalls einen hohen Stellenwert in der Arbeit der begnadeten Modeschöpferin. So arbeitet sie immer wieder mit lokalen Kreativen und Kunsthandwerkern als Teil der Cruise-Shows, die beispielsweise schon in Marrakesch oder Kalifornien stattfanden, zusammen.
Inspiration und Antrieb für ihre Arbeit nimmt Maria Grazia Chiuri aber nicht nur aus Kunst und Handwerk: Ihre eigene Tochter Rachele gilt als eine ihrer größten Musen.
Neben Rachele hat Maria Grazia außerdem Sohn Niccolo gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Hemdfabriken-Besitzer Paolo Regini. Das Paar ist sie bereits seit 1992 verheiratet.
Was wir von ihr lernen können
Maria Grazia Chiuri gilt als Perfektionistin, kein Wunder – liest sich ihr Lebenslauf doch wie ein Roman, den selbst Hollywood nicht besser schreiben hätte können. Seit jeher werden ihre Kollektionen und Shows von Kritiker:innen gelobt und generell scheint es, als würde alles, was sie anfasst, zu Gold werden.
Das Erfolgsgeheimnis der Modeschöpferin ist dabei ihre Beständigkeit. Sie haucht "dem individuellen Code" der Modehäuser neues Leben ein, erarbeitet dabei aber beispielsweise für Dior auch Kollektionen, die so durchfacht sind, dass sie sich von Saison zu Saison weiterentwickeln.
Darüber hinaus kennt sie auch die Wichtigkeit von starken weiblichen Vorbildern und feministischen Botschaften, die sie medial zu inszenieren weiß. Sei es ob als Designer-Duo mit Pierpaolo Piccioli oder alleine – Maria Grazia Chiuris Karriere ist beeindruckend und für uns der lebende Beweis dafür, dass sich harte Arbeit selbst in einer von Männern dominierten Geschäftswelt noch lohnen kann.