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Frauen reden über Sex

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Frauen reden über Sex
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Die britische Journalistin und Autorin Lucy-Anne Holmes hat 51 Frauen aus allen Teilen der Welt und unterschiedlichen Gesellschaftsschichten befragt, was sie während des Sex denken. Das einblicksreiche Ergebnis gibt es jetzt in Buchform.

Was denken Frauen über Sex? Was erfüllt sie? Wie verändert sich Sexualität im Alter? Wie fühlt sich Sex mit Handicap an? Und auf welche Erfahrung hätte manche Frau lieber verzichtet? Neben heterosexuellen, bisexuellen und lesbischen Frauen kommen pansexuelle und trans-Frauen zu Wort ebenso wie nicht-binäre Menschen. Sie erzählen von Selbstachtung, Scham und Schmerz, Body Positivity, ihrer ganz individuellen Lust und von vermeintlichen Tabus.

Lust aufs LEBEN: In einer Gesellschaft, wo wir alle aufgeklärt, “oversexed” und Porno omnipräsent ist, warum denkens Sie, dass ein Buch wie “Was wir lieben – Frauen* reden über Sex” heutzutage notwendig ist?
Lucy-Anne Holmes: Ja, das stimmt einerseits: wir sind umgeben von unglaublich viel Sex durch das Internet. Dabei fällt auf, dass das meiste doch sehr durch den männlichen Blick geprägt ist. Weibliche Sexualität wird so häufig durch Männer präsentiert, wo junge Frauen „performen“, um das andere Geschlecht zu stimulieren. Andererseits hat die metoo-Bewegung viel dazu beigetragen, aufzudecken, wie selbstverständlich und normal sexuelle Gewalt inzwischen geworden ist, der Frauen alltäglich ausgesetzt sind.

Aus all diesen Gründen sind dies faszinierende Zeiten, in denen wir leben, wo es darum geht, uns unsere Power und Lust zurückerobern. Das Teilen von Wissen, Erfahrungen und Informationen bedeutet auch, dass diese neuen Frauen-Bewegungen neuen Antrieb bekommen. Diese Diskurse tragen dazu bei, Frauen zu empowern und über unseren weiblichen Körper und unsere Lust wichtige Aufklärungsarbeit zu leisten. Und dennoch haben wir, zumindest in Großbritannien, die Situation, dass trotz all der öffentlich zugänglichen Infos Studien ergeben haben, dass die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung unglücklich ist mit ihrem Sexualleben. Vor diesem Hintergrund war es wichtig, einmal die Frauen selbst zu Wort kommen zu lassen und sie zu fragen, wie sie sich eigentlich während des Aktes fühlen. Die Interviewpartnerinnen in diesem Buch sind eben keine Statistiken mehr, über die wir in den Zeitungen lesen. Sie erzählen mit einer entwaffnenden Offenheit und Ehrlichkeit von ihren Erfahrungen und teilen mit uns ihre intimsten Momente.

Lust aufs LEBEN: Wen sehen Sie als Zielgruppe? Eher Frauen, junge Mädchen oder auch Männer?
Lucy-Anne Holmes: Am liebsten möchte ich Jeden und Jede mit dem Buch erreichen! Aber natürlich ist es definitiv in erster Linie zunächst einmal für alle Frauen gedacht – auch um sich Rat zu holen oder inspirieren zu lassen in herausfordernden Lebenssituationen. Beim Schreiben habe ich gespürt, dass die Interviewten einerseits zu mir als Leserin gesprochen haben, aber auch quasi zueinander. Zum Beispiel gibt es die Geschichte einer Mutter in ihren Dreißigern von zwei kleinen Kindern, die mit ihrem Partner um die sexuelle Leidenschaft in ihrer Beziehung kämpft. Sie ist müde und erschöpft und nimmt ihm seine Annäherungsversuche übel. Aber später in dem Buch treffen wir auf eine Frau in ihren Vierzigern, die die gleiche Situation durchgemacht hat. Man erfährt dadurch, was ihr geholfen hat, diese Phase durchzustehen und wie sie als Partner wieder tollen Sex gemeinsam haben. Dadurch denke ich, dass es ebenso ein Buch für Männer ist. Die positive Resonanz der Männer hat mich wirklich sehr berührt. Vielleicht sollte ich das nächste Mal das Projekt mit männlichen Gesprächspartnern angehen.

Lust aufs LEBEN: All die Erfahrungsberichte und Geschichten sind doch so intim und privat: Ist es den Frauen leicht gefallen, ihre Erlebnisse dir zu erzählen?
Lucy-Anne Holmes: Ein Aspekt des Buches, über den ich mich besonders freute, ist wie die Frauen* es selbst genossen haben, über das Thema zu sprechen. “Das hat sich therapeutisch angefühlt” oder “Das war ein Gespräch, von dem ich gar nicht vermutet hätte, das ich es tatsächlich gebraucht hätte“ waren solche Bemerkungen, die ich oft zu hören bekam. Viele von den Frauen meinten sogar, es sei lebensverändernd für sie gewesen.
Was natürlich hilfreich war an der Stelle, war die Tatsache, dass ich eine völlig fremde Person für sie war und alles komplett anonymisiert im Buch dargestellt wird. Aber ich denke auch, dass es befreiend sein kann, über einen Aspekt im Leben zu sprechen, über den üblicherweise eben geschwiegen wird. Ich wiederum habe mich vorab auf jede Gesprächssituation neu vorbereitet, habe meditiert und generell versucht, mich soweit wie möglich zurückzuhalten in der Gesprächssituation, um ihnen den Raum und die Zeit zu geben, die sie benötigten. Manche Interviews dauerten nämlich bis zu sechs Stunden.

Lust aufs LEBEN: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Gesprächsthemen in“Was wir lieben”? Gab es Themen, die Sie überrascht haben oder andere, die gar nicht erst zur Sprache gekommen sind?
Lucy-Anne Holmes: Eine Sache, die mir tatsächlich aufgefallen ist, wie manche weit verbreitete Vorstellungen zurückgewiesen worden sind. Wir hören ja immer von dem Mythos, dass Frauen sich einen Partner wünschen, der stundenlang kann. In meinen Gesprächen hat sich jedoch herausgestellt, dass der Mehrheit anders dazu steht. Einige haben sogar betont, dass der eigentliche Akt der Penetration, der für sie am wenigsten spannendste Teil sei. Augenzwinkernd auf den Punkt gebracht hat es beispielsweise Jessica (36) aus Kanada: „Ich denke, sieben Minuten sollten die gesetzliche Grenze sein.“
Ein weiterer Mythos, den wir in dem Buch zerstören, ist die Vorstellung, dass ältere Frauen kein Interesse mehr an Sex haben. Tatsächlich hat sich das Gegenteil herauskristallisiert: Frauen über vierzig genießen ihr Sexleben auf ihre individuelle Weise oder sammeln neue Erfahrungen, in dem sie Tantra oder BDSM-Praktiken probieren. Odile (56) aus den Niederlanden, kommentierte zu Sex nach der Menopause: „Schlechter Sex lohnt sich nicht mehr, viel zu viel Aufwand, also warum die ganzen Mühen?“

Lust aufs LEBEN: Was war das Überraschendste, das Sie von Ihren Interviewpartner*innen gehört hast bezogen auf die Frage, woran sie während des Sex denken?
Lucy-Anne Holmes: Am schönsten finde ich eigentlich die Bandbreite an diversen Fantasien: Joy, 58 aus Portugal, denkt beispielsweise an zwei Männer, die sich während eines Bades küssen. Jenny, 45 aus Schottland, dagegen fühlt sich als wahre Königin, die ganz selbstbewusst denkt „Wen nehme ich mir denn heute?“. Lucy (74, Neuseeländerin) denkt am liebsten an den Mann, mit dem sie eine lange Affäre hatte. Elisia, 31 aus Singapur, liebt akustische Reize als Stimulus, sogenannte AMSR (Autonomous Sensory Meridian Response). Und Lily (50) aus Schweden liest am liebsten erotische Cartoons über Zauberer.

Lust aufs LEBEN: Die Geschichten im Buch werden optisch von ganz besonderen Illustrationen begleitet.
Lucy-Anne Holmes: Ja, die Bilder in dem Buch sind wahre Kunst und einfach nur unglaublich schön. Jede Geschichte wurde zu einer Illustratorin geschickt, die im Gegenzug diese kreativ übersetzt haben. Das Ergebnis ist wirklich außergewöhnlich, ein optischer Leckerbissen. Auch das war die Idee meiner Herausgeberin Katy Follain, die auch all die internationalen Künstlerinnen ausgewählt hat.

Lust aufs LEBEN: Wir leben ja noch immer in Zeiten einer Pandemie: Denken Sie, die Lockdownsituation hatte Auswirkungen auf unser Sexualleben und unsere Beziehungen?
Lucy-Anne Holmes: Definitiv und auf so viele verschiede Arten und Weisen. Beispielsweise wissen wir, dass die Rate der häuslichen Gewalt stark angestiegen ist. Der Lockdown hat uns auch alle in unseren Beziehungen auf uns selbst zurückgeworfen: bei Beziehungen, die vorher unglücklich waren, ist natürlich die Gefahr größer, dass die Unzufriedenheit in dieser Zeit gestiegen ist. Außerdem war/ist diese Zeit der pure Stress für einige und wir wissen natürlich, dass Stress der reinste Lustkiller ist. Andererseits haben es auch all die Single-Frauen nicht leicht, die sich nach Verbindungen und Berührungen sehnen. Jemanden zu daten war nicht möglich, und das erschwert wiederum die Partnersuche. Dennoch gab es bei uns einen regelrechten Baby Boom, mehr Sextoys wurden verkauft und viele Frauen schauten sich viel mehr Pornos an, weil sie mehr Zeit zu Hause und im Homeoffice verbrachten.

Lust aufs LEBEN: Nachdem mit Sie mit all diesen unterschiedlichen Frauen gesprochen haben, sind Sie da nicht neugierig geworden, die andere Seite zu hören und die männliche Perspektive zu dem Thema zu befragen?
Lucy-Anne Holmes: JA! Absolut, es war interessant zu hören, dass viele (heterosexuelle) Frauen sich eben genau dies fragten: Was denkt denn er in diesem Augenblick eigentlich? Daher würde ich sehr gern ein ähnliches Buch über Männer machen. Ich kann verraten, dass ich bereits einige Interviews geführt habe in der Hoffnung, dass ich den Verlag überzeugen kann diese Idee umzusetzen!

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"Was wir lieben - Frauen* reden über Sex", Lucy-Anne Holmes, Heyne, € 21,00

 © Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Muenchen

Über die Autor:innen

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