Wer urlaubt, sammelt nicht nur wertvolle Erinnerungen, sondern stärkt die Sinne und setzt kreative Prozesse in Gang. Auch unser Denken und das daraus resultierende Verhalten verändern sich mit den neuen Eindrücken. Eine Expertin erklärt, wie wir am besten von Touren profitieren und schöne Gefühle festhalten können.
Es ist diese Vorfreude, die mit hoffnungsfrohen Erwartungen einhergeht, verbunden mit einem Kribbeln im Bauch – und positiver Aufregung. Eine bevorstehende Reise bereitet bereits im Vorfeld ein Glücksgefühl. Allein der Ausblick auf einen Trip mindert den Stress im Alltag. Die Freude wird dann mit Antritt des Urlaubs potenziert: "Menschen, die viel reisen, fühlen sich laut Studien wohler und sind zufriedener mit ihrem Leben", sagt Reisepsychologin Barbara Horvatits-Ebner.
Diese Zufriedenheit entsteht durch Prozesse, die während des Verreisens unsere Psyche bewegen, uns also nicht nur mit vielen neuen Eindrücken füttern, sondern auch unser Gehirn, unsere Denkweise und unseren Selbstwert beeinflussen. "Reisen bringt oftmals einen Erkenntnisgewinn. Vor allem deshalb, weil wir dabei mit neuen Situationen konfrontiert sind, für die wir kein Standardrepertoire abgespeichert haben. Das bedeutet, wir müssen kreativ und intelligent nach Wegen suchen, Probleme zu lösen und Ideen zu entwickeln. Gelingt uns das, fühlen wir uns besser und stärker als zuvor. Das hat Auswirkungen auf unser Selbstbild", so Horvatits-Ebner. Vor allem Solo-Reisen haben einen großen Einfluss auf die Selbstwirksamkeit. Man hat mehr Raum zum Reflektieren, knüpft schneller Kontakte mit Einheimischen und lernt, auch im Alleingang Entscheidungen zu treffen.
Reisen macht klüger & kreativer
Auch Alltagssorgen können – weg von daheim – mit einem gewissen Abstand betrachtet werden. Der Grund: Im Urlaub wird die kognitive Flexibilität gesteigert, man erkennt neue Möglichkeiten, die im Alltag vielleicht so nicht mehr gesehen werden. Das bestätigt eine Studie der University of California. Dafür wurden Student:innen untersucht, die viele Auslandserfahrungen sammeln konnten und ein außergewöhnlich hohes multikulturelles Engagement sowie eine höhere integrative Komplexität, also die Bereitschaft, verschiedene Sichtweisen und Sachverhalte anzuerkennen und nachzuvollziehen, aufwiesen.
In einer anderen Untersuchung konnten die Wissenschafter:innen feststellen, dass bereiste Studierende Aufgaben schneller lösen konnten. Unser Denken wird dabei sowohl von guten als auch weniger guten Erfahrungen erweitert: "Man sollte stets auch damit rechnen, dass man auf Trips etwas erlebt, das einen überrascht oder verstört – das liegt einfach in der Natur der Sache, wenn man sich in anderen Gesellschaften bewegt. Manche dieser Erlebnisse machen zwar nicht glücklich, haben aber dennoch einen wichtigen Einfluss auf unser Denken und Leben und sind somit genauso wertvoll", erklärt die Reisepsychologin.
Um auf vielen Ebenen von einer Reise zu profitieren, raten Expert:innen dazu, nicht nur den klassischen Strandurlaub zu wählen, sondern auch mal etwas zu wagen, sich auf das kulturelle Treiben einzulassen. Trauen wir uns aus der persönlichen Komfortzone heraus, lassen wir uns auf die jeweilige Kultur und die Menschen ein, werden unsere Sinne (wieder) aktiviert, die in der alltäglichen Umgebung im Autopilot arbeiten. Im Urlaub wird alles intensiver wahrgenommen, bei Erlebnissen, die wir zum ersten Mal erfahren, ist unser Gehirn hellwach. Je mehr Ausflüge gemacht und interessante Gespräche geführt werden, umso mehr profitiert unser Gehirn.
Das heißt nicht, dass nur Abenteuerreisen der Psyche guttun, viel eher geht es um eine ausgewogene Balance von Aktivität und Ruhe. Wenn es ans Meer geht, kann man ja einmal die Sonnenliege gegen eine Bootsfahrt tauschen oder eine Erkundungstour mit Locals unternehmen. "Im Urlaub versuchen wir einen Gegenalltag zu kreieren. Wichtig ist, dass man Aktivitäten wählt, die den persönlichen Vorlieben entsprechen, und sich andererseits in Situationen begibt, die potenziell spannend sind. Selbst wenn wir dabei ein wenig über eigene Grenzen gehen", rät der Profi. Also statt auf Souvenir- auf Erlebnisjagd setzen.
Theorien über Reisemotive
Laut Forscher:innen macht es sogar glücklicher, Geld für Aktivitäten als für Gegenstände auszugeben. Neueste Reisemotivtheorien besagen, dass wir auf Touren darauf aus sind, Dinge zu erleben, die wir im Alltag nicht haben. Meist sollte das in kurzer Zeit passieren, denn nicht alle können sich eine wochenlange Auszeit leisten. Wissenschafter:innen der finnischen Universität Tampere fanden heraus, dass die ideale Reisezeit zwischen acht und zehn Tagen liegt. Eine Zeit, die uns im Bestfall viel zu kurz vorkommt. Das ist aber ein gutes Zeichen, denn eine hohe Ereignisdichte und Erlebnisintensität verkürzt zwar die Zeitwahrnehmung in der Gegenwart, hinterlässt dafür tiefgründige Erinnerungen.
Apropos Erlebnisse: Auch wer viel unternimmt, kann neue Kräfte sammeln: "Erholung ist eher ein Auftanken, während Entspannung mehr ein Loslassen ist. Das bedeutet, dass man Erholung auch bei einer Städtereise oder einem Aktivurlaub erleben kann. Sie setzt viel früher ein, da sie an diverse Neurotransmitter gekoppelt ist, die für gute Gefühle sorgen, etwa Serotonin oder Dopamin. Das wirkt wie ein Energiebooster", erklärt Horvatits-Ebner.
Damit die Rückkehr nicht allzu wehtut, rät die Psychologin dazu, die Destination ein Stück weit mit nach Hause zu nehmen, indem man beispielsweise Fotos oder Videos bearbeitet sowie ein Essen, das vor Ort besonders gemundet hat, nachkocht. Heimkommen ist ein ebenso vielschichtiger Prozess wie das Reisen selbst. "Besonders die sprachliche Beschäftigung birgt viel Verankerungspotenzial. Wenn man darüber redet oder Erlebnisse niederschreibt, bleibt dies gut im Gedächtnis und damit auch die dazugehörigen Emotionen", so die Expertin. Es ist eine Art, alles Revue passieren zu lassen, und dient der Verarbeitung des Erlebten und dem inneren Abschluss einer Reise, die auf vielen anderen Ebenen noch lange nachwirkt.