Narzissten, Soziopathen und Psychopathen leben unter uns. Profilerin Patricia Staniek erklärt die "Red Flags".
Narzissmus ist in aller Munde. Was versteht man genau darunter – wie unterscheidet sich ein Narzisst von einem reinen Egoisten?
Patricia Staniek: Der Egoist ist raffgierig, er will alles für sich und teilt nicht. Der Narzisst ist selbstverliebt. Er ist ein Selbstdarsteller und macht die perfekte Show. Beides gibt es an sich einzeln, aber oft tritt es gemeinsam auf.
Von einem Narzissten spricht man dann, wenn Selbstliebe, Selbstbewunderung, übersteigertes Selbstbewusstsein, Eitelkeit, Arroganz, Kritikunfähigkeit, Erfolgssucht und Machtgier und das sich über andere darüber Stellen übermäßig stark ausgelebt und zelebriert werden.
Mehrere Symptome bzw. langanhaltende Verhaltensmuster geben Hinweise auf diese Persönlichkeitsstörung. Die Auswirkungen bekommt das Umfeld des Narzissten sehr oft auf unangenehme Art zu spüren!
Wodurch entsteht diese Störung im Wesentlichen?
Patricia Staniek: Bei pathologischen Störungen spreche ich als Kriminologin auch von Anlage und Umwelt. Jemand kann so veranlagt sein und je nach dem Umfeld in dem er aufwächst, entwickelt sich so eine Störung weniger oder mehr. Bei vielen ist sie nicht mitgegeben. So kann Narzissmus auch z.B. durch Helikoptereltern entstehen, wenn Kinder zu scheinbaren Superstars erzogen oder verzogen werden.
Der Übergang von Narzissmus zu einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung kann oft fließend passieren. Das Umfeld leidet oft auch schon bei Narzissmus z.B. von einer Führungskraft in einem Unternehmen. Dafür ist noch gar keine ausgewachsene Persönlichkeitsstörung nötig.
Warum sind Narzissten so gefährlich?
Patricia Staniek: Der Narzisst ist grundsätzlich nicht immer gefährlich. Ein gutes Maß an Narzissmus ist in der Führung von großen Unternehmen oft förderlich und hat Vorteile für das jeweilige Unternehmen. Diese Menschen treten meist sehr eloquent auf. Sie schaffen es, andere auf die Reise mitzunehmen und präsentieren sich und das Unternehmen bestens nach innen und außen.
Wenn die negativen Eigenschaften allerdings dominieren, kann es zu Angst, Ohnmacht und Unmacht unter Mitarbeitern kommen. Wenn Narzissmus hochgradig zelebriert wird, gibt es Mitarbeiter aber auch Lebens- und Ehepartner, die unglaublich leiden.
Der „toxische“ Narzisst schafft es, Menschen für sich einzuspannen sowie enormen Druck und Angst zu verbreiten. Er hält sich für das Maß aller Dinge, sieht sich ganz oben und ist der Beste.
Gefährlich wird ein Narzisst, wenn andere Menschen nicht tun, was er will, wenn sie ihm Feedback geben oder ihn kritisieren oder ihm in irgendeiner Form gefährlich werden könnten. Dann beginnt oft ein böses Spiel oder ein Rachefeldzug. Dabei kommt es oft vor, dass er gar keinen Feind hat, aber eine Person als Feind empfindet.
Was steckt wirklich dahinter?
Patricia Staniek: Hinter diesem übersteigerten Selbstbewusstsein befindet sich die Wahrheit: ein geringes Selbstwertgefühl, welches durch das narzisstische Verhalten kaschiert werden soll.
Wie verhalten sich Narzissten in Paarbeziehungen typischerweise?
Patricia Staniek: Narzissten demütigen und kontrollieren andere gerne. Besonders in Beziehungen leiden Partnerinnen dabei sehr oft. Andererseits schafft es der Narzisst in Beziehungen auch immer wieder, zu faszinieren, zu tarnen, zu täuschen und die Partnerin im richtigen Moment wieder um den Finger zu wickeln. Viele Frauen, die mir ihr Leid geklagt haben, fielen immer und immer wieder auf den Narzissten hinein. Bis sie dann kurz vor dem Schmerz- und Leid-Supergau waren.
Oft ist die Hoffnung, dass der Narzisst wieder so wird wie er früher war, sehr groß. Doch das was er früher dargestellt hat, war er nie wirklich, denn meistens war sein Charme, sein Umgarnen, sein „wunderbar Sein“ ein Teil seiner Big Show. Was er tatsächlich ist, erlebten die Partnerinnen nach der Big Show.
Buchtipp:
"Mein Wille geschehe – Macht und Manipulation entschlüsseln", Patricia Staniek, Goldegg Verlag, € 22,--
Inwiefern unterscheiden sich Narzissten von Soziopathen und Psychopathen?
Patricia Staniek: Den Narzissten erkennt man an seinem Auftreten, seiner Selbstliebe sowie an seinem ganzem Gehabe und Verhalten.
Den Psychopath erkennt man meist erst, wenn er gerade eine Handlung oder Tat vollzieht. Er verhält sich meist nach außen eher unauffällig, kann ein witziger charmanter Gesprächspartner sein und stellt sich nicht unangenehm in den Vordergrund. Er attackiert nicht vor anderen, sondern macht das gezielt, wenn er mit der Person alleine ist. Der Psychopath zieht die Fäden im Hintergrund.
Allerdings ist der Psychopath jemand, der in Unternehmen oft extreme und riskante Entscheidungen trifft und diese auch durchzieht. Er kennt keine Angst wie andere Menschen sie grundsätzlich haben. Wenn alle durchdrehen, weil ein Erdbeben ist, bleibt der Psychopath noch ruhig. Angst, echte Trauer, Reue und Schuld kennt er nicht. Er spielt Empathie, obwohl er empathieunfähig ist.
Der Soziopath ist aggressiv, laut und scheut körperliche Übergriffe nicht. Er hat ein Defizit in der Impulskontrolle und neigt zu körperlicher Gewalt an anderen Menschen.
Natürlich gibt es auch Mischungen!
Bitte nennen Sie die wichtigsten Red Flags, an denen man diese ausbeuterischen Persönlichkeiten erkennt!
Patricia Staniek: Forderungen stellen, nur den eigenen Nutzen wollen; es geht um die eigene Bedürfnserfüllung auf allen Ebenen; Druck aufbauen; mit Druck und Angst arbeiten; nehmen, nehmen, nehmen und nicht geben; Manipulationen und Machtausübungen; Herabwürdigungen; Erpressungen und Drohungen.
Was sind die häufigsten Gründe, warum sich vor alle Frauen oft von Narzissten und andern täuschen lassen – gibt es ein bestimmtes "Beuteschema"?
Patricia Staniek: Grundsätzlich kann es jeder bzw. jedem passieren! Narzissten aber auch Psychopathen sind Meister der Täuschung und des Schauspiels. Sie treten daher sehr charmant und flirty auf. Sie erkennen blitzschnell die Defizite von den Menschen und benutzen diese zur Steuerung. Im privaten Umfeld kann man es an meinem 5-T Modell von Narzissten und Psychopathen festmachen:
1. Turteln: Charmoffensive, Lovebombing
2. Tarnen: Verdeckt seine eigene Persönlichkeit und spielt den Traummann vor.
3. Täuschen: Lügt und betrügt, baut Konstrukte auf.
4. Testen: In dieser Phase, prüft er, was er mit der Partnerin alles machen kann, was sie sich gefallen lässt und wie er sie wieder dorthin bringt wo er sie will
5. Treten: Er kennt die Mechanismen der Partnerin, das psychische und physische „Treten“ beginnt“
Toxische Beziehungen zu missbräuchlichen Menschen werden oft durch die Hoffnung genährt, dass der Partner sich irgendwann doch noch ändert – und dadurch viel zu lange ausgehalten. Können Narzissten, Soziopathen und Psychopathen sich überhaupt verändern?
Patricia Staniek: Echte Narzissten, Psychopathen und Sozipathen suchen sich ein neues Umfeld anstatt sich zu verändern. Warum sollten sie sich verändern? Sie sehen sich ja „ok“! Sie sind nicht nachhaltig und weitreichend veränderbar. Sie beuten ihre Opfer aus, lassen sie ausbluten, lassen sie ausgeblutet liegen und suchen sich ein Neues bzw. haben sie das oft schon parallel.
Was können die Folgen des psychischen und/oder körperlichen Missbrauchs sein?
Patricia Staniek: Die Zerstörung einer Persönlichkeit! Oft ist das Leiden der Opfer sehr groß. Wenn Opfer es schaffen, sich zu trennen ist der Leidensweg allerdings meist nicht vorbei. Denn der Psychopath oder Narzisst will nicht verlieren, oft will er weiter zerstören. Es kann in Stalking übergehen oder in Rosenkriege, wo dann versucht wird, die Partnerin als die Gestörte darzustellen. Oft gelingt es auch, denn es wurde ja schon genug Vorarbeit geleistet.
Oft ist lange Zeit nicht möglich, aus dieser negativen Spirale herauszukommen.
Was hilft?
Patricia Staniek: Schon in der Anfangsphase in der Beziehung wirklich hören, was Freunde und Familie über den neuen Partner sagen. Sie sehen oft von außen, was die verliebte Person nicht sieht oder sehen will!
Wenn man es selbst schon realisiert hat bzw. leidet und weg will, dann die Familie und Freunde um Hilfe bitten und sich professionelle Begleitung für den Ausstieg holen. Professionelle Begleitung kann das Risiko des Ausstiegs dezimieren. Es gibt öffentliche Beratungsstellen aber auch in meiner Profiling Task-Force sind unterschiedliche Experten für den Weg in ein neues, giftfreies Leben. Genauso ist es im beruflichen Kontext: Hilfe suchen und annehmen!