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Familientherapie: Wenn eine Familienberatung nicht mehr ausreicht

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7 min
Familientherapie: Wenn eine einfache Beratung nicht mehr ausreicht

Manchmal ist es sinnvoll, eine Familientherapie in Betracht zu ziehen

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Es ist nicht immer leicht, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich für die Bewältigung von Traumata oder Krisen externe Hilfe zu suchen. Familientherapie agiert hierbei als Gruppentherapie, um zusammen mit Psycholog:innen innerfamiliäre Dynamiken zu analysieren und zu heilen.

Vor vergleichsweise wenig Jahren war es noch ein Tabu, über Therapie zu sprechen oder diese sogar zu beanspruchen. Zum Glück lässt sich heute mit Sicherheit sagen, dass wir nach und nach von Schubladendenken & Co absehen und akzeptieren, dass eine Therapie manchmal viel nötiger ist, als man vorerst gedacht hat.

Ganz im Gegenteil: Es benötigt enorm viel Stärke, sich zu öffnen und aktiv etwas für das mentale sowie physische Wohlbefinden zu tun. Dies kann unter anderem innerhalb der Familientherapie in Angriff genommen werden.

Worum handelt es sich bei einer Familientherapie?

Familientherapie und dessen Anfänge gehen bis in die 1950er-Jahre zurück. In den USA waren es überwiegend Arbeiten zu Schizophrenie, die das Forschungsfeld vorantrieben und letztendlich zum familientherapeutischen Modell führten. Grob gesagt, ist Familientherapie eine Art psychologische Gruppentherapie, die Krisen innerhalb der Familie auf System- und Beziehungsebene begutachtet.

Teilnehmen darf - und vor allem soll - jede:r, die:der für die Entstehung des Problems oder Trauma verantwortlich sein könnte. Nur so können Strukturen und (ungesunde) Beziehungen aufgedeckt werden, welche die Familiendynamik beeinflussen. Dies kann von Eltern und Geschwistern bis hin zu Cousinen und Großeltern jedes Familienmitglied treffen.

"Psychotherapie ist ein wissenschaftlich fundiertes Heilverfahren. Psychische Krankheiten, Symptome oder Leidenszustände sind häufig der Ausdruck von seelischem Ungleichgewicht", berichtet Mag.a Beate Bauer, Teamleiterin des Familienzentrums Wien der Caritas der Erzdiözese Wien, im gemeinsamen Gespräch. "Ziel ist es, seelisches Leid zu verringern sowie krankheitswertige Störungen zu heilen, zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen oder zu stärken."

Wie unterscheiden sich Familientherapie und Familienberatung voneinander?

Beide Formen der Problembewältigung ähneln sich ungemein, unterscheiden sich jedoch in der Ausführung und dem Gesundheitszustandes der Klient:innen. Während eine Familienberatung auf "gesunde" Menschen fokussiert ist, macht sich die Familientherapie zur Aufgabe, "kranke" Menschen zu heilen. Bei letzterem handelt es sich in der Regel um medizinische, psychologische, psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlungen.

Aufgrund dessen darf Familientherapie - die im Grunde nichts anderes als eine Psychotherapie ist - nur von dafür ausgebildeten Expert:innen durchgeführt werden. Dies umfasst unter anderem Psychotherapeut:innen, die laut Psychotherapiegesetz in die Liste des Bundesministeriums eingetragen sind.

Tipp: Viele Menschen haben eine regelrechte Phobie davor, sich in Therapie zu begeben. Gerade dann ist eine (Familien-)Beratung von Vorteil. So kann sich Schritt für Schritt an die Thematik herangetastet werden - kostenlos und anonym.

Wann ist es Zeit, eine Familientherapie in Erwägung zu ziehen?

Oftmals handelt es sich bei Therapien um die letzte Anlaufstelle. Vorab wird meist eine Familienberatung aufgesucht, die nach dem Erschöpfen aller Kapazitäten an Therapiestellen verweist. In den meisten Fällen wird eine Überweisung von Fachärzt:innen ausgestellt, wobei eine aufrechte Krankenversicherung von Nöten ist. Psychotherapie für Kinder und Jugendliche basiert jedoch immer auf Freiwilligkeit. Fakt ist, dass eine Familientherapie dann in Anspruch genommen werden sollte, wenn nichts anderes mehr hilft.

Je nach Länge der Therapiesitzung, Erfahrung der Therapeut:innen und Thematik können die Kosten für eine einzelne Sitzung zwischen 20€ und 300€ variieren. Sollte eine krankheitswertige Störung vorliegen, erfolgt eine volle Kostenübernahme der jeweiligen Krankenkasse. Auch Jugendliche und Kinder profitieren von der Familientherapie: Die Behandlungsangebote sind in der Regel kostenfrei.

Welche Symptome deuten auf ein Problem hin?

Es gibt viele, komplett unterschiedliche Anlässe, um eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Die Thematiken können von Trennungen, dysfunktionalen Familien bis hin zu Schwangerschaften alles umfassen. Beate Bauer hat die häufigsten Symptome aufgezählt, die darauf deuten, dass man mit eben diesen Thematiken nicht mehr alleine zurechtkommt und ein:e Therapeut:in aufsuchen sollte:

  • einen inneren Leidensdruck verspüren

  • sich psychisch belastet oder unwohl fühlen

  • immer und immer wieder dieselben Gedanken im Kopf durchdenken

  • Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen haben, weil man von Sorgen wachgehalten wird

  • keinen Appetit verspüren

Auch besteht eine Familienkonstellation schon lange nicht mehr klassisch aus Vater, Mutter, Kind. "Der Begriff 'Familie' hat sich über die Zeit hinweg deutlich verändert, bspw. kommen heute Patchwork-Familien, Alleinerzieher:innen-Familien oder Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern deutlich häufiger vor. Es können Menschen in unterschiedlichen familiären Konstellationen zur Beratung kommen: heterosexuelle oder gleichgeschlechtliche Eltern mit oder ohne Kinder, getrennte oder geschiedene Eltern, Jugendliche selbst sowie Großeltern, Onkel, Tanten oder auch Einzelpersonen die Fragen rund um das Thema 'Familie' gerne näher bearbeiten möchten", so Beate Bauer.

Diese Therapieverfahren werden in Österreich herangezogen

Bevor die eigentlichen Therapie-Sessions anfangen, wird zuallererst ein Abklärungsgespräch geführt. Hier haben alle Parteien die Chance, sich besser kennenzulernen und eine Beziehung zueinander aufzubauen. Ohne herrschendes Vertrauen ist es fast unmöglich, sich den Therapeut:innen gegenüber zu öffnen. Daraufhin folgt die eigentliche Familientherapie. In Österreich gibt es 23 gesetzlich anerkannte Psychotherapierichtungen, die dabei angewandt werden können: Die systemische Therapie und der psychoanalytische Ansatz sind die bekanntesten Varianten.

Bei der systemischen Familientherapie liegt der Schwerpunkt auf dem sozialen Kontext psychischer Störungen. Methoden, die währenddessen genutzt werden, sind verschiedene Fragetechniken, Genogramme, Familienskulpturen, Familienbretter und mehr. Der psychoanalytische Ansatz orientiert sich an der Psychoanalyse nach Sigmund Freud. Hier geht es vor allem darum, unbewusste Konflikte aufzudecken. Die Sitzungsfrequenz ist mit zwei bis vier Sitzungen pro Woche höher als bei anderen Methoden.

Was sind die Ziele einer Familientherapie?

Allgemein ist das primäre Ziel, (erneut) ein harmonisches Stimmungsbild herzustellen, psychische Erkrankungen zu lindern und die Klient:innen von ihren Traumata zu befreien. Hierbei ist aber bereits der Weg das Ziel, da mit Veränderung auch ein Entwicklungs- und Erkenntnisprozess einhergeht. "Die Ziele sowie der Fokus der Therapie werden immer wieder daraufhin überprüft, inwiefern sie bereits erreicht wurden oder ob sie eventuell geändert werden sollten", wirft Beate Bauer ein. Dementsprechend ist es nicht unüblich, dass sich auch die Familienkonstellationen in den jeweiligen Sitzungen ändern.

Eine Familientherapie wird meist als Kurzzeittherapie eingesetzt. Bei Jugendlichen und Kindern hingegen dauert eine Psychotherapie manchmal mehrere Jahre - die Veränderungsprozesse brauchen hier mehr Zeit. Sollte das Leid durch die Maßnahmen verschlimmert werden, müssen die Sitzungen überdacht oder eventuell sogar abgebrochen werden. Bei Suizidabsichten oder akuten psychiatrischen Krisen müssen Polizei, Rettung oder zuständige Fachstellen informiert werden: Hiermit sind die Grenzen der Familientherapie erreicht.

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